Endlich Eis! Kein volksetymologischer Zugang

Irgendetwas mit Eis und Eiswein würde sich diese Woche hier aufdrängen. Der Rudl, kein Freund des mediterranen Klimas, kann und will mit seiner Begeisterung über die Leistungen der BurschInnen von der Hohen Warte gar nicht hinter dem Laaerberg halten, trotzdem wird er versuchen, der Verlockung des Allzunaheliegenden zu widerstehen und sich diese Woche nicht dem Eis, sondern dem Eisen widmen.

Das Wort Eisen leitet sich über das mittelhochdeutsche īsen, althochdeutsche īsarn, ein rekonstruiert germanisches *īsarna- gemeinsam mit den keltischen Wörtern für „Eisen“ – dem altirischen iarann und dem kymrischen haearn zum Beispielvon einer dritten Sprache her. Welche das genau ist, konnten die Sprachwissenschaftler bisher nicht nachweisen und gemeldet hat sie sich auch nicht, die dritte Sprache. Nur so viel: Die keltischen und britischen Sprachen haben das -r- behalten, das Althochdeutsche ist aus Gründen der Artikulationserleichterung irgendwann damit abgefahren. Ein n ist nach einem r saublöd auszusprechen. Aber die von der Insel schreiben das r ja auch nur, aussprechen tun sie es nicht.

Nicht ganz auszuschließen ist, dass bei den diversen Verwandten unseres Eisen vom indogermanischen Stamm *isəro- „stark, wirkungsvoll“ auszugehen ist (vgl. griechisch hiarós). Nur der später im Deutschen zu einem Diphthong gewandelte Langvokal am Beginn des Wortes spricht gegen diese Vermutung. Egal.

Mit dem Wort Eis ist Eisen übrigens nicht verwandt, nicht einmal volksetymologisch. Die mittelhochdeutsche und auch die althochdeutsche Sprachstufe sagen zum Eis īs, … nur für den Fall, dass Sie einmal gebeten werden: „Geh sag doch einmal was auf Althochdeutsch!“ Dem īs liegt ein rekonstruiert germanisches *īsa-, vermutlich auf ein älteres *eisa- zurückzuführen, zugrunde. Letzteres hat freilich nur in den iranischen Sprachen eine verbindliche Vergleichsmöglichkeit: So drängt sich das avestische aēxa- in der Bedeutung „Frost, Raureif“ auf, rückführbar auf eine indogermanische Wurzel in der Form von *isnjo- und in der Bedeutung von „sprühen“. Mit „Eisen“ hat das alles, wie erwähnt, rein zufällige und – sofern die Sprachgeschichte überhaupt Wünsche hat – unerwünschte Ähnlichkeiten. Wobei: Für die Volketymologen würden sich da freilich Anreize finden lassen. Die Volksetymologie führt nämlich Wörter oder Wortteile, gar nicht so selten solche, die sie nicht mehr versteht, auf ein ähnlich klingendes, aber eben in Wirklichkeit gar nicht verwandtes Wort, respektive einen Wortteil zurück. Der Maulwurf zum Beispiel, Mittelhochdeutsch noch moltwerf, war seit eh und je ein Erdwerfer. Dann starb das Wort molt für Erde und Staub aus und wurde in weiterer Folge bald nicht mehr verstanden. Und weil in den Augen mancher Zeitgenossen für Unverständnis nie Menschen verantwortlich sein können, musste das arme Viecherl herhalten und sich nachsagen lassen, dass es so blöd sei, mit dem Fress- und Sprechorgan zu graben. Dem Maulwurf ist jetzt zum Glück die blöde Nachred ziemlich Wurscht. Aber vielleicht ließe sich der Erdwerfer sogar dazu überreden, mit dem Maul zu graben. Wenn manch zweibeiniger Sprechgigant im Allgemeinen und manch BildungsexpertI im Speziellen notariell beglaubigt versichern würden, seinem Beispiel zu folgen und fürderhin ihr Artikulationsorgan in den Dienst des Grabens und nicht mehr in den Dienst der Lautproduktion zu stellen, könnte man den Maulwurf vielleicht ja wirklich dazu bringen, mit dem Maul zu graben. Das sollte es ihm aus akustischen Gründen wert sein. Und in Zeiten der Versiegelung immer größerer Flächen des Planeten brächte das auch einen ökologischen Kollateralnutzen mit sich, nicht zuletzt dem Weinbau.

Übrigens durften sogar die Architekten der Rechtschreibreform von 1996 der Volksetymologie frönen. Darum belehren uns heute hochintelligente Rechtschreibprogramme, dass es nicht „einbleuen“, sondern „einbläuen“, nicht „schneuzen“, sondern „schnäuzen“, nicht „Mesner“, sondern „Messner“, nicht „Quentchen“, sondern „Quäntchen“, nicht „Zierat“, sondern „Zierrat“ und auch nicht „Tolpatsch“, sondern „Tollpatsch“ heißt. Die neuen Schreibweisen haben zwar mit den Wörtern, an die sie erinnern wollen, etymologisch überhaupt nichts zu tun, aber – Stammprinzip hin oder her – es is wenigstens reformiert wordn.

Die Grünen könnte interessieren, dass „belemmert“ zu sein, auch dann noch nichts mit kleinen Schafen zu tun haben wird, wenn man tausend Jahre „belämmert“ geschrieben haben wird. Das niederdeutsche Wort belemen in der Bedeutung von „hindern, hemmen, beschädigen“ ist der Verwandte von „belemmert“. Diesen Zusammenhang lässt unser Wort „lahm“ noch erkennen. Auffällig auch in diesem Fall, dass es sich beim Leidtragenden der Volksetymologie wieder um ein Tier handelt. Auf alle Fälle müsste ein politischer Slogan, der sich als Klage gegen die Regierenden und den dings richtet, folgerichtig „Belemmerter als die anderen, und zwar viel belemmerter!“ oder so lauten, etwa in der Lesart: Wir werden behindert von eurer Arbeitsverweigerung, von eurer Ignoranz und von eurer Verhaberung mit Boulevard und Banken! Aber das nur dazu.

Die Wörter „Eisen“ und „Eis“ gäben für Volksetymologen natürlich einiges her: beides hart, beides in der breiten Bevölkerung ohne allzu hohe Sympathiewerte. Da diese Wörter vermutlich noch verstanden werden, sollten sie aber auf der sicheren Seite sein.

Ach ja, genau. Wegen dem Wein: vier Rotweine von stark eisenhältigen Böden: ein Baske aus Irouléguy, ein Terra Rossa von Čotar aus dem slowenischen Karst und zwei Jahrgänge Blaufränkisch Centauros von Monsieur Alfred Weber, Eisenberg. Man sagt den Weinen, die auf stark eisenhältigen Böden wachsen, ja eine ausgeprägt Würze (Danke Tom!) und ordentlich Feuer nach.

Nachvolltrinkbar ist das kommende Woche

am Mittwoch, den 29. Jänner und am Freitag, den 31. Jänner

von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“,

Reindorfgasse 22

Herr Rudolf begrüßt den Eiswind und wünscht eine agreable Wolche!

Nächste Woche sind in Wien Semesterferien, die „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ ist deshalb von 1. bis 11. Februar geschlossen.

Mittwoch, 22. Jänner geschlossen, Freitag, 24. Jänner dafür umso mehr geöffnet

Für den Fall, dass Sie, geschätzte Damen und Herrn, ins Auge gefasst hätten, am Mittwoch, den 22. Jänner die „Weinhandlung Rudolf Polifka“ aufzusuchen, ersuche ich Sie, davon Abstand zu nehmen, quasi sehr temporär – auf einen Abend begrenzt – Ihre Lebensabschnittsplanung zu ändern, wie das ein ehemaliger österreichischer Baketballspieler vielleicht ausdrücken würde. Am 22. Jänner hat nämlich nicht nur Dr. Bruno Kreisky Geburtstag, sondern auch der Fils und der will gefeiert sein. Darum hat die „Weinhandlung Rudolf Polifka“ an diesem Abend geschlossen. Vielleicht dass Sie dem Gasthaus „Quell“ einen Besuch abstatten, wenn es Sie nach Reindorf zieht, respektive Sie dort wohnen. Oder, wenn es wegen dem Wein warad, könnten Sie das „Pub Klemo“ in der Margarethenstraße aufsuchen. Dort lautet das weiße Wochenthema „Elsass Riesling Grand Cru oder so“, das rote „Cabernet inside“.

Am Freitag, den 24. Jänner wird Herr Rudolf dann dafür umso offener haben, vor allem Weine, auf die er selber schon längere Zeit neugierig ist. Viele von denen sind aus Frankreich. Es jährt sich ja nebenbei nicht nur zum zweihundertdreiundsechzigsten Mal die Gründung der ersten Militärakademie durch Madame de Pompadour, die Maîtresse von Louis XV., sondern auch zum einundfünfzigsten Mal die Unterzeichnung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags durch De Gaulle und Adenauer. Würde dem jetzigen Präsidenten Hollande einen ganzen Haufen Ärger ersparen, wenn er sich wie De Gaulle um die Deutschen kümmerte und den Maîtressen das Militär überließe. Wobei der Rudl braucherts ja nicht, das Militär.

Auf alle Fälle wird es würdige Weine geben, einen Schilcher 2010 von Sepp und Maria Muster zum Beispiel und einen Hégoxuri 2010 von der Domaine Arretxea aus Irouléguy. Der ist fast überall, wo es ihn gegeben hat, längst épuisé, bei Caviste Rudolf jedoch noch nicht einmal im Verkauf, weil es ja schade wäre, den Wein zu verkaufen, bevor er die wunderbaren Trüffelaromen entwickelt. Aber ein Flascherl muss wieder einmal getestet werden. Darüber hinaus gibt es einen Savagnin von Jacques Puffeney aus Arbois, der in Österreich sicher keine Prüfnummer bekommen würde. Als Reverenz an den roten Sonnenkönig einen roten Corbières 1994 von der Domaine des Pensées Sauvages aus Albas im Katharerland. Das war die Domaine des ersten schottischen Biowinzers in Frankreich. Und dann noch zwei biologische Süßweine aus dem Jahr 2000, in dem Professor Gascoigne endlich seinen Fußballclub gefunden hat: Ein Juranςon vom Clos Lapeyre wird sich mit einer Sélection de Grains Nobles vom französischen Biopionier Pierre Frick duellieren. Und natürlich wird auch ein 2013er dabei sein.

Monsieur Rudolf ersucht um Verständis für den außertourlichen Schließtag und wünscht eine erbauliche Woche!

Winter!weine. Präskriptiver Antizyklismus II

Es muss irgendwann im letzten Juni gewesen sein: Es war kühl, regnerisch, „für die Jahreszeit zu irgendwas“ auf alle Fälle. Das brachte den Diplomoenometeorologen Professor Polifka auf die Idee, so lange antizyklisch Sommerweine zur Ausschank zu bringen, bis das Wetter einsehen musste, dass es am Holzweg war. Der Rest ist Geschichte. Zum ersten Mal, seit Einführung des Wetterberichts wurden in der Folge in Österreich 40 Grad Celsius gemessen.Jetzt ist auch wieder so ein Fürdiejahrezeitzuwetter. Der Rudl ist zwar nicht das, was Professor Schröcksnadel als „Schickhanonä“ bezeichnen würde, hat aber beim Schulskivergleichskampf der Volksschulen Ebenau und Siezenheim den einen oder anderen Erfolg vorzuweisen. Trotzdem kann er mittlerweile einen Winter auch in Distanz zu mechanischen Aufstiegshilfen und Jagatee genießen, solange das Ganze halt ein Winter ist. Aber davon sind wir momentan ziemlich weit entfernt.Eine der vielen schönen Facetten von gutem Wein ist ja, dass er orts- und zeitgebunden ist. Anders als Industriegetränke (und Industrieweine) sollen Böden, Wachstumsphasen, Reifung, die Kunst des Winzers, Klima und nicht zuletzt das Wetter im Glasl schmeckbar sein. Wer weiß, ob sich überhaupt noch irgendjemand um das Wetter scheren würde, wenn alle Menschen Getränke aus Blechdosen oder trendige orangene Kohlensäuremischgetränke zu sich nehmen würden. Und darum ist Herr Rudolf durchaus der Meinung, dass man vom Wetter auch etwas verlangen kann. Und wenn es nur ein Blick auf den Kalender ist.

Sollte das Wetter aber gerade schlafen oder dringend die letzten Neuigkeiten auf Facebook austauschen, dann ist der passionierte Aufklärer Polifka bereit nachzuhelfen. Darum öffnet er, dem Antizyklismus verpflichtet, kommende Woche Winterweine. Und dann werden wir ja sehen, wie lange der Föhn etwas dagegen halten kann. Wobei … der Föhn als solcher ist ja nicht per se ein Unguter. Die Lieblingsappellationen von Monsieur Polifka leben davon, dass der Wind auf der Südseite der Pyrenäen hinaufkraxelt, um anschließend als warmer Fallwind die Weintrauben der an und für sich ja alles andere als niederxlagsarmen baskischen Appellationen Irouléguy und Jurançon zu trocknen. Aber nicht hier in Reindorf und nicht jetzt im Jänner.

Winterweine – freilich nicht ausschließlich solche -, substanziell geprägt von Sonne, die weiß, wann sie einen Auftrag hat,  unverwechselbaren Böden und Röstaromen aus dem Barriquefass
– der Jahre 1997 (Darscho, Velich),
– 2006 (Chardonnay Reserve Uibel),
– 2007 (Chassagne-Montrachet von Bernard Moreau) und
– 2011 (Chardonnay Reserve Uibel) werden den Plusgraden jetzt ordentlich einheizen. Die können sich schon einmal warm anziehen.

