Einiges über manche Weine, die man „darwoatn“ sollte, der Ausgewogenheit halber aber auch nichts über manche Weine, die man darwoatn sollte, oder zumindest ganz wenig
Schulmeister Rudolf hat Sie jetzt ein knappes Monat mit Warten konfrontiert. Als sehr zeitgemäß wird das nicht gelten, beweihräuchern die Kardinälinnen und Kardinäle des alternativlosen Zeitgeistes doch den Allessofortganzundständigkult, und am Black Friday noch ein bisserl mehrsoforterganzerundständiger, minus fünfundzwanzig Percent. Dem Entspanntheitsfaktor einer Gesellschaft zuträglich ist das nicht, aber die Hexenmeisterinnen und Hexenmeister der neoliberalen Geschäftstüchtigkeit haben Selbsterlösungsrezepte im Portfolio, von Esoterik bis zu Entspannungs- oder Aufputschmitteln, legalen und weniger legalen. Alles selbstverständlich streng säkularisiert. Wertfrei sowieso.
„Ned meins“, sagt der Herr Kurt in solchen Fällen. Und auch der Rudl wartet lieber, auf die Zeit des Wartens zum Beispiel, den Advent oder Obvent, wie man den auf gut Westmittelbairisch heißt. Überhaupt würde dem Herrn Rudolf sofort jeder Genuss zum unerträglichen Horror, wenn er immer verfügbar wäre und ewig anhielte. Diesbezüglich unterscheiden sich ein Silex und ein Hégoxuri nicht von anderen Freuden.
Metaebene
Freilich hat das Warten seine Grenzen. Andernfalls wäre das Warten ja kein Warten, sondern Askese oder Puritanismus. Der ist dem Rudl seines auch nicht. Darum gibt es jetzt noch ein letztes Wartethema, quasi als Wartevorbereitung auf das Warten auf die Ankunft und dann ist dieser Hafer wieder einmal für ein Zeitl geschnitten, wie der Herr Kurt sagt, dass die Fußballer sagen.
Auf Wein warten
Einen Großteil der Weine aus dem Sortiment von Caviste Rudolf erkennt man daran, dass man es nicht bereut, wenn man diese Weine im Keller vergessen, vergraben oder verloren zu haben meint, freilich alles unter der Voraussetzung, dass man sie dann irgendwann wieder findet. Alle diese Weine bringt der Rudl diese Woche nicht zur glasweisen Kredenzung, manche schon, über manche davon schreibt er lediglich etwas und von anderen wird auch einmal die Schreibe sein, aber nicht diese Woche.
Jean-Claude Masson, Apremont
Vergangenen Sommer hat der Rudl wieder bei Monsieur Claude im Keller Platz nehmen dürfen. Im Freien hat es an diesem Vormittag zu dieser Zeit knappe vierzig Grad gehabt. Ideale Gelegenheit, sich etwas vertranspiriert in einem Keller zu verkühlen und den Rest des Urlaubs herumzurotzen und herumzuhusten. Aber dieser Gedanke ist im Keller von Masson spätestens nach dem dritten Wein ganz unwichtig. Zu impressionant ist, was Meister Jean-Claude erzählt, vielleicht noch mehr, wie er es erzählt, und am meisten, was er einschenkt, etwa aus einer Flasche seines Einstiegsweins „Lisa“ aus dem Jahr 1995, oder einer alten Centenaire. Der Jahrgang ist dem Herrn Rudolf nicht mehr zugänglich, weil in so einer Situation sogar er zum Mitschreiben aufhört.
Dass die Centenaire in einem Weingarten mit über hundert Jahre alten Rebstöcken steht, kann man auf der Homepage von der Domaine Masson nachlesen. Dass Monsieur Jean-Claude einen 45er davon aufgemacht hat, auch.
Trotzdem gibt es diese Woche die drei neuen Weine von Jean-Claude Masson nur flaschenweise zu erwerben, glasweise maximal noch den Rest der am Freitag geöffneten Lisa 2017.
Riesling Smaragd Achleiten 2016, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau
Von dem Engländer aus Stoke-on-Trent hat Ihnen Caviste Rudolf schon einmal erzählt. Sein Name fällt dem Rudl immer noch nicht ein. Da müssten Sie direkt beim Weingut Schmidl nachfragen.
Auf alle Fälle hat dieser Engländer in die Wachau geheiratet und seine Frau einen Weingarten in der Riede Achleiten geerbt. Der Engländer ist der Sohn eines Braumeisters. Und zur Kennzeichnung von besonderen Anlässen ist er von seinem Vater mit Wein konfrontiert worden und deshalb weinbegeistert. Anfänglich hat Herr, dem sein Name dem Rudl nicht mehr einfällt, aus den Trauben seines Weingartens in der Achleiten selber Biowein gemacht. Der Rudl hat seinerzeit einmal bei einem Wachauer Weinfrühling sogar ein paar Flascherl akquiriert, in einem Bioladen in Spitz, mit dem Radl, eh kloa. Radweinforscher Rudolf hat diese Weine gut, wenn auch äußerst kräftig in Erinnerung. Irgendwann ist diesem gewissen Engländer bewusst geworden, dass seine Leidenschaft für das Trinken von Wein und jene für die Arbeit im Weingarten nicht zwingend an das Vinifizieren von Wein gekoppelt sind. Und an diesem Tag, oder einen Tag später, das weiß der Rudl auch nicht, hat er seine Trauben der Dürnsteiner Bäckertochter und Biowinzerin Theresia Harm, vormals Schmidl offeriert.
Win-win?
An und für sich glaubt der Rudl nicht an dieses heute oft strapazierte Prinzip. Mit ihm verhält es sich nur allzu oft wie mit dem aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelzitat, demzufolge irgendwann einmal die Letzten die Ersten sein werden. Des Rudls Erachtens völlig zurecht erwidert Major Kottan dieses Zitat einmal lakonisch mit: „Des sogn die Ersten immer.“ Von Win-Win-Situationen sprechen in der Regel die Großen, Starken oder Ersten, wenn sie Kleinere, Schwächere oder Zweite nicht zu plump, aber doch über den Tisch ziehen möchten.
Beim Verkauf der Achleitentrauben an das Weingut Schmidl schienen aber nicht nur Verkäufer und Käufer, sondern auch der Konsument gewonnen zu haben.
Hégoxuri 2014, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest
Wenn Sie jetzt anmerken, dass dieser Wein ja schon in der Vorwoche die Pyrenäenetappen der Tour de France 2019 weinifizieren dürfen hat, dann haben Sie recht. Und wenn der Rudl der Meinung ist, dass Sie auf einen Hégoxuri gar nicht zu lange warten können, dann hat er recht. Einen Siebenundneunziger hat Caviste Rudolf schon einmal kosten dürfen. Einen Hégoxuri aus der Zeit vor 1997 hat es nie gegeben und wird es auch nie geben. Drei Zweitausendzweier befinden sich noch im Keller vom Rudl. Über den postalischen Umweg einer Vinothek in Barcelona sind sie dorthin geraten. Öffnen wird der Rudl diese Woche aber keinen Hégoxuri, zumindest nicht in seinem Weingeschäft.
Blauer Burgunder 2015, Weingut Dieter Dorner, Mureck
Elias Dorner bringt seine Weine sowieso später in Verkauf. Siebzehner findet sich da noch keiner, zumindest kein stiller.
Prieuré Saint Christophe Rouge 2016, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie
Wein aus dem Weingarten des mittlerweile sich in der Rente befindenden Michel Grisard. Der hat nicht nur mit Nicolas Joly und ein paar anderen Weinbaumeistern die Renaissance des Appellations gegründet, sondern auch mit Brice Omont den Weinberg in Cevins terrassiert und wieder bestockt. Dort wachsen heute Schiste, Améthyste und Quartz von der Domaine des Ardoisières. Nebenbei hat Michel Grisard auch noch ein Weingut geführt. Seine Weingärten hat er 2015 an die Giachinos übergeben. Viel bessere Hände und Köpfe hätte er sich dafür kaum aussuchen können. Mondeuse.
Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Motz, Serrières-en-Chautagne
Auch Jacques Maillet ist in die Rente gegangen, deutlich jünger als Michel Grisard. Alt ausschauen tut er nicht, seine Weine sowieso nicht.
Marestel 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne
Vor Kurzem hat der Rudl eine Flasche Zweitausender Marestel aufgemacht.
Neuburger 2015, Dankbarkeit, Neusiedler See
Wenn es um lagerfähige Weine geht, darf ein Wein von Josef Lentsch nicht fehlen. Davon kann man sich im Gasthaus zur Dankbarkeit manchmal sogar überzeugen, leider halt erst wieder im Februar.
Grüner Veltliner Steinleithn 2016, Geyerhof, Kremstal
Dass die Zeit gegen Weine von Sepp Mantler keinen Auftrag hat, ist bloody obvious, wie der Engländer sagt. Darum diese Woche kein Wein vom Mantlerhof. Aus vergleichbaren Gründen kredenzt der Rudl zu diesem Thema auch keinen Wein von Sepp Muster und keinen Muscadet von Michel Brégeon.
Neuburger 2015, Dankbarkeit, Neusiedler See (3/5)
Grüner Veltliner Steinleithn 2016, Geyerhof, Kremstal (4,50/7)
Riesling Smaragd Achleiten 2016, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau (5/8)
Marestel 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Roussette de Savoie (4/6)
Blauer Burgunder 2015, Weingut Dieter Dorner, Mureck (3/5)
Prieuré Saint Christophe Rouge 2016, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (6/9)
Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Motz, Serrières-en-Chautagne (6/9)
(in Klammern zuerst der Preis für das Sechzehntel, dann der für das Achtel)
Diese Weine, aber nicht ausschließlich diese gibt es diese Woche glasweise
am Mittwoch, den 28. November und am Freitag, den 30. November
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 5. und 7. Dezember:
vermutlich Weine ohne Schwefelzugabe
Im Übrigen erwartet Rudolf Polifka, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklärt.
Herr Rudolf grüßt, wartet und freut sich noch immer!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
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