Auch heuer wieder am Mittwoch und am Freitag. Aber heuer sieht darüber hinaus am kommenden Wochenende auch das Jura wieder Gelb.
Percée du Vin Jaune in L’Étoile und Reindorf
Genau ein Jahr ist es her. Da ist der Rudl eingesprungen. Erklärenderweise ist hinzuzufügen, dass damals zum ersten Mal seit zwanzig Jahren die Percée du Vin Jaune abgesagt worden war, gerüchtenzufolge auch aus Sicherheitsgründen.
Schon ein paar Jahre steht die Woche vor dem ersten Februarwochenende in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils unter einem gelben Stern. Denn Caviste Rudolf Polifka, selber ein Freund des oxydativen Gelben, hängt sich an die Percée du Vin Jaune an. Und als diese 2017 agesagt wurde, war dem Rudl seine etwas frei interpretierte Percée du Vin Jaune à la reindorfienne dann die einzige im Siebzehner Jahre.
Dieses Jahr werden aber am 3. und 4. Februar wieder vierzigtausend Amateure des kräftigen, oxydativen gelben Weines zusammen kommen und Zeugen werden, wie die Hefeflorschicht des aktuellen Jahrgangs, das ist der Elfer, durchstochen wird, um den Wein daraufhin einer Qualitätskontrolle durch die Öffentlichkeit zu unterziehen.
Jura. Eine Répetition
Jura kann man quasi als komplementäre Weinbauregion zu Burgund verstehen. Über etwa achtzig Kilometer erstreckt sich ein zwei bis vier Kilometer langes Bandl von Norden nach Süden. Irgendwann, es muss gegen Ende des Tertiär, gewesen sein, ist dieses Bandl als Kollateralschaden, respektive -nutzen – wie man halt zu den Weinen des Jura steht – der alpinen Kompression von Osten nach Westen in Richtung Ebene von Bresse hinunter gerutscht sein, gerade so wie die Côte d’Or auf der anderen Seite des Saône-Grabens. Zum Glück hat das Juraband mit seinen ganzen Salzen und seinem Gips rechtzeitig vor den Pipperln von Bresse Halt gemacht. Der Unterboden des Jura besteht zu neunzig Percent aus Mergel. Darauf lassen sich prinzipiell zwei Grundbodentypen identifizieren:
Kalkgeröll vor allem am Fuß der Felsvorsprünge
Je konzentrierter der Kalk auftritt, desto mehr Chardonnay steht tendenziell dort.
Ton …
Auf den etwas weniger geneigten Hängen ist der Tonanteil zwischen den Kalk und Silikatsteinderln höher. Da tummeln sich die Trousseau-, und Savagninstöcke. Rund um die päpstliche Residenz von Jacques Puffeney, dem seit 2015 emeritierten „Pâpe du Savagnin“ in Montigny-les-Asures ist das der Fall.
Savagnin
Egal aus welcher der vier Appellationen des Jura der jeweilige Vin Jaune stammt, er besteht zu hundert Prozent aus Savagnin. Etwas anderes ist für Vin Jaune nicht zugelassen. Nirgends. Zweihundert Hektar, das sind zwölf Prozent der Rebfläche des Jura, sind mit Savagnin bestockt. Kleinbeerig und spätreifend. Mergel ist sein Lebenselexir.
Ausbau gegen alle Regeln des oenologischen Fortschritts
Vin Jaune wird in 228-Liter-Fässern ausgebaut. Dort bleibt er mindestens sechs Jahre und drei Monate. Dann ist der allerletzte Rest von vergärbarem Zucker aufgebraucht und der Wein so etwas von trocken. Für den Jura spezifische Hefen, Sacchromyces oviformis, sollen eine sehr langsame Gärung bewirken. Die abgestorbenen Hefen bilden eine Hefeflorschicht, die den Wein vor einer Oxydation, die ihn ungenießbar machen würde, schützt. Der Schwund im Fass darf nicht aufgefüllt werden. Von einem Liter eingefülltem Wein bleiben nach sechs Jahren und drei Monaten 62 Centiliter über. Dieses Quantum geht in einen Clavelin, wie die spezifische Flasche für Vin Jaune genannt wird. Vin Jaune wird temperiert getrunken. Wird er das nicht, ist er hundert Jahre lagerfähig. Sein Ursprung liegt vermutlich im achtzehnten Jahrhundert in Château-Chalon. Kein Wunder, dass die Eigenschaften von Vin Jaune in Château-Chalon am ausgeprägtesten auftreten: Gold- und Bernsteinfarbe, Nuss- und Curryaromen, hohe Komplexität, Kraft, Bitternoten und ein vielleicht wirklich unvergleichbares Reifepotential.
Nur eines von drei mit Savagnin befüllten Fässern wird als Vin Jaune abgefüllt.
AOP Côtes du Jura
So nennt man die Sammelappellation für alle Weine des Jura von
Champagne-sur-Loue im Norden bis Saint-Jean-d’Etreux im Süden. Charakteristisch sind im gesamten Jura Mergelböden, manche mehr, andere weniger kalkhältig. Tendenziell regnet es im etwas kühleren Norden mehr als im etwas wärmeren Süden. Die spezifischen Rebsorten des Jura Savagnin, Poulsard und Trousseau sind überall verbreitet, wobei ihnen im Süden durch Chardonnay und Pinot Noir mehr Konkurrenz als im Norden erwächst. Die Domaine Pignier und ihr spektakulärer Karthäuser Keller, befindet sich in Montaigu, etwas südöstliche der Appellation L’Étoile.
Vin Jaune 2010, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura, Montaigu, Jura
Der Vin Jaune im Sortiment von Caviste Rudolf, aber eine neuer Jahrgang. Demeterzertifiziert.
Comté drängt sich auf, gougères aux noix sollen auch nicht schlecht passen. Weißes Fleisch mit Saucen und ohne Kalorienaversionen, Curry, Safran, … halt vieles, was intensiv schmeckt.
Und der Rudl nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie zu animieren, sich die Jausn selber in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitzubringen, gerade so wie früher einmal beim Heurigen.
AOP Arbois
… ist die nördlichste der drei kommunalen Appellationen des Jura. Der hohe Mergelanteil im Boden begünstigt Rotwein, südlich von Arbois bei Pupillin eher Poulsard, nördlich beim Papstsitz Montigny-les-Asures mehr Trousseau.
Damit ist auch der Grund, warum es den Rudl, egal wo er in Frankreich unterwegs ist, immer nach Arbois zieht, genannt. Jacques Puffeney, le Pape d’Arbois.
Arbois ist aber auch ohne Audienz beim Pontifex eine Reise wert. Soweit der Rudl weiß, gibt es dort den einzigen Heurigen Frankreichs. Evelyne and Pascal Clairet sind bei Pierre Overnoy in die Schule gegangen. Darum ist es nicht so verwunderlich, dass ihre Weine ziemlich gut schmecken. Noch viel großartiger findet der Rudl allerdings, dass man die Weine der Domaine de la Tournelle von Evelyne and Pascal Clairet im Sommer in Kombination mit kalten Speisen direkt am Ufer der Cuisance offen kredenzt bekommt, nur bei Schönwetter. Also wenn Sie da einmal in der Gegend sind, da rät Ihnen der Rudl schon ziemlich nachdrücklich, dort einen Tisch zu reservieren.
Vin Jaune 2007, Domaine de la Tournelle, AOC Arbois, Jura
Château-Chalon
Optischer Höhepunkt im Jura ist vermutlich Château-Chalon, vielleicht überhaupt von allen Weingärten Frankreichs, von denen am Mont Ventoux einmal abgesehen. Die Appellation beschränkt sich ausschließlich auf Vin Jaune. Darum steht der auch gar nicht explizit am Etikett.
Ein markanter Felsvorsprung plombiert quasi die Appellation und speichert angeblich die Sonnenenergie am Tag, um sie in der Nacht an den Weingarten forzuwarden. Der Felsen schützt die Weingärten vor den Winden aus dem Norden und dem Nordosten. Auf der Plombe haben sie die Ortschaft Château-Chalon angelegt. Nirgends im Jura findet man eine höhere Konzentration an grauem und graublauem Mergel.
Château-Chalon 2009, Domaine André et Mireille Tissot, AOC Château-Chalon, Jura
L’Étoile
Von den drei kommunalen Appellationen des Jura ist L’Étoile die südlichste. Ihren Namen verdankt sie möglicherweise den zahlreichen versteinerten Seesternen in den Böden, vielleicht aber auch den fünf Hügeln, die den Weinberg eingrenzen. Die Winzer von L’Étoile stellen fest, dass viel Frühjahrs- und Sommerregenfronten, aber auch Gewitter aufgrund der Topographie und der Thermik einen Bogen um ihre Appellation machen. Abgesehen davon Kalk, Ton und Mergel. Wenn es ein geologisches Spezifikum von L’Étoile gibt, dann ist es ein relatives Übergewicht von Kalk auf Kosten von Mergel. Etwas mehr Chardonnay, den man dort „Gamay Blanc“ nennt, als sonst im Jura. Für den Vin Jaune ist das irrelevant.
Leider hat der Rudl vorigen Sommer vergessen, einen Vin Jaune aus der Appellation Étoile zu erstehen. Aus diesem Grund gibt es heuer auch keinen von dort.
Ersatz
Aber da sind noch Dominique Lucas‘ Vignes de Paradis. Die wachsen zu achtzig Percent in Hochsavoyen und zu zwanzig in Pommard. Wenn man beide Weingärten addiert und durch zwei dividiert, kommt ziemlich genau Jura heraus.
In Haute-Savoie, am südlichen Ufer des Genfer Sees, wächst unter anderem Chasselas. Das ist dort viel mehr üblich als erwähnenswert. Appellationstechnisch ist dort sowieso ausschließlich Chasselas zur Weißweinkelterung zugelassen, egal ob es dann ein AOP Vin de Savoie oder ein AOP Crépy ist. Dominique Lucas schreibt weder das eine, noch das andere auf das Etikett, sondern füllt seine Weine als Vin de France ab. Drum hat er dann gleich auch Pinot Gris, Sauvignon Blanc und Savagnin gepflanzt. Und seine vier oder fünf Chasselas baut er so atypisch aus, dass sie dem Korsett der beide Appellationen ziemlich sicher sowieso nicht entsprochen hätten. Auf gar keinen Fall der Chasselas sous Voile, der unter einem Hefeflor im Fassl reift, allerdings nicht so lange wie ein Vin Jaune. Eine ganz, ganz kleine Menge davon begrüßt der Rudl ab sofort in seinem Sortiment, ein Flascherl davon diese Woche glasweise.
Chasselas sous voile 2014, Les Vignes de Paradis, Ballaison, Haute Savoie, Vin de France
Und weil gerade Zeit ist …
Immer wieder stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen einem oxydierten und einem oxydativen Wein.
Der Rudl hat einen oxydierten gefunden, und zwar nicht einen, der nur „drüber“ is oder ein „Altl“ hat, sondern wirklich oxydiert zu sein scheint. Er war sicher nicht für einen Konsum nach zwanzig Jahren gedacht.
Gemsichter Satz 1998, Hermann und Maria Hofer, Auersthal, Weinviertel
Und dann war da vor fünfundzwanzig bis dreißig Jahren so eine Modewelle, vor allem im Seewinkel. Da sind oxydative Süßweine, oft Beerenauslesen oder Auslesen als Aperitife gekeltert worden. Einen solchen, noch dazu von der Rebsorte Bouvier, hat der Rudl, nur findet er ihn gerade nicht. Aber vielleicht ändert sich das bis Mittwoch.
- Gemsichter Satz 1998, Hermann und Maria Hofer, Auersthal, Weinviertel (der kost nix, is quasi ein Studienobjekt)
- Chasselas sous voile 2014, Les Vignes de Paradis. Dominique Lucas, Ballaison, Vin de France (8/12)
- Château-Chalon 2009, Stéphane et Mireille Tissot, AOC Château-Chalon, Jura (12/18)
- Vin Jaune 2007, Domaine de la Tournelle, AOC Arbois, Jura (11/17)
- Vin Jaune 2010, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura, Montaigu, Jura (9/15)
Selbstverständlich kredenzt der Rudl nicht ausschließlich oxydative Weine, sondern auch noch einige Weine der Pétavins und von Schmecke das Leben …
am Mittwoch, den 31. Jänner und am Freitag, den 2. Februar
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weihandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Vorschau
In den Wiener Energieferien vom 3. bis 11. Februar nimmt der Rudl diese beim Wort, lässt die Heizung abgedreht und die Tür zugesperrt.
Herr Rudolf grüßt von der Gehsteigkante am unteren Ende des Laaerbergs, dem einen „Ende der Alpen“ © Kurtl, in das Jura an deren anderes Ende!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien
Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen
kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro