Good old Burgenland bis zurück zum Jahrgang 1973, DONNERSTAG, 17. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Hypothese widerlegt

Als den Rudl vor gut dreißig Jahren die Faszination alter Weine – die waren damals nicht alt, sondern äußerstenfalls nicht mehr ganz jung – befallen hat, ist er von einer Koppelung des Reifepotentials eines Weins an eine gewisse Hangneigung des Weingartens ausgegangen. Das hat erstaunlich oft zugetroffen. Aber es war falsch.

Was ist „alt“?

Es gibt Wörter, die haben es nicht leicht, das Wort „alt“ zum Beispiel. Man kann nicht sagen, dass es eine besonders gute Nachrede hätte. Die früher gelegentlich geäußerte Kombination von „gut“ und „alt“ wird zumindest in der deutschen Sprache fast nur mehr mit einem bemitleidenden Unterton strapaziert. Der Herr Kurt hat das seinerzeit schon thematisiert und in Oid & grau den krampfhaften Jugendlichkeitszwang ziemlich alt ausschauen lassen. Möglicherweise ist das im Angelsächsischen anders. Da müssten Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, vielleicht Herrn Jagger fragen. Bei uns scheint lediglich der Dialekt für einen halbwegs krampflosen Umgang mit dem Alter Sprachraum zu haben, sogar in der Jugendsprache. Am Wort „Oida“ kommt offenbar keine Generation vorbei, über die Jahrzehnte hinweg. Es ist ziemlich zeitlos.

Spätestens Globalisierung und vor allem Digitalisierung haben der Zeit den Kampf angesagt, und mit ihr dem Alter. Alles, überall, immer und sofort. Und genau so viel Niveau hat es dann auch, egal ob es um Erdbeeren, Musik oder Information geht. Ein paar transhumanistische Kasperln im Silicon Valley haben sich jetzt zum Ziel gesetzt, auch das biologische Alter zu eliminieren. Sie halten sich dabei für furchtbar rational und aufgeklärt. Als überkommen und rückständig gelten ihnen Transzendenz-Vorstellungen in den klassischen Religionen.

Altwein

Beim Heurigen war Altwein der Wein aus dem nicht akutellen Jahrgang. Da fehlt dem Zweitausenddreier nicht mehr viel auf einen Altwein. Das Marketing hat das Coolheitsdefizit dieses Terminus aber längst erkannt und war pfiffig genug, das Attribut „alt“ durch „reif“ oder noch glatter „gereift“ zu ersetzen. Wenn damit auf den Unterschied zwischen Reife und Überreife abgezielt ist, kann Caviste Rudolf Polifka dem ja sogar etwas abgewinnen.

Potentiel de vieillissement

Im Französischen spricht und schreibt man vom Alterungspotential. Dass damit nicht Jahre um jeden Preis gemeint sind, liegt in der Bedeutung des Wortes „Potenzial“. Das geht eben nicht bei irgendeinem Wein, bei irgendeinem Jahrgang oder bei irgendeiner Rebsorte. Da kommen geologische Gegebenheiten, Klima, Wetter, Talent der Winzerin oder des Winzers, aber auch Lagerbedingungen und manchmal Glück ins Spiel. Und wenn das alles zusammen spielt, kann das ein extraordinaire guter Altwein sein.

  • MMXIX Königlicher Wein, Josef Umathum, Frauenkirchen, Neusiedlersee (4,50/7)
  • 2020 Welschriesling, Wohlrab, Wulkaprodersdorf, Neusiedlersee Hügelland (3/5)
  • 2016 Welschriesling Prantner, Straka, Rechnitz, Südburgenland (6/9)
  • 1983 Blaufränkisch Auslese, Fleischhacker, Illmitz, Neusiedlersee (4/6)
  • 2015 Trockenbeerenauslese Schrammel, Dankbarkeit, Podersdorf, Neusiedlersee (8/12)

Am 20. Jänner 2019 war es, dass der Rudl zum letzten Mal glasweise eine Trockenbeerenauslese kredenzt hat. Damals war Wein aus dem Jahrgang 2017 Jungwein. Die Lage Schrammel ist wahrscheinlich immer noch der Lieblingsweingarten von Wirt und Winzer Herrn Josef. Die Trockenbeerenauslese 2015 aus diesem Weingarten beginnt jetzt, trinkreif zu werden.

  • 1973 Weißburgunder Trockenbeerenauslese, Klosterkeller Siegendorf, Neusiedlersee Hügelland (8/12)

Das ist der mit Abstand älteste Wein im Sortiment der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils. Herr Rudolf hat, als er fast noch kein Herr, sondern ein Bub war, eine größere Menge von diesem Wein gekauft, weil er sich da ganz sicher war, dass dieser in Sachen Alterungspotential keine Wünsche übrig lassen wird.

  • … und jeweils vom Juniorpartner der Altessepaare letzter Woche ist auch noch etwas da.

 

DONNERSTAG, 17. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

Gut und alt grüßt Monsieur Rudolf Gut und Alt!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Einführung in die Komparatisitk I: Reifepotential Altesse, DONNERSTAG, 10. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Herbst

Jetzt beginnt die Zeit, in der beim Rudl das Bedürfnis, reife Weine zu trinken, anklopft. Womöglich war es ein italienischer Weinbauer, der dem Rudl das eingeredet hat. Der bietet von einem Wein einen jungen Jahrgang für Frühling und Sommer, sowie einen entsprechenden gereiften Jahrgang für den Herbst an. Wie fast jeder Mensch redet sich auch der Rudl ein, dass er sich nichts einreden lässt. Aber ziemlich sicher ist diese Annahme oft illusorisch. In diesem Fall ist es wurscht. Jedenfalls bekommt der Rudl seit dem Besuch bei diesem Winzer Durst auf reifere Weine, sobald die Temperaturen tiefer, die Abende dunkler und die Radlwege schmieriger werden.

 

Altesse

Wo Altesse herkommt, wie sie schmeckt und wer sie besonders gut macht, hat Caviste Rudolf Polifka nicht erst einmal thematisiert. Wer trotzdem etwas über die Rebsorte lesen möchte, kann das etwas weiter unten quasi als Stundenwiederholung machen. Aber das Reifepotenital dieser Rebsorte hat er bis jetzt fast sträflich vernachlässigt. Darum gehen diese Woche mindestens sechs Flaschen Altesse ihres Stoppels verlustig. Es handelt sich um drei Weinpaare, jeweils zwei Jahrgänge von der Altesse ein und desselben Weinbauern, die eine Flasche mehr oder weniger gereift, die andere mehr oder weniger jung. Dabei wird es vorkommen, dass Wein eins des Weinbauern A älter ist als Wein eins des Weinbauern B und trotzdem der jüngere von den beiden Altesses des Weinbauern A. Ein absolutes Alter, das für einen Wein Reife repräsentiert, kann für einen anderen noch das Stadium eines Jungweins bedeuten, eine Binsenweisheit, aber wieder einmal ein Hinweis auf die Vielfalt in der Welt, die sich nur bei einem Wein aus der Fabrik nicht im Glas spiegelt.

 

Altesse. Eine Stundenwiederholung

 

Möglicherweise ist Altesse mit Furmint verwandt und heißt so, weil Furmint der Wein für den Hof war. Der Ertrag ist überschaubar und kann sich in Jahren wie 2020 oder 2021 bei Maxime Dancoine auch schnell einmal dem Wert null nähern. Altesse liebt es steinig. Viel steinigere Böden als jene der Dupasquiers hat der Rudl noch nicht gesehen. Oidium ist weniger ein Problem, Peronospora dafür umso mehr. Wenn die Lage nicht wirklich vorteilhaft ausgerichtet ist, dann brennt schnell einmal der Hut. Franҫis Rousset (Côteaux des Girondales) und Maxime Dancoine (Domaine de l‘Aitonnement) haben damit in den letzten Jahren immer wieder einmal das zweifelhafte Vergnügen gehabt. Dass man den Quartz von Brice Omont nicht mir nix – dir nix kaufen kann, hat auch damit zu tun. Und dass es Jacques Maillet seinerzeit gelungen ist, die Damen und Herren vom Komitee zum Schutz der Appellation AOP Vin de Savoie davon zu überzeugen, dass man Jacquère und Altesse verschneiden darf, ist detto auf die Empfindlichkeit dieser Rebsorte zurückzuführen. 2011 haben die klimatischen Bedingungen den Altesse-Stöcken so zugesetzt, dass das entsprechende Fassl nicht voll geworden ist. Die Geburtsstunde von Le P‘tit Canon und eine ganzer Menge Altesse-Jacquère-Assemblagen seither.

Die Trauben sind lockerbeerig und werden rötlich bis kupferfarben, wenn sie vollreif sind, daher der Spitzname Roussette.

Die Weine erinnern an die Aromen von Mandel, Haselnuss, Quitte, Bergamotte und Lindenblüte.

 

  • 2022 Altesse, Côteaux des Girondales, Villaz bei Annecy, Haute Savoie, Vin de France (5/8)
  • 2020 Altesse, Côteaux des Girondales, Villaz bei Annecy, Haute Savoie, Vin de France (5/8)
  • 2022 Altesse « Solar », Domaine de l’Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges (10/15)
  • 2016 Altesse « Solar », Domaine de l’Aitonnement, Aiton, IGP Vin des Allobroges (10/15)
  • 2017 Marestel, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (4,50/7)
  • 2012 Marestel, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (6/9)

DONNERSTAG, 10. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils

Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist der Rudl der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Konzentrationslager Auschwitz, zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden muss.

Jugendlich und reif grüßt Monsieur Rudolf!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien