Weine zum internationalen Frauentag. „Les Filles“ Vertikale, Gilles Berlioz

Seinerzeit

Der Rudl Fils hat in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren mit dem Forschen begonnen. Dafür dass er das dürfen hat, ist der Rudl ausgesprochen dankbar. Darüber dass er das in den späten Achtziger und frühen Neunziger Jahren dürfen hat, ist er froh. Das absichtslose Forschen, einfach nur aus Interesse und nicht einmal mit irgendwelchen ECTS-Punkterln belohnt, scheint heute nicht mehr ganz zeitgemäß zu sein. Ein akademischer Eid, der theoretisch zur Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft verpflichtet und praktisch aber möglicherweise damals schon oft nur herunter geplappert worden ist, noch viel weniger.

Aber wozu braucht man eine Gesellschaft, wenn man mit Kunden auch auskommt? Wozu braucht man eine freie öffentliche Auseinandersetzung, wenn man die Wiener Edelfedern und gratis WLAN hat? Und wozu braucht man soziale Gerechtigkeit, wenn man mit Häusldaten einen Batzen Marie machen kann?

Gerechtere Gesellschaft

Die hat viele Facetten. Fraglos ist die Gesellschaft, in der der Rudl zu leben das Glück hat, gerechter als viele andere Gesellschaften an anderen Orten und solche zu anderen Zeiten. Aber direkt wenig zu tun ist auch hier und heute nicht. Aus dem ideologischen Zugang, eine ideale Gesellschaft herbeiführen zu können, ist der Rudl ein bissl herausgewachsen. Eine Vergerechterung ist ihm aber nach wie vor ein Anliegen. Und denen, die an sozialen und humanistischen Errungenschaften herum schnippseln oder Gerechtigkeit als solche banalisieren, wird der Rudl Prügel vor die Füße schmeißen oder das Reimlexikon verstecken.

Geschlechtergerechtigkeit

Ein Aspekt des Ringens um mehr Gerechtigkeit ist jener der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Da hat sich seit den späten Achtziger- und frühen Neunziger Jahren etliches verbessert. Aber direkt viele Bürgermeisterinnen und Volksschullehrer gibt es immer noch nicht. Dann ist da noch die Sache mit der gleichen Marie für die gleiche Hackn. Und auf den Aufschrei der kritischen Öffentlichkeit, weil das der Befehle harrende Haushaltsmittel zur Befreiung des Menschen aus seiner Restmündigkeit ausgerechnet Alexa heißen muss, wartet der Rudl auch noch. Aber für die Digistalisierung herrschen bekanntlich eigene Gesetze, nämlich das des Datendschungels, zumindest solange es „ja so praktisch“ ist.

Gilles Berlioz. Domaine Partagé. Wiederholung

Vor ziemlich genau drei Jahren haben Christine und Gilles Berlioz ihr Weingut umgetauft. Domaine Partagé. Direkt abwegig ist dieser Name nicht. 1990 hatten sie mit achtzig Ar begonnen. Bis heute haben sie die Fläche auf sechs Hektar ausgeweitet und biologisch umgestellt. Heute befinden sich vier Hektar im Ertrag. Fünfunddreißig Hektoliter am Hektar ist der Durchschnittsertrag. Gilles Berlioz ist vorher Arbeiter in der Landwirtschaft gewesen. Wirken tut er eher wie ein leidenschaftlicher Gärtner. Im Keller filtriert er selten, schwefelt kaum.

Gefragt nach dem Entscheidenden beim Weinmachen nennt Gilles Berlioz, sich immer wieder in Frage zu stellen und sich mit den richtigen Menschen zu umgeben. Der Rudl möchte dringend hinzufügen, dass das auch in anderen Berufen und Lebensbereichen nicht die allerblödesten Rezepte sind, und auch beim Forschen.

Chignin

liegt am Südwesthang im Combe de Savoie, das ist das Tal der Isère nach Albertville hinein. Direkt gegenüber von Chignin liegt Apremont. Und zwischen diesen beiden Weinorten besteht eine historische Rivalität. Die ist in früheren Zeiten nicht immer nur charmant ausgetragen worden. Dass die konventionell arbeitenden Winzer in Savoyen mehr gegeneinander als miteinander arbeiten, führen viele auch auf diesen Kelch zurück.

Die Rebstöcke in Chignin stehen auf Geröllhängen aus Jurakalk und Mergel. Sie schauen hinunter auf den „Boulevard des Alpes“. Dort fahren und vor allem stauen im Winter die Kraxen in die Skigebiete hinauf, im Sommer auf Turin hinunter. Gilles Berlioz ist in Chignin daheim.

Roussanne

ist auch in Chignin daheim, so daheim, dass sie in Savoyen Chignin-Bergeron genannt wird. Vom Prestige gehören diese Weine ziemlich sicher zu den renommiertesten in Savoyen, von den Preisen her auch. Dem Rudl seiner Meinung nach werden viele davon überbewertet. Ihre manchmal geringe Säure ist ihm in Verbindung mit für savoyardische Verhältnisse hohen Alkoholwerten ein bissl zu südlich. Ursprünglich herkommen tut Roussanne angeblich aus Tain l’Hermitage, wobei das mit den Ursprüngen dem Rudl seines Erachtens auch überbewertet wird. Einerseits findet es Herr Rudolf hoch interessant, nach Ursprüngen zu fragen. Andererseits geht ihm das dogmatische oder neurotische Getue um die Wurzeln, das jede noch so dezente Kritik oder jeden Vorschlag eines Äutzerls an Veränderung zum Verrat oder zur Verletzung der Ehre aufbläst, ganz außerordentlich auf den Zeiger. So oder so dürfte es die Roussanne schon ziemlich bald einmal von der Rhône nach Savoyen verschlagen haben, allerdings ausschließlich in die Gegend um Chignin. Zumindest ist sie in Savoyen aussschließlich dort appellationstauglich.

Geringe Erträge, relativ späte Reife, kleine, zylindrische Trauben, Beeren mit goldgelbem Taint und rostbraunen Einsprengseln. Haselnuss- und aubépinearomen sind nicht ungewöhnlich.

Sofern die Säure passt, und bei Gilles Berlioz passt sie, kann man Chignin-Bergerons gut aufheben.

Les Filles

Seit dem Jahrgang 2007 widmet Gilles Berlioz den Damen in seinem und um seinen Betrieb den besten Wein des Hauses und nennt ihn „Les Filles“. Das Etikett ziert seither auf jedem Jahrgang eine andere künstlerische Darstellung von Frauen, stets geschmackvoll, niemals plump, das gerade Gegenteil vom vielleicht lautesten und aufdringlichsten Weinetikett, das der Rudl kennt. Caviste Rudolf hat ja schon einmal darauf hingewiesen, dass sich ihm bei Ansicht der Rückseite eines Menschen auf einem Weinetikett die Frage aufdrängt, wovor die betreffende Person flüchtet.

Die Bilder auf den Etiketten von Gilles Berlioz sind frei von Effekthascherei. Trotzdem ist Weinmeister Berlioz immer wieder mit der Frage nach Unausgewogenheit seiner Weinbezeichnung konfrontiert worden. Darum hat er irgendwann einen anderen Chignin-Bergeron „Les Fripons“, auf gut Deutsch „Die Spitzbuben“ genannt. Da sich ein Spitzbube in mehr als nur biologischer Hinsicht

Ganz egalitär ist das dann aber auch wieder nicht gewesen, weil „Spitzbuben“ in der einen oder anderen Komponente seiner Bedeutung über eine schlichte Geschlechtsbezeichnung hinaus geht. Darum gibt es jetzt bei Gilles Berlioz auch noch einen Chignin-Bergeron „Les Friponnes“, die Spitzmadl oder Spitzbübinnen, wenn Sie so wollen.

  • Chignin-Bergeron „Les Friponnes“ 2016, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2017, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2016, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2011, Gilles Berlioz, Chignin, AOC Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2008, Gilles Berlioz, Chignin, AOC Vin de Savoie (6,50/10)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

nicht nur diese Weine, sondern auch billigere gibt es glasweise

diese Woche am Dienstag, den 5. März und am Donnerstag, den 7. März

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man statt über den Karfreitag lieber über den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz als einen europäischen Feiertag nachdenken sollte!

Vorschau auf die Lehrveranstaltung vom 12. und 14. März:

Pinot Gris Vertikale von Josef Lentsch, Dankbarkeit

Alles Gute Josef Bauer zum 99. Geburtstag!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57