Nebenbei wird sich auch ermitteln lassen, wie sich fünf Jahre Flaschenreife auf die Integrationsbereitschaft von Barriquetönen in Leo Uibels Chardonnay Reserve auswirken.

Mittwoch, den 15. Jänner und Freitag, den 17. Jänner
16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka“
Reindorfgasse 22, Wien XV.

Herr Rudolf holt Anorak und Waldviertler aus dem Kasten und empfiehlt, seinem Beispiel zu folgen.
Ain’t no sunshine nor foehn if we drink enough winterwine! Rudolf Polifka

ps Am Mittwoch, den 22. Jänner wird – wie im Jahr zuvor am 22. Jänner die „Weinhandlung Rudolf Polifka“ geschlossen sein. Grund wird der Geburtstag des Herrn Fils sein. Am Freitag, den 24. Jänner gibt es dann dafür Weine, auf die sich Herr Rudolf schon länger besonders freut, als Reverenz an den Herrn Fils.

Dankbarkeit. Die drei Seiten einer Medaille und die drei Teile einer Speiskarte

Nach einem berühmten Professor aus München hat jede Sache nicht nur zwei, sondern drei Seiten, nämlich auch eine komische.

Der Blick auf ein neues Jahr muss vielleicht auch nicht zwingend optimistisch oder pessimistisch sein. Wobei sich freilich optimistisch in die Zukunft blicken lässt. Obrigkeiten schätzen es in der Regel, wenn das Volk durch die rosa Brille in jeder Sauerei irgendetwas Hoffnungsvolles zu erkennen trachtet. Das entlastet vor allem die großen, aber auch die kleinen Schlaucherln. Es ist quasi alles gut und wer es nicht so gut hat, der hätte halt ein bissl gerissener sein müssen, die hundert besten Steuertipps, die zweihundert besten Freunderl, …

Und natürlich kann man auch pessimistisch in ein neues Jahr gehen. Das hat am Ende des Jahres sehr oft den Vorteil, dass man „es eh schon immer gewusst“ hat. Außerdem lassen sich Lethargie und Fatalismus blendend mit Pessimismus rechtfertigen, was den meisten Obrigkeiten auch gar nicht so unrecht ist. Aktivität oder gar Widerstand ist schließlich nur sehr selten die Konsequenz von naseweisem Pessimismus, die Erhebung in den Stand des Staatsphilosophentums hingegen schon viel öfter.

Der Rudl entscheidet sich beim Blick in die Zukunft für den dankbaren. Dankbare Menschen wissen, dass sie sich (und damit ihre Erfolge und Misserfolge) nicht ausschließlich selbst gebastelt haben. Das entlastet einerseits, lähmt aber nicht. Manchmal motiviert es, weil man das, wofür man dankbar ist, ja vielleicht auch anderen wünscht. Und damit ein Wunsch nicht ein Wunsch bleibt, gilt es die Anstrengungen ein bissl mehr auf das Nachhelfen und ein bissl weniger auf das Wegschauen zu richten: paradox, um nicht zu sagen: komisch.

Und dann gibt es da natürlich noch dieses Gasthaus: Das „Gasthaus zur Dankbarkeit“ in Podersdorf. Die Karte besteht zwar nicht aus drei Seiten, aber aus drei Teilen: einem fürs Trinken, einem fürs Essen und einem literarisch-musikalischen. Kindisches Plexiglasdesign sucht man dort umsonst, gedämpfte Musik aus dem Hintergrund und hyperaktive Kellner auch. Dafür ein Angebot, das einen jedes Mal wieder vor schwierige Entscheidungen stellt, weil man am liebsten drei oder vier Hauptspeisen, drei Vorspeisen und zwei Desserts essen möchte. Und eine Weinkarte mit offenen Weinen des Hauses, von denen zumindest drei oder vier zu jedem Gericht passen. Dazu kommt noch ein Patron, der eine äußerst seltene  Mischung aus personifizierter Herzlichkeit und personifizierter Höflichkeit ist.
Das Gasthaus zur Dankbarkeit hat nach dem Martinitrubel ein paar Wochen Ruhe verdient, aber nächstes Wochenende sperrt es wieder auf. In Vorfreude darauf öffnet Rudolf Polifka diese Woche eine Vertikale über 21 Jahre: Pinot Gris von der Dankbarkeit – der Wirt ist ja wie erwähnt auch ein begnadeter Winzer.
Pinot Gris, Dankbarkeit 1989, 1994, 2000, 2006, 2007 und 2010, zu verkosten
Mittwoch, den 8. und Freitag, den 10. Jänner
von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka“,
Reindorfgasse 22, 1150 Wien.

Herr Rudolf bedankt sich für die letzten fünfzehn Saisonen in der Dankbarkeit und freut sich auf die sechzehnte. Ostbahn lebt!