12. Februar 1934, 4. Februar 2004

4. Februar war es und 2004 war es: Das lange Warten hatte sein Ende. Seit diesem Tag ist es uns möglich, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Wir können mit ihnen teilen, wovon uns das Herz übergeht. Und das wiederum kann Herr Zuckerberg mit seinen Werbepartnern teilen. Und der, mit dem Zuckerberg etwas teilt, kann seine Produkte dann mit uns teilen. Eine Win-Win-Situation.
Das Teilen, genauer: das Teilen von elektronischer Kommunikation, wird zum Lebenssinn erhoben.
„Die Kleinen und die Großen, die Reichen und die Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwang es, auf ihrer rechten Hand oder ihrer Stirn ein Kennzeichen anzubringen. Kaufen oder verkaufen konnte nur, wer das Kennzeichen trug: …“ (Offb 13,14-15).

Aber das Buch kann noch viel mehr. Diese ganze komplizierte Welt, in der sich sowieso keine Sau mehr ausgekannt hat, war auf einmal übersichtlich geordnet: in Freund und Nicht-Freund, in Gefälltmir und Nicht-Gefälltmir. Und selbst Zeitgenossen, die ansonsten in erster Linie durch eine lange Leitung auffallen, haben sich die Weltreduziererei auf ja und nein unverzüglich angeeignet, auch im Bildungsbereich. So schnell konnte man gar nicht schauen. Natürlich hat es die auch schon gegeben, bevor die Buberln in Harvard ihr Berufungserlebnis hatten, aber die Buberln haben halt eine Spur erfolgreicher als andere ihren Beitrag zur Banalitätsoffensive geleistet. Und diesen Erfolg kann man bekanntlich lernen, wie das ein anderer amerikanischer Geistesriese einmal ausgedrückt hat, auch – oder gerade dann – wenn man sonst gar nix gelernt hat. Hauptsache es wird kommuniziert, und wenn es nur das ist, dass man etwas mag oder nicht. Der Seppi ist mein Freund und die Trixi ist nicht meine Freundin. Der Puppi ihre Frisur gefällt mir und dem Maxi seine neuen Schuhe gefallen mir nicht. Das Kipferl schmeckt mir, aber meine Suppe ess’ ich nicht! Und überhaupt.

Viele Damen und Herren in Regierungen und Redaktionen, denen von dem ganzen Denken sowieso schon der Kopf weh getan hat, haben die Zeichen der Zeit verstanden. War es einmal Kernkompetenz von Politikern, einen Interessensausgleich herzustellen, zu streiten und Kompromisse auszuverhandeln, so ist heute Schluss mit der Streiterei. Jetzt ist Kommunikationskompetenz gefragt, aber eben nicht im Diskurs, sondern in der Kampagne, im Verkaufsgespräch, im Denanderenüberdentischziehen und sei es durch Dauergrinsen, im Mehrgemochtwerdenalsderandere. Und in dieser Disziplin hat Österreich ja traditionell einiges zu bieten. Wo sonst hat eine personifizierte Gemütlichkeit die Welt in einen Krieg hinein gewurschtelt. Und von wo aus sonst hat ein mit allen Präsentationstechniken, mit sonst aber auch gar nichts begabter Schreihals ebendiese in einen zweiten gehetzt? Und wo sonst lässt sich eine angebliche Öffentlichkeit in einem derartigen Ausmaß von „So …“- und „… exklusiv“-Schlagzeilen die Welt formatieren? So wird man von seinen mutlosen Vertretern nicht mehr repräsentiert, sondern alle Daumenlang gefragt, ob man für oder gegen etwas ist, für Tempo 80 oder dagegen, für die Fußgängerzone oder die Wirtschaftskammer, für die Wirtschaftskammer oder gegen das Passivrauchen und für den Nikolaus oder den Krampus, und zwar exklusiv. Keine Ahnung, was das ewige Polarisieren bringen soll, wohin es führen soll … hoffentlich nicht dorthin, wo es am 12. Februar 1934 gelandet ist.

Das Erfreuliche am Wein ist, dass er sich wesentlich all den Kategorisierungen entzieht und auch durch das lauteste Gewäsch und den hundertsten DAC nicht einfangen und definieren lässt. Wobei es ja Weinliebhaber geben soll, die die Weinwelt in Rot und Weiß, neue Welt und alte Welt, Bioweine und konventionelle Weine, angehimmelte und verteufelte Winzer, österreichische und ausländische Weine, Frankreich oder Italien, Riesling oder Veltliner einteilen, ja selbst „Bordeaux oder Burgund?“ musste sich der Rudl schon fragen lassen.

Die kommende Woche wird auf alle Fälle im Zeichen von Weinen, die sich fast schon rabiat der Einteilungswut entziehen, stehen. Zwei an und für sich eigentlich Roséweine von Franz Strohmeier, den 2008er „Trauben, Liebe und Zeit Rosé“ und den nämlichen Wein aus 2007, als er noch „Lestoa“ oder „der weststeirische Silex“, geheißen hat. Beides Weine aus der Blauen Wildbachertraube, aber weder weiß noch rot, nicht einmal klassisch rosé, und orange auch nicht. Dazu ein Poulsard von Jacques Puffeney aus Arbois im Jura. Der gilt dort als Rotweine, bei uns bestenfalls als Rosé, noch viel heller als ein Pinot Noir, aber die Poulsard Traube gibt nicht mehr Farbe her. Und ein „P’tit Canon“ von Jacques Maillet, Jacquère und Altesse in einer Flasche, was äußerst selten anzutreffen ist, zumal in Savoyen Jacquère als Massenwein für die Skistationen und Altesse als Edelwein für die Oenophilen gelten.

Das, aber nicht ausschließlich das gibt es diese Woche

am Mittwoch, den 12. und am Freitag, den 14. Februar
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Wer einen der oben erwähnten Weine trinken möchte, dem empfiehlt M. Rudolf, das am Mittwoch zu tun, oder sonst am Freitag Nachmittag. Am Freitag Abend findet in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ nämlich eine Geburtstagsfeier statt und da ist die kleine Weinhandlung sitzplatztechnisch ausreserviert.

Den Lernenden und Lehrenden in Wien und Umgebung wünscht Herr Rudolf einen passablen Kick-Off zur zweiten Halbzeit, allen anderen eine ebenso passable Woche!
Monsieur Rudolf

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