8. bis 18. April geschlossen

Caviste Rudolf begibt sich auf Dienstreise. Darum bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils von 8. bis 18. April geschlossen.

Nächster Öffnungstag ist Mittwoch, der 19. April.

Thema: Zehn Jahre danach: Jahrgang 2007

Herr Rudolf wünscht Ihnen „Frohe Ostern!“

Ei! Jacquère. Ein Osternestsuchwein par excellence, aber nicht nur

Der Gefahr, Sie mit nicht ganz sentimentalitätsfreien Zeilen zu strapazieren, ins Auge blickend muss der Rudl für dieses Semester ein letztes Mal ein paar Worte über den Frühling in die Tastatur seines mobilen Nicht-Endgerätes nageln. Sollten Ihnen die Überlegungen rund um das Wetter im Wandel der Zeiten auf den Zeiger gehen, könnten Sie ein paar Zeilen überspringen und bei der Zwischenüberschrift „Sauvignonsubstitut“ weiter lesen.

Dort, wo Monsieur Rudolf vor gut vierzig Jahren aufgewachsen ist, dort war damals noch dieser Winter. Der hat dort irgendwann Ende November oder Anfang Dezember eine unterschiedlich dicke, aber ziemlich lückenlose Decke über die Wiesen und Wälder gezogen. Das war an sich schon eine aufregende Sache. Eine Spur aufregender war es für den Rudl dann immer, wenn Ende Februar oder Anfang März die Sonne den Blick auf bis dahin drei Monate lang verborgene Plätze, Pflanzen und Utensilien freigelegt hat. Die hat man gut und klar in Erinnerung gehabt. Die nicht gerade spärliche Freizeit war damals dort kaum anders zu verbringen, als in Bachbetten herum zu graben oder irgendwo im Freien herumzurennen,  zu kraxeln oder zu hängen und auf Veränderungen zu warten, von denen man sowieso gespürt hat, dass sie sich nicht einstellen würden, zumindest nicht vor Godot. Eine verwelkte Krenstaude, ein Holzbrettl oder vielleicht sogar ein fast vergessenes Spielzeug nach Monaten wieder zu sehen war zumindest interessant. Der Rudl kann sich sogar an eine Zehner-Münze erinnern, die er im Winter im Schnee verloren hatte und Wochen später nach der Schneeschmelze wieder in sein Geldtaschl integriert hat.

Drum wird es den Herrn Rudolf stets begeistern, wenn nach einem Winter die Vegetation den Dienst wieder antritt. Seine Begeisterung wird immer mit einem Anflug kindlicher Freude einher gehen und diese Freude wird immer in einem Schokoladeosterhasen in einer bunten Staniolpanier unter einem Strauch seinen schwer überbietbaren Höhepunkt erblicken. Sentimentale Verklärung hin oder her, aber so schaut es halt einmal aus.

 

Weinsubstitut

 

Schokoladeosterhasenmäßig ist der Rudl mittlerweile vom Bekommer eines solchen zum fast noch begeisterteren Verstecker geworden. Einer konsumierbaren Vergegenständlichung des anbrechenden Frühlings wollte er deshalb aber nicht gleich entraten. So ist Wein der Rebsorte Sauvignon Blanc zur Entsprechung des Osthasen in Staniolpanier geworden. Das hat der Rudl an dieser Stelle des ziemlich Langen und Breiten letzte Woche entfaltet. Dass vielen Sauvignons dann irgendwann die Schuhe des Schokoladeosterhasen um ein paar Nummern zu groß geworden sind, ist sicher nicht auf die Schuhe des Osterhasen zurückzuführen. Vielleicht haben sich die Sauvignons auch nur zu sehr dem Zeug, das sonst in Osternestern herum liegt, assimiliert.

 

Sauvignonsubstitut

 

Wie vor gut zwanzig Jahren Sauvignon Blanc die Agenden des Schokoladeosterhasen übernehmen musste, hat sie ihm Jacquère beim ersten längeren Savoyenaufenthalt des Rudl wieder abgenommen. Heute sprießen Schlüsselblumen, Obstbaumblüten und Löwenzahn vor dem geisten Auge des Rudl aus einem Weinglas mit Jacquère. Und dieser Aufgabe kommt Jacquère mit Kompetenz und Verlässlichkeit nach. Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass sich Caviste Rudolf dieser Rebsorte nicht in der Breite, sondern vom oberen Ende des Qualitätsspektrums genähert hat, was bei Jacquère um ein paar Häuser kostengünstiger ist als bei Sauvignon Blanc.

 

Jacquère „als Solches“

 

Etliches von dem, wovon Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, Schulmeister Rudolf im Folgenden in Kenntnis setzt, hat er so oder so ähnlich irgendwann schon einmal anlässlich des Themas „Weine mit weniger als zwölf Percent Alkohol“ zum Besten gegeben. Da sind damals naturgemäß eine ganze Reihe Jacquères mit von der Partie gewesen. Und von den sieben Jacquères, die Caviste Rudolf diese Woche offen zur Ausschank bringt, weist ein einziger mehr als elf Percent Alkohol auf.

 

Accorde

 

Wahrscheinlich zu oft endet Jacquère als Fonduebegleiter in den einschlägigen Skigebieten, als Winterwein, um nicht zu schreiben als Aprèsskiwein. Caviste Rudolf findet die Koalition mit dem Fondue säuretechnisch nicht ganz unpassend, ein bissl ideenlos aber schon. Kann man von einem Fondue nicht sowieso fast jeden Wein erschlagen lassen? So wie viele angeblich kongeniale Wildbegleiter gelegentlich auf ihren hohen Alkoholwert oder die Röstaromen in ihrem Fassl reduziert werden, läuft Jacquère neben dem Fondue Gefahr, zum Säureaufputz zu verkommen. Das ist schade und ein bissl vergleichbar mit einem Schulmeister – heute heißt man das „Lehrkraft“ und kaum eine solche scheint das zu stören,  was wiederum dem Rudl die Frage nach der Beschaffenheit dieser „Kraft“ stellt -, der einen Schüler für dessen gesamte Schullaufbahn als Witzbold behandelt, nur weil der in der allerersten Stunde irgendeine mehr oder weniger lustige Bemerkung von sich gegeben hat.

Der kulinarische Deckel für den Topf einer gelungenen Jacquère, sofern man einen Wein als Topf bezeichnen kann, ist wahrscheinlich die Bachforelle. Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze. Wenn er bei vielen Weinen aus dem Elsass an den Rhein denkt, dann symbolisieren savoyardische den Zubringer eines Zubringers der Isère. Einem wie dem Rudl, der quasi neben, beziehungsweise in Wald- und Wiesenbächen seine Kindheit verbracht hat, der Donau aber erst im stolzen Alter von vierzehn gewahr wurde, stehen kleine Gebirgsbäche und Wasserfälle und ihre korrelierenden Weine vielleicht näher. Der ist mit der Bachforelle quasi per Du wie der Cagney mit seiner Limousin.

Quidquid id est, Frische, Lebendigkeit und Bekömmlichkeit der Jacquère schreiben förmlich nach einer Essensbegleitung. Darum nützt der Rudl wieder einmal die Gelegenheit, Sie daran zu erinnern, dass es ausdrücklich erwünscht ist, wenn Sie sich selber etwas zum Essen in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitbringen, ob das jetzt eine Bachforelle, eine Stelze – Monsieur Rudolf kocht die mit Heu und Chartreusekräutern – oder etwas ganz anderes ist. Wenn Sie sich etwas mitbringen, wird Ihnen der Rudl das mitgebrachte Papperl durch ein nach Möglichkeit von ihm selber höchst eigenhändig gefärbtes Bio-Osterei upgraden. Bringen Sie sich nichts mit, kriegen Sie ein solches Bio-Osterei selbstverständlich auch.

 

Crus

 

In und um drei Orte darf Jacquère einen Cru-Status beanspruchen, Abymes, Apremont und Chignin, alle drei im Combe de Savoie. Das Projekt, die gelungenen Exemplare dieser Crus im gereiften Stadium zu vergleichen, hat der Rudl nicht aufgegeben. Bis jetzt scheitert es daran, dass die Giachinos ihren Abymes nicht mehr machen und Caviste Rudolf noch keinen anderen passablen gefunden hat.

 

Jacquère ist nicht Jacquère ist nicht Jacquère ist nicht Jacquère

 

Es gibt Jacquères, denen das Glühweingewürzsackerl quasi als Schicksal in die Wiege gehängt worden zu sein scheint.

Es gibt auch Jacquères, die ausgesprochen ambitioniert, vor allem bodenspezifisch ausgebaut, aber mit einem synthetischen Korkimitator zugestoppselt werden. Ein Jammer.

Dann gibt es Jacquères von den Pétavins, einer Vereinigung biologisch und biodynamisch arbeitender Weinbauern aus Savoyen.

Und dann gibt es Jacquères von den Gebrüdern Giachino, denen das Ausloten der Möglichkeiten dieser Rebsorte eine Herzensangelegenheit ist.  Knapp mehr als tausend Hektar sind in Savoyen mit Jacquère bestockt. Mehr oder weniger handelt es sich bei diesen tausend Hektar um die weltweite Fläche an Jacquèreweingärten. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine für die steinigen und kalkreichen Weingärten am Fuß der Alpen späte Reife und schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau.

Die leicht ovalen Beeren sind durchschnittlich groß. Sind sie sehr reif, werden sie rötlich. Eine „schmeckate Rebsorte“ ist etwas anderes. Diesbezüglich hat Jacquère mit Muscadet viel mehr gemeinsam als mit Muskateller.

Als Wein ist Jacquère mit „weißgold“ farblich überhaupt nicht gut getroffen. Trotzdem liest man das immer wieder. Aber Farbzuschreibungen müssen bei Wein sowieso von Farbenblinden geschrieben werden. Den Verdacht hat zumindest der Rudl. In der Nase erinnert er an vieles, was im Frühling blüht. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Wacholder und aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund, Letzteres aber nur für den Fall, dass die Jacquère auf kargem Boden steht und im Ertrag eingebremst wird, im Idealfall vom Alter der Reben und einer hohen Konzentration an Steinderln im Boden. Ungebremst und auf fetten Böden neigt sie quantitativ zu Übertreibungen, was ihr eine schlechte Nachred und den Weinen einen blassen Charakter einträgt. Manchmal sollen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazukommen, wenngleich nie so intensiv wie bei ihrer autochthonen Kollegin Altesse.

Wenn man die Auflistungen der alternativen Namen für „Jacquère“ auf Wikipedia liest, könnte man glatt den Eindruck gewinnen, dass da eh jeder sagen kann, wie er will. In der Gemeinde Roussillon etwa heißen sie die Jacquère Coufe-Chien. In Conflans gibt es zwar keine Weingärten mehr, aber auch eine lokale Sonderbezeichnung: Robinet. Das bedeutet Wasserhahn und könnte auf die Ertragsfreudigkeit anspielen. Bezeichnungen wie Altesse de Saint-Chef oder Roussette sind dann fast schon als Frotzelei oder Urheberrechtsverletzungen zu betrachten, aber bitte.

 

Jacques Maillet …

 

… ist ein Original. Um das zu bemerken, muss man ihm nicht besonders lange zuhören. Ein Schnurrbart als Lebenshaltung. Wenn Passionierte vom Weinforum La Passion du Vin Recht haben, kann man der Jacquère von Jacques Maillet Pouilly-Fumés von Dagueneau an die Seite stellen, ohne dass erstere schlecht dasteht.

Seine Art, Wein zu machen, nennt Jacques Maillet Ni-Ni-Ni. Das ist kein Zitat aus einem genialen Film der Monty Pythons über die Artussage, sondern heißt vielmehr „Weder-noch-und schon gar nicht“. Gemeint ist, dass Jacques seine Weine in keiner Weise anreichert, nicht filtriert und auch nicht schönt, wenn irgendwie möglich auch nicht oder nur ganz minimalistisch schwefelt.

Am übereifrigen Ertrag müssen die Jacquère-Reben von Jacques Maillet nicht gehindert werden. Dazu sind sie zu alt und zu konsequent selektioniert.

Jacquère, Mondeuse und Altesse stehen im Weingarten „Cellier des Pauvres“. Der ist süd-westlich ausgerichtet und weist eine Steigung von zwanzig bis fünfzig Percent auf. Er schaut aus mehr oder weniger dreihundert Metern Meereshöhe auf die Rhône hinunter. Wein aus dem Rhônetal, aber nicht aus der Weinbauregion Rhône, dazu ist das noch zu weit am Oberlauf des gleichnamigen Baches.

Der pickelharte Sandstein und das Geröll aus Ton und Kalk sind charakteristisch für die Chautagen, eine Rotweinenklave in der Weinbauregion Savoien. Mittlerweile quittiert Monsieur Jacques es mit einem milden Lächeln, wenn der Rudl in privater Mission bei ihm trotzdem immer Weißwein kauft. Und der Rudl hat es inzwischen auch kapiert, dass die Mondeuse von Jacques Maillet ein beachtenswerter Wein ist.

Die Chautagen, aber das hat Monsieur Polifka auch schon mitgeteilt, wird „Provence de Savoie“ genannt. Olivenbäume und ein paar andere Pflanzerl deuten darauf hin, dass es sich dabei nicht um Angeberei des örtlichen Tourismusverbandes handelt.

 

David und Fréd Giachino

 

Monsieur Jacques Kollegen, die Gebrüder Giachino haben die Jacquère auf die Spitze getrieben. Außer Weinbeißer machen sie fast alles aus Jacquère, lagentechnisch und weinstiltechnisch. Den Cru Apremont, den Monfarina, den rustikal ursprünglichen Primitif mit 9,2 Prozent Alkohol, einen dezent auf der Maische vergorenen Marius et Simone, einen Schaumwein nach der Méthode Traditionelle und einen Pétillant Naturel Giac‘ Bulles als Giachinos Antwort auf das koffeinhältige Blechdosengetränk.

Die Revue du Vin de France hofft, dass mehr Weinbauern in der Region dem Beispiel der Giachinos folgen und bedauert, dass die Weine der Giachinos schnell ausverkauft sind.

Die Reben stehen auf der Geröllhalde eines Felssturzes unter dem Mont Granier, dem nördlichen Ende des Chartreusemassivs. Auch sie muss niemand bremsen.

 

Monfarina 2015, Giachino

 

Kalk und Mergel am Fuß des Mont Granier. Seit neuem gesellen sich etwas Mondeuse Blanche und Verdesse zu Madame Jacquère.

 

Apremont 2015, Giachino

 

Jacquèrerebstöcke an den Ufern des Lac de Saint André, wobei Lac hier schon ein bissl dick aufgetragen scheint. Der Wienerberger Teich dürfte größer sein. Dass rund um den Lac de Saint André die größten Felsblöcke des Felssturzes von 1248 herumliegen, ist dagegen nicht dick aufgetragen. Die sind schätzungsweise am weitesten herunter gekugelt. Dazwischen wächst der Apremont von Giachino.

Offengestanden hat sich Caviste Rudolf immer schwer getan, den Unterschied zwischen Monfarina und Apremont von Giachino zu beschreiben. Darum hat er quasi als Recherchearbeit für die Lehrveranstaltung dieser Woche jeweils ein Flascherl mit nach Hause genommen, kostet jetzt seit dem Öffnen am Samstag daran herum und nötigt sein engeres soziales Umfeld, es ihm gleich zu tun. Die Unterschiede präzise beschreiben kann er immer noch nicht. Vielleicht ist Monfarina etwas bitterer, karger und steiniger und der Apremont eine Spur offener, mit einem sehr dezenten Hinweis auf Ananas und Hollerblüten, aber allenfalls sehr dezent.

 

Primitif 2010, Giachino

 

Sehr früh gelesen. So könnte Wein aus Savoyen geschmeckt haben, bevor Oenologie in den Kellern Einzug gehalten hat. Neun Percent Alkohol, den Giachinos zufolge mit Affinität zum Biss in eine Traube, dem Rudl zufolge mit einer zum Verjus. Spontanvergoren, drei Monate auf der Feinhefe, fast virtuos kaschierter Säureabbau, sowieso auch keine Zutaten. Den Trinkhorizont geben die Giachinos auf ihrer Homepage mit 1 bis 100 Jahren an. Ausverkauft ist der Wein bei ihnen immer schon früher.

Zu trinken mehr oder weniger wie kristallines Quellwasser mit viel Zitronenzesten. Da fällt dem Rudl die letzte Kottan-Folge „Mabuse kehrt zurück“ ein …

 

Marius & Simone 2015, Giachino

 

Eine Hommage an die Großeltern der Giachinos. Er, der alte Giachino soll begeistert ein Glasl getrunken und sie, die alte Giachino, ebenso begeistert darüber geschimpft haben.

Zwei Tage Vorgärung, dann zwanzig auf der Maische, vom Tank ins Fass, zehn Monate auf der Feinhefe, minimale Schwefelzugabe von einem Gramm pro Hektoliter, das aber auch erst bei der Füllung.

Zum bereits Erwähnten kommen Mandel- und Haselnussanklänge.

 

Apremont „Lisa“ 2015, Jean Masson et Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie

 

Was Jacquère des Cru Apremont betrifft, ist ziemlich sicher niemand so verrückt wie Jean Masson. Auf neun Hektar erntet er Trauben für zehn verschiedene Apremonts, teilweise von hundert Jahre alten Rebstöcken. Man ist stolz, Wein aus Trauben zu machen, ohne Tralala, ohne Holzfässer und ohne Zertifizierungen. Bedauerlicherweise heute auch ohne Naturkork. Die Kraft, die diese Weine mit Flaschenreife entwickeln, kann man am Weingut verkosten oder in ganz wenigen Vinotheken ziemlich teuer kaufen. Die synthetischen Stoppeln werden, fürchtet der Rudl, eine Beschreibung des Potentials aktueller Jahrgänge nur im Konjunktiv zulassen. Dem Zweitausendfünfzehner sollte das Korkimitat jetzt noch nicht allzu sehr zugesetzt haben.

 

Jacquère 2014, Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (2,50/4)

Jacquère 2015, Jacques Maillet, Chautagne, AOP Vin de Savoie (4/6)

Primitif 2010, Giachino, Chapareillan, AOC Vin de Savoie (2,50/4)

Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (2,50/4)

Apremont 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (3/5)

Marius & Simone 2015, Giachino, Chapareillan, Vin de France (4/6)

Apremont „Lisa“ 2015, Jean Masson & Fils, AOP Vin de Savoie (4/6)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

…, selbstverständlich nicht ausschließlich diese sieben Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 5. April und am Freitag, den 7. April

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Vorschau

In der Karwoche ist der Rudl auf Dienst- und Studienreise. Da bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils geschlossen.

19. und 21. April: Jahrgang 2007 – zehn Jahre danach

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Herr Rudolf grüßt fast alles, was blüht!

 

 

Sauvignon vom Opok, Maria und Sepp Muster. Eine vertikale Offenbarung von Rebsorte, Stein und Zeit

Vorlieben und Rebsorten im Wandel der Zeiten

 

Es hat eine Zeit gegeben, da hat der Rudl überall zuerst einmal einen Sauvignon Blanc gekauft oder getrunken. Das war seine deklarierte Lieblingsrebsorte. Und das war vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, auf alle Fälle bevor der Rudl gewusst hat, dass Altesse nicht nur ein Hoheitstitel und Manseng keine Reinigungskraft mit iberischen Wurzeln ist.

 

Exkurs

 

Liebend gerne würde Schulmeister Rudolf jetzt über ein paar Seiten entfalten, dass seines Erachtens vermutlich als Aufwertung erdachte Termini wie „Reinigungskraft“ in Wirklichkeit viel beleidigender sind als Wörter wie „Putzfrau“. Aber das würde den gesprengten Rahmen atomisieren.

 

Seismograph Sauvignon

 

Heute kauft und trinkt der Rudl immer noch zuerst einmal den Sauvignon Blanc. Wenn der plaisiert, rechnet Herr Rudolf hoch, dass er bei diesem Weinbauern jeden Wein kaufen kann. Wenn der nach Gummibären schmeckt, geht er davon aus, dass er sein oenologisches Glück dort eher nicht finden wird. Damit ist er immer ganz gut gefahren. Sauvignon Blanc ist für den Rudl eine Art Seismograph im Sortiment eines Weinbauern und längst nicht mehr Lieblingsrebsorte. Dankbar ist er dem Sauvignon aber schon noch.

 

Zurück zu Sauvignon Blanc. Entfremdungen und Ursachen

 

Caviste Rudolf sieht im Prinzip drei mögliche Gründe für das Abhandenkommen seiner Begeisterung für die Rebsorte Sauvignon Blanc im Allgemeinen: Es können sich viele Sauvignon Blancs verändert haben. Es kann sich auch dem Rudl sein Geschmack verändert haben. Ganz ausschließen möchte es Monsieur Polifka auch nicht, dass beides der Fall war. Es ist, wie es ist. Ein verlässlicher Seismographen im Weinangebot eines Winzers ist für Herrn Rudolf aber keine zu unterschätzende Sache.

 

Welt- und Staatsmeister

 

Und in Bezug auf bestimmte Sauvignon Blancs hat sich an der Begeisterung, die ihnen der Rudl entgegenbringt, nichts geändert. Der Sancerre Clos la Néore von Edmond Vatan zählt ganz sicher zu den besten fünf Weinen, die der Rudl jemals getrunken hat. Und für das Aufmerksammachen auf diesen Wein ist er dem Herrn Grafen aus der Erne-Seder-Gasse sakrisch dankbar. Österreichischer Staatsmeister unter den Sauvignonen ist für Herrn Rudolf der Sauvignon vom Opok von Maria und Sepp Muster. Und das jetzt auch schon seit dem Jahrgang 2006, damals noch ohne „vom Opok“ im Namen. Ganz so weit zurück kann er diesen Wein bedauerlicherweise nicht kredenzen, aber eine lückenlose Vertikale von 2009 bis 2014 geht sich aus.

 

Sauvignon vom Opok, Maria und Sepp Muster, Schlossberg

 

Opok ist ein lokaler Ausdruck für Kalkmergel. Der Sauvignon vom Opok wächst am unteren Drittel der steilen Weinhänge von Maria und Sepp Muster.

Anzumerken, dass ein Wein von Sepp Muster nicht filtriert und erst recht nicht von irgendwelchen Zusätzen sekkiert wird, ist lächerlich. Auch in seinem Gärverhalten ist er autonom. Minimale Schwefelzugabe und zwei Jahre im großen Holzfass.

 

Sauvignon vom Opok 2009

 

Ein kühler Winter mit viel Niederschlag. Einen überdurchschnittlich warmen April und einen ebensolchen Mai betrachten die Reben als ausreichendes Motiv, mit der Blüte in diesem Jahr zwei Wochen früher als sonst zu beginnen.

Dann wird es kalt, bald auch nass und Hagel macht sich wichtig. Die zweite Julihälfte, der August und die erste Septemberhälfte versuchen dann, temperaturmäßig gutzumachen, was noch gutzumachen ist. Den Regen dürften andere Dinge mehr beeindrucken, was wiederum zum großen Gaudium von Oïdium und Meltau ausfällt. Ab Mitte September begünstigt spätsommerliches Wetter dann die Lese.

 

Sauvignon vom Opok 2010

 

Der Unterschied zwischen dem Ruf, den der Jahrgang 2010 in Frankreich genießt, und der schlechten Nachrede, die er in Österreich hat, könnte kaum größer sein. Vor allem die Jahrgangsbewertungen für Loire und Bordeaux überschlagen sich förmlich. In Bordeaux hat das zu selbst für Bordeaux ungewöhnlich drastischen Preissteigerungen geführt. Schon 2009 war als Jahrhundertjahrgang ausgerufen worden. Dann ist 2010 gekommen. Da hat man gar nicht anders können, als preismäßig noch einmal ordentlich nachzulegen.

In Österreich liest man über den Weinjahrgang vor allem ein Adjektiv: kompliziert. Bis August ist es ganz passabel, trocken und warm. Im August kommt dann der zuerst ersehnte, dann verfluchte Regen. In manchen Weinbaugebieten wird im Regen gelesen. Der Rudl verliert sicher kein schlechtes Wort über den Weinjahrgang 2010.

 

Sauvignon vom Opok 2011

 

2011 gilt in der Steiermark als besonders guter Jahrgang. Dem Rudl sein Lieblingsjahrgang ist es nicht. Einem Winter, den der Frühling kaum als Herausforderung ernst nehmen kann, folgt ein warmer März. Dem ein extrem warmer April. Ohne ein paar kalte Nächte Anfang Mai und einen dezenten Ausreißer im Juli könnte man den oben erwähnten Witterungsverlauf bis zur Lese fortschreiben. Gesunde, reife Trauben, aber trotzdem nicht dem Rudl sein Goût.

Man hat im Zusammenhang mit dem Weinjahrgang 2011 immer wieder von „gut abgepufferter“ Säure geschrieben. Was das genau bedeutet, dürfen Sie den Rudl nicht fragen. Seinen Verdacht möchte er ihnen trotzdem nicht vorenthalten: Könnte es sein, dass mit „gut abgepufferter Säure“ ein Mangel an Säure gemeint ist?

 

Sauvignon vom Opok 2012

 

Nach dem heißen Jahrgang 2011 hat es der 2012er nicht leicht. Abgesehen davon, dass es weniger Wein gibt, unterscheiden sich dem Rudl seine Geschmackseindrücke vom 2011er nicht dramatisch von denen vom 2012er.

Wieder wenig Schnee. Das ist mittlerweile nicht mehr explizit erwähnenswert. Die Februarkälte aber schon. Der Rudl ist damals durch Fünf- und Sechshaus, Braunhirschen und Reindorf gestreift, auf der Suche nach einem Geschäftslokal. Für die Zeit ab März gilt dann aber wirklich fast alles, was Sie oben über 2011 gelesen oder auch nicht gelesen haben.

 

Sauvignon vom Opok 2013

 

Dem Rudl sein Lieblingsjahr war geprägt von Kontrasten. Jänner und Februar waren niederschlagsreich und kalt. Hundertneunzentimeter Schnee fallen in Bad Radkersburg nicht jeden Februar, eher schon in fast keinem, 2013 aber schon.

In Klöch schneit es zu Ostern. Irgendwann hat aber das sturste Wetter ein Einsehen. 2013 ist das Mitte April. Nur zeigt sich sehr bald, dass die Niederschläge nur eine Pause gemacht haben.

Ein Mai, an dem sich keiner ein Beispiel nehmen muss. Dafür dann eine Affenhitze Mitte Juni, und das obwohl in diesem Jahr überhaupt keine Fußballwelt- oder -europameisterschaft stattfindet. Eine der vielen Arbeitshypothesen vom Rudl besagt ja, dass die Junis in geraden Jahren so affenartig heiß sind, damit man beim Fußballschauen mehr Bier trinkt.

Juli und Augustanfang sind extrem heiß und trocken. Das weiß der Rudl auch noch. Da hat er versucht, das Portal der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils zu streichen. Ab Mitte August legt der Regen los und kompensiert viel. Die Säure erweist sich trotz hoher Reife als passabel resistent, sofern der Lesezeitpunkt nicht verschlafen wird. Es gibt Schlimmeres für die Lagerfähigkeit eines Weines als die Kombination aus Körper und Säure bei vielen Zweitausenddreizehnern.

 

Sauvignon vom Opok 2014

 

Das Ganze fängt nicht gerade zum Vor-Kälte-Bibbern an. Viel zu warmer Jänner, nicht nennenswert besserer Februar. Der März noch wärmer. Irgendwie möchte man meinen, das warme Wetter habe damit sein Pulver verschossen. Der April ist wenigstens noch warm, aber verregnet. Da sind die Reben vegetationstechnisch noch zwei bis drei Wochen vorn. Im Mai ist es dann nicht einmal mehr warm. Und dann versucht sowieso nur mehr jeder Monat, seinen Vorgänger in der Kategorie Sauwetter in den Schatten zu stellen. Die konventionellen Vierzehner dürften eine Spur gesünder sein als die konventionellen Weine aus anderen Jahren, weil der permanente Regen die sogenannten Pflanzenschutzmittel im Handumdrehen immer wieder abwäscht. Sisyphos hätte seine Freude beim Spritzen gehabt. Geradezu konvenieren tut die Regnerei den Junganlagen.

 

  • Sauvignon vom Opok 2014, Maria und Sepp Muster (3/5)
  • Sauvignon vom Opok 2013, Maria und Sepp Muster (3/5)
  • Sauvignon vom Opok 2012, Maria und Sepp Muster (3/5) 
  • Sauvignon vom Opok 2011, Maria und Sepp Muster (4/6)
  • Sauvignon vom Opok 2010, Maria und Sepp Muster (4/6)
  • Sauvignon vom Opok 2009, Maria und Sepp Muster (4/6)

 

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

…, selbstverständlich nicht ausschließlich diese sechs Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 29. März und am Freitag, den 31. März

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Vorschau auf die Lehrveranstaltung am 5. und 7. April:

Frühlingswein if there ever was one: Jacquère

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Herr Rudolf grüßt diese Woche ganz besonders die Kräuter und die abgepackten Steine!

Tannastschaltjahre. Eine kleine Vertikale Haitza, Domaine Arretxea 1996, 2004, 2008 und 2012

Aufeinander angewiesen

 

Es gibt Dinge, die kann man nicht aufhalten. Es gibt auch Dinge, die will man gar nicht aufhalten. Auf den Frühling trifft momentan beides zu, zumindest was den Rudl betrifft. Der schätzt den Winter über alle Maßen. Er schätzt es auch, dass der Winter irgendwann an die Vegetation übergibt. Geht es nach dem Rudl, dann sind Winter und Frühling aufeinander angewiesen wie seinerzeit Stan Laurel auf Oliver Hardy angewiesen war, oder Karl Valentin auf Liesl Karlstadt. Das Konzept des Aufeinanderangewiesenseins scheint heute etwas unzeitgemäß geworden zu sein. An manchen Fußballprofis kann man das beobachten. Und was David Beckham oder Christiano Ronaldo machen, das probiert manchmal auch der Frühling. Der lässt dann den Winter sozusagen einen guten Mann sein und tritt seinen Dienst bereits Mitte Dezember an. Aber das Erwachen der Vegetation macht in den Augen vom Rudl halt nur dann etwas her, wenn sie vorher einmal eine Zeit lang weg, es ordentlich kalt und dunkel gewesen ist, gerade so wie sich dem Rudl seine Lust auf einen sesselklebenden Winter, der auch im März keine Anstalten macht, sich zu verabschieden, in Grenzen halten würde. Heuer scheinen Winter und Frühling ihre Dienstanweisungen gelesen zu haben, ein Winter, der zumindest temperaturmäßig diesen Terminus verdient und damit einen Frühling, den man als solchen wahrnehmen kann, ermöglicht hat.

 

Quod erat demonstrandum, am Beispiel von Herrn Rudolfs Altesse Rebstöcken

 

Dem Rudl seine Altesse Rebstöcke treiben gerade aus. Nach einem Winter, der zur Befürchtung Anlass gegeben hat, dass die abgefroren sind, ist das noch viel schöner. Aber die scheinen ob ihrer Provenienz wirklich ziemlich frostresistent zu sein, selbst dann, wenn sie in Blumentöpfe eingesperrt auf einem Balkon am Rande der pannonischen Tiefebene überwintern.

 

Tannin

 

Gerbstofftechnisch ist der Übergang von Winter auf Frühling eine Zeit, in der die eine oder der andere von Rotwein auf Weißwein umsteigt. Das kann mit der Trinktemperatur zu tun haben, das kann mit dem gerbstoffbedingten Pelz auf der Zunge zu tun haben. Das kann aber auch mit dem Körper zu tun haben. Vielleicht hat es ganz andere Gründe.

Auf alle Fälle möchte Caviste Rudolf, bevor sich der Winter vollends über die Häuser gehaut hat und die Temperaturen auch in der Nacht nicht in den einstelligen Celsiusbereich hinunter kraxeln, noch ein bissl Gerbstoffforschung durchführen.

 

Tannat

 

Wenn es eine Rebsortifizierung von Gerbstoff gibt, ist das Tannat. Der ist nach dem Tannin benannt. Wer reinsortigen Tannat getrunken hat, zweifelt daran keinen Augenblick. Tannat aus Madiran oder Irouléguy hat man früher eine zwanzigjährige Unzugänglichkeit nachgesagt. So lange haben sich die Tannine bitten lassen, es billiger zu geben. Das war eine andere Zeit und das waren andere Weine. Heute versuchen Cabernet Franc oder oder und Cabernet Sauvignon dem Tannat das Wilde ein bissl herunter zu räumen. Auf die Idee, einen Irouléguy Primeur oder einen Tannat Junker zu keltern, wird so schnell trotzdem niemand kommen.

 

Santé!

 

Etliches von dem, was Monsieur Rudolf da gerade über Tannat zum Besten gibt, hat er vor ziemlich genau einem Jahr unter dem Titel „Rote Basken“ zusammen geschrieben. Etwa, dass Tannat als gesündester Rotwein der Welt gilt. Dass es gesünder ist, Wein aufzuheben, als Wein zu trinken, das hat der Rudl in diesem Zusammenhang auch schon angemerkt. Ihm gefällt diese Überlegung auf alle Fälle. Und manchmal fragt er sich, was ihn massiver treffen würde: Wenn ihm jemand das Weintrinken untersagt, oder wenn ihm jemand das Weinsammeln untersagt? Medizinalräte nennen freilich andere Gründe für die positiven Auswirkungen von Tannat auf die Gesundheit. Kein anderer Wein entwickelt so einen Haufen an Procyanidin wie Tannat, viermal so viel wie jeder andere Rotwein, zumindest wenn er traditionell gekeltert wird und also drei bis vier Wochen auf der Maische steht – manchmal auch ungerebelt – und dann im alten Holz ausgebaut wird. Procyanidin beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor und fängt Radikale.

Heute versucht man die Typicität der Rebsorte zu erhalten, aber seine Trinkreife zu beschleunigen. Den besseren Weinbauern gelingt das. Deren Weine zeichnen sich durch reife Tannine und Brombeeraromen aus.

 

Wetter

 

Die paar Hügeln vor den Pyrenäen, auf die sich die Appellation Irouléguy erstreckt, erheben sich etwa über tausend Meter. Die Westhänge dieser Hügel sind meistens sehr grün, weil der Wind die Wolken vom dreißig Kilometer entfernten Atlantik herein trägt, es diesen dann aber bald einmal zu blöd wird. Darum gibt es in Irouléguy auch in heißen Jahren kaum Trockenstress. So heiß wie auf der anderen Seite im Roussillion wird es sowieso nicht. Dafür sorgt kühler Wind vom Atlantik. Und im Herbst, wenn es dann zählt, trocknet der warme Südföhn von den höheren Bergen herunter die Trauben und schützt sie vor den Schwammerln. Nicht die widrigsten Konditionen für Wein.

 

Boden

 

Yves Hérody, Geologe aus dem Jura, bezeichnet Irouléguy als Mosaik von über vierzig unterschiedlichen Böden. Es dominiert besonders eisenhaltiger Sandstein aus dem unteren Trias, etwa 230 000 000 Jahre alt, teilweise terrassiert.

 

Schafe, Trauben und Läuse

 

Weinbau ist in Irouléguy bis ins zwölfte Jahrhundert nachweisbar. Die Mönche von Roncevaux haben damals dort Wein angebaut. Seinerzeit ist in Roncevaux auch diese blöde Geschichte mit dem Roland passiert. Das können Sie beim Phaffen Chunrat im Rolandslied nachlesen. Die Franzosen wollten später dort keinen Wein. Die Basken schon. Und Bergbewohner können ziemlich stur sein. Das ist im Baskenland nicht anders als in den Alpen. Bis ins neunzehnte Jahrhundert ist die Rebläche auf 1700 Hektar angewachsen. Um ein Haar hätte die Reblaus dann geschafft, woran die Franzosen vorher gescheitert waren, dem Weinberg von Irouléguy nämlich den Garaus gemacht. Jetzt wächst er wieder und hält bei 220 Hektar, größtenteils Terrassenlagen. Für die Appellation zugelassen wären viel mehr. Aber wo vielleicht Weingärten stehen sollten, rennen oft Schafe herum. Dass es sich selbst bei Schafen und Weintrauben nicht um eine Unvereinbarkeit handeln muss, zeigt der Weingarten von Thérèse und Michel Riouspeyrous. Dort bearbeiten und bereichern Schafe nach der Lese die Böden.

Früher sollen Bergbewohner mit robusten Kehlen das Zielpublikum der harten und säureintensiven Weine aus Irouléguy gewesen sein. Ab den Achtziger Jahren hat man dann begonnen, Reben zu selectionnieren und auf die einzelnen Terroirs abzustimmen, tendenziell mit eher fruchtigen Weinen auf Sandstein, weicheren auf Kalk und körperreicheren auf den Ton-Dolomit-Ophit-Verwitterungsböden. 1970 wurde Irouléguy der Status einer Appellation zuerkannt. Die Genossenschaft ist heute eine der renommiertesten Frankreichs und das, obwohl die Zahl der Winzer, die selber vinifizieren, Jahr für Jahr steigt. 2000 waren es fünf, heute sind es mindestens neun. Die Autoren der N° 4 von Les Feuilles du Pin á Crochet haben das vor über zehn Jahren gewusst. Sie beschreiben Irouléguy 2003 als „vignoble en pleine expansion“, „qui va sûrement progresser dans les décennies à venir“, ein aufstrebendes Weinbaugebiet, das in den kommenden Jahrzehnten von sich reden machen wird.

 

Domaine Arretxea

 

Thérèse und Michel Riouspeyrous haben etwas mit auffällig vielen Weinbauern, deren Weine Herr Rudolf verkaufen darf, gemeinsam. Ihre Vorfahren haben ein Weingut bewirtschaftet. Sie selber waren dann ein Zeitl weg. Dann sind sie wieder zurückgekommen und haben auch Wein gemacht. Zum Glück.

Riouspeyrous haben zu Beginn der Neunziger Jahre mit einem Schieferterroir begonnen, 2004 ist dann ein Weingarten auf Sandstein dazu gekommen. Und seit 2007 vinifizieren sie auch die Trauben von Pantxo Indart aus dessen biodynamisch bewirtschafteter Parzelle auf magmatischem Ophite.

Die acht Hektar von Thérèse und Michel Riouspeyrous sind südlich ausgerichtet und ziemlich steil, teilweise terrassiert.

 

Haitza 2012, Domaine Arretxea, AOS Irouléguy, Sud Ouest

 

Siebzig Percent Tannat, dreißig Cabernet Sauvignon. Ausbau teilweise in Manhartsberger Eiche von Stockinger, einem Fassbinger, auf den der Rudl in Frankreich immer wieder angesprochen wird. Vor allem zu allem, was auf dem Wasser schwimmt oder über das Wasser fliegt. Schwammerl tun weder das eine noch das andere, passen aber trotzdem ganz gut zum Haitza.

Geregnet hat es 2012 genug, vor allem im April, im Juni und im Juli. Weniger in Reindorf, da kann sich der Rudl noch gut erinnern, weil er da den Verputz in seiner angehenden Weinhandlung herunter geschlagen, in Bauschuttsäcken mit dem Auto zum Mistplatz gebracht und dann die Wände mit einem Drahtbürstel abgerieben hat, bei karibischen Temperaturen. Braucht unbedingt Luft, der Haitza.

 

Haitza 2008, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest

 

2008 war auch Süd-Westen entsetzlich nass. Man muss bis ins Einundneunziger Jahr zurückgehen, damit man ein Jahr findet, in dem sich noch weniger Weintrauben der unheiligen Schimmeldreifaltigkeit, Oïdium, Meltau und Graufäule entziehen können haben. Ungewöhnlich heiße Phasen im Frühling, Hagel und Frost komplettieren die Vorgabe von einem Jahrgang. Der Rudl kann sich trotzdem an keinen schlechten Zweitausendachter aus dem Süd-Westen erinnern. Und das können Sie, geneigte Oenologin, gewogner Oenologe, ihm gerne so oder so auslegen. Monsieur Rudolf mag den Jahrgang.

 

Haitza 2004, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest

 

Nach einigen Sommern, in denen das Wetter sehr bis ganz gewaltig von der Rolle war, dürfte es 2004 wieder halbwegs zur Besinnung gekommen sein, wobei den Weingärten der Schock des vorangegangenen Jahres noch in den Stöcken zu sitzen schien. Auch im Süd-Westen. Nur dass dort der Affenhitze ein Winter des anderen Extrems folgte. Minus sieben Grad sind in Bergerac nichts Allwinterliches. Aber ein niederschlagsreicher Winter und ein ebensolcher Frühling haben eine solide Basis für einen warmen Sommer ohne Trockenstress gelegt.

 

Haitza 1996, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest

 

Caviste Rudolf hat das eine oder andere Weinbüchl und er hat auch einen Zugang zum Internet. Auskünfte über den Weinjahrgang 1996 in Irouléguy oder wenigstens ganz allgemein im Süd-Westen Frankreichs hat er nicht geschafft aufzustellen. In Bordeaux gilt der Sechsundneunziger als exzellenter Jahrgang. Und das ist nicht so weit weg von Irouléguy.

Abgesehen vom Wein war es eines der übelsten Jahre, die der Rudl kennt. Er hat in diesem Jahr zwar seine Ausbildung formal abgeschlossen. Aber bereits die widerwillig absolvierte Teilnahme an der Sponsionszeremonie hat mehr als nur zur Befürchtung Anlass gegeben, dass der akademische Eid entweder vorsätzlich zu Unrecht affirmativ quittiert oder einfach nicht verstanden worden ist. Wenige Tage vorher war Sir Paul Gascoigne in der Golden-Goal-Nachspielzeit des EM-Semifinales England v Deutschland einen Meter vor dem leeren Tor um sicher nicht mehr als zehn Zentimenter am Ball vorbei gerutscht und in der Folge Deutschland Fußballeuropameister geworden.

 

Die folgenden vier Weine …

 

Haitza 2012, Domaine Arretxea, AOS Irouléguy, Sud Ouest (5/8)

Haitza 2008, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (6,50/10)

Haitza 2004, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (6,50/10)

Haitza 1996, Domaine Arretxea, AOC Irouléguy, Sud Ouest (8/12)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

, selbstverständlich nicht ausschließlich diese vier Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 22. März und am Freitag, den 24. März

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Herr Rudolf grüßt heuer ganz besonders den Frühling und die Knospen seiner Altesse-Reben!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

Erde. Eine Weinzeitreise über dreitausend Millionen Jahre und die Kinderabteilung der städtischen Bücherei in Simmering

Organische und anorganische Tiere

Der Fils hat gerade die Dinosaurier und eine ganz andere Zeit entdeckt, eher zur Verwunderung vom Rudl. Den haben schon als Kind lebende Viecher mehr interessiert als tote, mehr als ausgestorbene sowieso. Und er hat mit Pflanzen immer mehr angefangen als mit Viechern. So ist es praktisch heute noch beim Kochen, wobei er auf ein kleines Stück Fleisch, quasi als Beilage, nicht verzichten möchte, gerade so wie der Kurtl.

Der Vater vom Rudl, der in seiner Freizeit nichts lieber getan hat, als in Steinbrüchen und auf Geröllhalden herum zu kraxeln, um dort nach Ammoniten zu suchen, hat vermutlich schon bedauert, dass sein Bub sich mehr für die lebenden Forellen im Bach als für die versteinerten Schnecken auf dem Berg begeistert hat. Und gerade so bedauert es der Rudl, dass der Fils justament lieber zuhause in seinen Saurierbüchern blättert, als mit ihm zum Heurigen zu fahren.

Nur ist ein Fils mit Charakter halt nicht dazu da, die Interessen, Passionen und Begeisterungen seines Vaters zu teilen. Das ist wahrscheinlich gut so. Darum ist der Rudl jetzt zur Auseinandersetzung mit Dinosauriern gezwungen. Ein mit an Besessenheit hoffentlich nur grenzendem Interesse für Wein ausgestatteter Mensch wie der Rudl zieht ja dann sowieso unweigerlich seine Verbindungen von den Urzeittieren zum Wein, über den Boden zum Beispiel. Vor knapp zweihundert Millionen Jahren waren die Saurier groß im Geschäft. Die Böden im Jura, aber auch die, auf denen zum Beispiel der Marestel oder der Clos la Néore von Edmond Vatan in Sancerre wächst, sind damals gerade erst entstanden. Aus heutiger Sicht haben sie sich auch viel länger gehalten als die Dinosaurier. Aber nachher ist man zugegebenermaßen immer gscheiter. Und als Boden hat man es im Vergleich zu so einem Saurier vermutlich auch einfacher. Da kann einen zwar das eine oder andere erschüttern, aber existenziell wird es nicht so schnell. Vor etwa fünfundsechzig Millionen Jahren sind die Viecherl ausgestorben. Ein Meteorit, Vulkanismus und klimatische Veränderungen haben ihnen das Leben zuerst schwer, dann unmöglich gemacht. In einem Kinderbuch aus der Städtischen Bücherei ist das in Form eines Mordstohuwabohus rund um eine lodernde Kugel und einen ausbrechenden Vulkan dargestellt. Im Vordergrund macht ein ganzes Rudl gezeichneter Dinosaurier einen alles andere als koordinierten Abgang. Irgendwie ist dieses Bild beim Rudl hängen geblieben. Die zugegebenermaßen weder ganz neue, noch besonders elementare Erkenntnis, dass nicht schon immer alles so war, wie es heute ist, wurde durch die flüchtenden Dinosaurier lebendig. Manchmal kommt dem Rudl ja schon die Welt vor der Verhängung der Handfessel mit dem Wischscreen ziemlich unreal vor, die in den Siebziger Jahren sowieso. Aber das Bild von den überdimensionierten Urzeittieren, die sich in Anbetracht massiverer Aus- und Umbrüche über die Häuser hauen und die das auf demselben Planten machen, auf dem wir heute das neueste Foto vom Kipferl beim Frühstück teilen, das hat den Rudl nachhaltig beeindruckt. Und plusminus damals hat zum Beispiel der Boden für die Weingärten in der Champagne angehoben zu entstehen. Gar nicht so leicht fassbar, wenn man vor einem Flascherl Dom Perignon sitzt.

Erde

erleben kleine Kinder zuerst einmal als Dreck, wenn sie gemaßregelt werden, weil sich Rückstände von ihr nach dem Ballspielen auf der Wiese in ihren Freizeittextilien wieder finden.

Landwirtschaftlich im Allgemeinen betrachtet ist die Erde vor allem Kompost, oenologisch im Besonderen ist der in der Erde enthaltene Anteil der aus der mineralischen Erosion resultierenden Endprodukte von vorrangigem Interesse.

Sehr, sehr, sehr uralt

Das Schilcherland gehört zum steirischen Randgebirge und ist irgendwann im Archaikum entstanden. Dreitausendachthundert bis zweitausendfünfhundert Millionen Jahre ist das jetzt her. Der Rudl fährt seit gut zwanzig Jahren immer wieder in diese Gegend. Die hat auf ihn immer etwas uriger als andere Weinbaugebiete, zumal steirische, gewirkt. Aber er würde nicht so weit gehen, das mit dem Boden in Verbindung zu bringen. Aber was weiß man. Gelegentlich hängen Dinge und Sachverhalte über etliche Ecken miteinander zusammen. Rein bodenbetrachtungstechnisch sieht man den Steinen um Lestein, wo Christine und Franz Strohmeier wohnen, nichts an. Die haben sich ganz passabel gehalten.

Trauben, Liebe und Zeit N°6 2013, Christine und Franz Strohmeier, Lestein, Weststeiermark

Chardonnay und Weißburgunder, kein zugesetzter Schwefel, dafür beträchtliche Gerbstoffe, resultierend aus Inklusion von Schalen, Kernen und Stielen während der geheimnisvollen Zeit der Gärung. Neun Monate in gebrauchten Fässern.

Gerade erleichtern scheint die Gärerei auf der Maische es nicht, den Boden, auf dem ein Wen gewachsen ist, zu identifizieren. Aber dem Rudl seiner Auffassung nach haben interessante Dinge sowieso nicht den Sinn, etwas zu erleichtern. Darum haben manche Zeitgenossen zwar einen bemerkenswerten Instinkt für den Weg des geringsten Widerstandes, aber ein interessantes Leben führen sie nicht. Davon ist Monsieur Rudolf ziemlich überzeugt.

Auch sehr, sehr, sehr uralt

Das Muscadet ist starkt vom Granit geprägt und präkambrischer Provenienz, an sich nicht die unpassabelste Basis für guten Wein. Trotzdem hat man das Prestige der Appellation in den Sand gesetzt. Aber dafür kann der feinkörnige Granit nichts. Vielleicht täte es dem einen oder anderen Weinbauverein in Österreich nicht schlecht, eine Exkursion in den Muscadet zu unternehmen. Man kann am Beispiel des Muscadets ganz gut sehen, wie man als angesehenes Weinbaugebiet seinen Ruf durch unkontrolliertes Ausreizen und permanentes Steigern der Mengen versaut.

Der Weg zurück beginnt im Hochland rund um Clisson und Gorges. Dort gibt es eine geologische Besonderheit. Gabbro, dunkles, vulkanisches Gestein. Drei, vier Crus, unter ihnen der Gorges, haben sich auf den steinigen Weg zurück zu Ansehen und Respekt gemacht haben.

Muscadet 2004, Michel Brégeon, Les Guisseaux, Gorges

89 sagenhafte Monate auf der Feinhefe in unterirdischen verfliesten Behältern. Caviste Rudolf verspürt gelegentlich körperliche Symptome, wenn er im Zusammenhang mit Wein das M-Wort hört. Aber die Muscadets von Monsieur Michel bezeichnet sogar der Herr Rudolf als „mineralisch“.

Sehr, sehr, sehr alt

Böhmische Masse klingt in österreichischen Ohren vermutlich sowieso schon alt. Vor wessen geistigem Auge steigt da nicht das Bild vom brillantingekämmten Heinz Conrads, an das Klavier gelehnt, auf? Aber die Böhmische Masse ist jetzt, sofern es nicht um Knödel oder Powidltatschkerl geht, viel älter. Im Proteiozoikum, vor etwa zweitausendfünfhundert bis fünfhundertneunzig Millionen Jahren liegt die Wurzel für die Grenze zwischen Wald- und Weinviertel und bis zu einem gewissen Grad auch die zwischen Riesling- und Veltlinerlagen in der Wachau. Eine so eine Lage heißt Achleiten. Viele sind es nicht, die dort ein paar Rebzeilen ihr Eigen nennen dürfen. Ein Engländer aus Stoke-on-Trent gehört zum erlauchten Kreis. Sein Name ist dem Rudl entfallen. Bis zum Jahrgang 2013 hat der Sohn eines Braumeisters aus den Trauben seiner Rebstöcke selber Wein gemacht. Er muss die Trauben auch in warmen Jahren ziemlich spät gelesen haben. Irgendwann, auf alle Fälle aber vor dem Herbst 2014 ist ihm klar geworden, dass er leidenschaftlich gerne biologisch seine Rebstöcke pflegt, der Arbeit im Keller aber nicht ganz so viel Begeisterung entgegen bringt. Er hat die Konsequenz gezogen und die Trauben der Dürnsteiner Winzerin Theresia Harm vom Weingut Schmidl verkauft.

Riesling Smaragd Achleiten 2014, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau

Smaragd gegen den Hauptsache-breit-Trend

Sehr, sehr alt

In der Steiermark scheint es an Weingartenboden eh so ziemlich alles zu geben, was Gott und Lagerhaus („Wer is stärker?“, sagt der Fils ganz gerne) zugelassen haben. Löss vermutlich nicht, abgesehen davon fehlt nicht viel.

Das Sausal ist, was den Schieferboden betrifft, aus dem Paläozoikum. Dass Karl Schnabel in die verkalkte Burgund gefahren ist, um das Handwerk zu lernen, passt da nicht perfekt ins Bild. Wenn man ihn ein bissl kennt, aber gerade umso besser. Wer führt schon ein Rotweingut in der Steiermark? Der Rudl kennt nur Karl Schnabel.

Rotburger Kreuzegg 2013, Weingut Schnabel, Sausal, Südsteiermark

Sausaler Schieferboden, um die vierhundert Millionen Jahre.

Sehr alt

Das Jura kommt im Zusammenhang mit Wein relativ oft vor, geographisch und geologisch. In Frankreich und in Österreich auch.

Grüner Veltliner Hundsberg 2011, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel

Der Ziersdorfer Köhlberg war seinerzeit einmal eine Klippe. Aber das ist jetzt auch schon wieder an die zweihundert Millionen Jahre her. Jetzt ist der Muschelkalkunterboden bedeckt von einer Mischung aus Sand und Lehm. Vierundfünfzig Jahre alte Rebstöcke und ein Jahr im großen Holzfass auf der Feinhefe. Zeit. Zeit. Und noch einmal Zeit.

Roussette de Savoie 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Roussette de Savoie

Chignin-Bergeron „Les Fripons“ 2015, Gilles Berlioz, Chignin, Savoie

Geröllhalden aus Mergel und Jurakalk. Mehr dazu in den Skripten zur Lehrveranstaltung der vergangenen Woche. Besondere Beachtung wird dabei dem Element Sauerstoff zukommen zu lassen sein. Die Flasche wurde am 8. März geöffnet und hat sich als halbwegs reserviert erwiesen.

Alt

Vor etwa fünfundsechzig Millionen Jahren, an der Grenze vom Mesozoikum zum Känozoikum sind die Dinosaurier ausgestorben, und es entstand der Wiener Wald. Voreilig Kausalitäten zu sehen ist sicher problematisch. Aber ob es wirklich ein reiner Zufall ist, dass die Saurier gehen, wenn der Wiener Wald kommt? Auf den Rudl haben der Westen und der Südwesten von Wien immer ein bissl morbid gewirkt. Und der lebenslustige Ostbahn heißt vermutlich auch nicht aus purem Zufall so. Geologisch gehört das Weinbaugebiet Thermenregion zum Wienerwald. Und wenn damit auch die Gegend um die SCS und die Pyramide von Vösendorf gemeint ist, dann hat der Rudl vollstes Verständnis für die Saurier.

Zierfandler 2015, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion

Der Bioweinpionier und frühere Obmann des Biobauernmarktes auf der Freyung ist in der wohlverdienten Rente. Und der Markt auf der Freyung ist kein Bauernmarkt mehr. Ruhig ist Friedrich Kuczera deswegen aber noch lange nicht. Zwei kleine Zierfandlerweingärten hat er behalten. Den Heurigenbetrieb 2017 um 12,5 %, von acht Tagen im Jahr auf neun Tage erweitert. Sein Zierfandler ist für den Rudl eine Rehabilitation der Rebsorte in Anbetracht der fetten und holzigen Art und Weise, auf die sie heute viel zu oft verunglimpft wird.

Jünger, aber auch noch alt

Wenn der Rudl 1 und 1 anders als der Kurtl zusammen zählt, müsste der Opok, auf dem die Weine von Maria und Sepp Muster wachsen im mittleren Tertiär entstanden sein. Damit wären sie in etwa dreißig Millionen Jahre alt.

Erde 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland

Sauvignon Blanc und ein bissl Morillon, sechs bis zwölf Monate grundelt der Wein auf der Maische dahin, ein paar Traubernstiele sind auch dabei. Dann noch einmal ein Jahr plusminus zwei Monate im großen Holzfass. Wie es das geben kann, dass ein auf diese Weise vinifizierter Wein derartig präzise und sauber schmeckt, drängt dem Rudl das Wort „Mysterium“ auf. Und das verwendet er noch weniger gern als das andere M-Wort.

Schon deutlich jünger

Gegen Ende des Tertiär sind dann Süßwasserablagerungen entstanden. Das Pannon ist eine davon. Und viele Weine im Seewinkel wachsen auf diesem Pannon.

Rotburger 2013, Biohof Heideboden, Pamhagen, Neusiedlersee ohne DAC

Noch jünger, trotzdem werden sich viele nicht mehr daran erinnern

Im Quartät hat sich der Wind dann auch noch wichtig gemacht. Wenn man die klimatischen Gegebenheiten in Ostösterreich kennt, ist es ja eher verwunderlich, dass er sich bis zum Quartät zurück gehalten hat. Löss.

Grüner Veltliner Spiegel 2014, Mantlerhof, Brunn im Felde, Kremstal

Das Weingut, dem sich der Rudl am längsten verbunden fühlt, ist ziemlich sicher der Mantlerhof. Völlig zurecht.

Die folgenden Weine

  • Grüner Veltliner Spiegel, Mantlerhof, Brunn im Felde, Kremstal (4/6)
  • Rotburger 2013, Biohof Heideboden, Pamhagen, Neusiedlersee ohne DAC (2/3)
  • Erde 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (6,50/10)
  • Zierfandler 2015, Friedrich Kuczera, Gumpoldskirchen, Thermenregion (2,50/4)
  • Roussette de Savoie 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin des Savoie (3/5)
  • Chignin-Bergeron „Les Fripons“ 2015, Gilles Berlioz, Chignin, Savoie (5/8)
  • Grüner Veltliner Hundsberg 2011, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel (4,50/7)
  • Rotburger Kreuzegg 2013, Weingut Schnabel, Sausal, Südsteiermark (4/6)
  • Riesling Smaragd Achleiten 2014, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau (5/8)
  • Muscadet 2004, Michel Brégeon, Les Guisseaux, Gorges (5/8)
  • Trauben, Liebe und Zeit N°6 2013, Christine und Franz Strohmeier, Lestein, Weststeiermark (5/8)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

am Mittwoch, den 15. März und am Freitag, den 17. März

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Herr Rudolf grüßt ganz besonders den Styracosaurus, vlg. Störakkusaurus und alle seine näheren und entfernteren Verwandten!

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte  Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

Allez, Les Filles! Alles Gute zum internationalen Frauentag! Ein der Ausgewogenheit verpflichteter Tribut den Madln und Spitzbuben, … und dem Bräustüblfastenbier auch

Das mit den Tagen ist auch so eine Gschicht. Vielleicht braucht man bestimmte Tage, an denen etwas Bestimmtes in den Vordergrund gestellt wird. Oder ist es nur eine Augenauswischerei, wenn ich am Tag X ein besonderes Getue um X mache und mir X an den übrigen Tagen im Jahr umso wurschter ist? Der Rudl kann sich noch an das Jahr des Kindes erinnern. Das war 1979. Und er kann sich auch noch daran erinnern, dass etliche Erwachsene das ganze Jahr lang polemisiert haben, was für ein Blödsinn so ein Jahr des Kindes eigentlich sei. Für den Rudl war es damals eine große Genugtuung, das „Jahr des Kindes“. Er hat es als sein Jahr und das seiner Freunde betrachtet. Die meisten Tage kennt der Rudl gar nicht. Einige aber schon. Bei einigen tut er sich ein bissl schwerer nachzuvollziehen, warum es sie gibt, als bei anderen. Und noch schwerer tut er sich nachzuvollziehen, warum es andere Tage gar nicht gibt, zum Beispiel einen Welttag der Herzensbildung. Wobei sich da wieder die ganze Ambivalenz der Tage zeigt. Wahrscheinlich würde ein Tag der Herzensbildung im Handumdrehen von den Herzlosesten, die sich bemerkenswert oft auch als Hirnlose erweisen, gekapert. Alles schon dagewesen. Denken Sie an die Nächstenliebe! Den Welttag der Standards am 14. Oktober hat man nicht auf Betreiben vom Rudl hin eingeführt. Den Frauentag findet Herr Rudolf ganz passabel. Darum würdigt er ihn auch, zumindest so lange es nicht gleiche Marie für gleiche Leistung gibt. Ganz ehrlich muss Caviste Rudolf aber gestehen, dass er Sie an dieser Stelle und zu dieser Zeit aus anderen Gründen mit seinen Überlegungen zum internationalen Frauentag beglückt. Er möchte Ihnen einen neuen Wein in seinem Sortiment vorstellen. Der conveniert ihm außerordentlich und der heißt „Les Filles“. Wann würde der besser passen als am internationalen Frauentag?

 

Gilles Berlioz aus Chignin. Ein Winzerautodidakt wie er in keinem Buche steht

 

Es gibt Weinbauern, die ihr Weingut von ihren Eltern übernommen haben und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihr Weingut von ihren Eltern übernommen haben und nicht so guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die einen anderen Beruf gelernt, dort einen Haufen Knödel gemacht, dann ihre Lebensplanung geändert haben und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die einen anderen Beruf gelernt, dort einen Haufen Knödel gemacht, dann ihre Lebensplanung geändert haben und nicht so gut Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihren Beruf gelernt haben, obwohl ihre Familie nichts mit Weinbau zu tun gehabt hat, und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihren Beruf gelernt haben, obwohl ihre Familie nichts mit Weinbau zu tun gehabt hat, und nicht so guten Wein machen. Und es gibt Gilles Berlioz. Als Sohn eines Hacklers hat er zuerst auf Paysagiste gelernt. 1990 haben seine Frau und er dann beschlossen, Weinbauern zu werden, mit 0,8 Hektar, als Autodidakten. In den Folgejahren haben sie die 0,8 Hektar auf sieben erweitert, um sie danach wieder um die Hälfte zu reduzieren und biologisch umzustellen. Der Schritt zur Biodynamie war dann kein ganz abwegiger. Besonders hoch im Kurs steht bei Gilles Berlioz die Intuition.

 

Chignin

 

… liegt am Südwesthang im Combe de Savoie, das ist das Tal der Isère nach Albertville hinein. Die Rebstöcke stehen auf Geröllhängen aus Jurakalk und Mergel und schauen hinunter auf den „Boulevard des Alpes“. Dort fahren im Winter die Kraxen in die Skigebiete hinauf, im Sommer auf Turin hinunter. Gilles Berlioz ist in Chignin daheim.

 

Roussanne

 

… ist auch in Chignin daheim, so daheim, dass sie in Savoyen Chignin-Bergeron genannt wird. Vom Prestige gehören diese Weine ziemlich sicher zu den renommiertesten in Savoyen, von den Preisen her auch. Ursprünglich herkommen tut Roussanne angeblich aus Tain l’Hermitage, wobei das mit den Ursprüngen dem Rudl seines Erachtens auch immer ein bissl überbewertet wird. Einerseits findet es Herr Rudolf hoch interessant, nach Ursprüngen zu fragen. Andererseits geht ihm das dogmatische oder neurotische Getue um die Wurzeln, das jede noch so dezente Kritik oder jeden Vorschlag eines Äutzerls an Veränderung zum Verrat oder zur Verletzung der Ehre aufbläst, ganz außerordentlich auf die Nerven. So oder so dürfte es die Roussanne schon ziemlich bald einmal von der Rhône nach Savoyen verschlagen haben, allerdings ausschließlich in die Gegend um Chignin.

Sehr geringe Erträge und eine prekär späte Reife dürften ein Grund für das Schrumpfen der sowieso homöopathischen Dimensionen mit Roussanne bestockter Rebfläche in Savoyen sein. Die relativ hohen Preise des Chignin-Bergeron könnten auch eine Rolle spielen. Monsieur Rudolfs Erklärung ist, dass die zweitausend Hektar kleine Weinbauregion Savoyen mit Jacquère und Altesse zwei ausgesprochen kompetente Rebsorten hat und andere Rebsorten dort nicht gerade dringend abgehen.

Die Kalkkieselböden bei Chignin scheinen es der Roussanne trotzdem angetan zu haben. Kleine, zylindrische Trauben, kurzer Stiel, kugelförmige Beeren und ein goldgelber Teint mit rostbraunen Einsprengseln. Zucker vermag sie viel einzulagern, entsprechend solide können die Alkoholwerte der aus ihr gekelterten Weine ausfallen. Haselnuss- und Weißdornaromen sind nicht ungewöhnlich. Eine lange Lagerfähigkeit angeblich auch, vermutlich aber nur, wenn die Säure passt.

 

Les Filles

 

Mouton-Rothschild der Weine von Savoyen heißen sie „Les Filles“ von Gilles Berlioz immer wieder. Viel spricht nicht für diesen Vergleich. Eines dafür umso mehr: Seit Gilles Berlioz den Wein 2007 zum ersten Mal gemacht hat, ziert ein Bild von Frauen, oft von denen, die am Weingut arbeiten, das Etikett. Jedes Jahr darf eine anderer Künstler das Thema der Madln, Damen, Frauen und Herrinnen in einem anderen Stil deklinieren, von sehr abstrakt bis photographiert, dem Rudl seinem Geschmack nach die nicht peinliche Alternative zu Testalonga und Ganevat.

 

2015

 

Fragen Sie den Rudl bitte nicht, was er meint, wenn er die Aromen in einem Wein als „präzise“ bezeichnet. Er weiß es selber nicht genau, zumindest vermag er es nicht auszudrücken. Als er vorigen Sommer die Zweitausendfünfzehner und in diesem Fall auch Zweitausendfünfzehnerinnen bei Gilles Berlioz verkostet hat, hat er diese ausgesprochen großzügig und barock, mit einer Präzision, die sich gewaschen hat.

 

2014

 

Auch in Savoyen ein prekärer Jahrgang.

 

2013

 

Da ist der Rudl befangen. Aber das ist wurscht. Mehr über den Weinjahrgang 2013 steht im Newsletter der vergangenen Woche.

 

2010

 

Auf einen kalten, niederschlagsreichen Winter folgt ein sonniger, aber nicht besonders trockener Frühling. Der Sommer erweist sich hinsichtlich heißem und kühlem Wetter als um Ausgewogenheit bemüht, caniculairer Juli, reifebremsender August. Soweit kennt man den Jahrgang 2010 auch in Österreich. Im September ist das Wetter in Frankreich dann aber abgebogen. Während es in manchen Gegenden Österreichs viel geregnet hat, war es fast in ganz Frankreich sonnig. In Savoyen darüber hinaus auch recht frisch in der Nacht. Nicht die allerungünstigsten Voraussetzungen für einen formidablen Jahrgang, in besonderem Maß bei spätreifenden Rebsorten.

 

2008

 

… hat die allerlängste Zeit keinen Anlass zur Sorge bereitet, bis es dann Ende August und Anfang September ungewöhnlich nass geworden ist. Für so manche Jacquère ist sich das dann mit der Reife nicht mehr ausgegangen. Altesse, Chignin-Bergeron und vor allem die Roten haben sich wieder erfangen.

 

2015, Les Fripons

 

Und weil sich Monsieur Rudolf, vergleichbar mit dem Sommer 2010, um Ausgewogenheit bemüht, kredenzt er zum internationalen Frauentag auch Gille Berlioz‘ komplementären Chignin-Bergeron. Les Fripons, tonisch wie  Chinin, aus Chignin, wenn Sie dem Rudl diesen Kalauer gestatten.

 

Die folgenden Weine von Gilles Berlioz:

 

  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2014, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2013, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2010, Gilles Berlioz, Chignin, AOC Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2008, Gilles Berlioz, Chignin, AOC Vin de Savoie (6,50/10)
  • Chignin-Bergeron „Les Fripons“ 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

     

    …, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 8. März und am Freitag, den 10. März

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Auch das Fastenbier vom Bräustübl in Salzburg Mülln wird ab sofort wieder ausgeschenkt.

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 8. und 10. März:

    ziemlich sicher etwas Geologisches

     

    Herr Rudolf kann dieses Mal gar nicht anders, als wie seinerzeit Professor Conrads zu grüßen. Und er tut das hiermit auch!

     

    Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

     

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte  Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

 

Vile Felsen und ein Bild. Vertikale Roussette de Savoie, Domaine Dupasquier, Mittwoch! und Freitag (vol. 1. Die Basis ohne Restsüße)

Bilder und Traumata

 

Der Rudl hat ein gespaltenes Verhältnis zu Bildern, früher einmal und immer noch fasziniert vor allem von den bewegten Bildern auf der Leinwand, heute, im Zeitalter der geteilten Bilder, vor allem solcher vom Müsli und der Selbstis skeptisch bis angewidert.

Es mag sich dem Rudl nicht und nicht eröffnen, welchen Mehrwert so manches Bilderl neben einem Text hat. Welchem Bild gelingt es, die Information in einem Text notwendig zu präzisieren oder zu erweitern? Fälle, in denen Information in einem Text durch ein Bild unabsichtlich oder absichtlich entstellt worden ist, fallen dem Rudl dagegen zum Saufüttern ein. Und jeder Blick auf die Titelseite einer der verinseratisierten Steuerspenden als Wiener Qualitätsblätter zeigt eine Informationsentstellung mehr.

Gar nicht so selten hat Monsieur Rudolf den Eindruck, ein Bild solle ihn dazu bewegen, sich mit einem Text auseinanderzusetzen, der ihn ungefähr so interessiert wie die Naturschönheiten rund um die Kreisverkehre in den Gewerbegebieten bei Parn- oder Eugendorf.

Vielleicht hat dem Rudl seine Skepsis aber auch mit frühkindlichen Traumata zu tun. Seinerzeit, in der Schule hat sich der Rudl eigentlich nur vor zwei Dingen gefürchtet. Blöderweise waren das Stunden, auf die sich andere gefreut haben. Aber wenn Zeichnen oder Geräteturnen auf dem Programm gestanden ist, dann hat beim Rudl wirklich der Hut gebrannt. Malen ja, aber zeichnen nicht ums Verrecken. Sport auch ja, nur nicht auf dafür gebauten Geräten.

 

Du sollst dir kein Bild machen.

 

Dass es in den Ausführungen vom Rudl so gut wie keine Bilder gibt, hat also theologische Gründe und ist nicht darauf zurückzuführen, dass Herr Rudolf keinen Scanner zu betätigen vermöchte, auch nicht auf Urheberrechtsfragen. Der Rudl würde die alttestamentliche Warnung vor den Bildern gerne viel konsequenter beachtet wissen, denn er ist der Meinung, dass man nicht nur Gott, sondern auch Menschen, Viecher, Dinge, Sachverhalte sowie dergleichen in einen Rahmen einsperrt, wenn man sie abbildet. Und Eingesperrtes ist vielleicht bemitleidenswert oder befürsorgenswert, interessant findet es der Rudl in den allerseltensten Fällen.

Aber der Analphabetismus war schon vor über tausend Jahren ein Hindernis für einen sparsamen Umgang mit Bildern. Da wären wir wieder bei den Qualitätsblättern und den BildungsexpertInnen.

So, jetzt hat es Caviste Rudolf wirklich geschafft, weit über zweitausend Zeichen, das ist ein Drittel einer Deutscheinheizmatura, in die Tastatur seines mobilen Nichtendgerätes zu nageln, ohne auf das Thema auch nur mit einer Silbe eingegangen zu sein. Jetzt aber!

 

Bild up

 

Caviste Rudolf hat nicht erst einmal darauf hingewiesen, dass er einen felsigeren Boden als den in den Weingärten der Domaine Dupasquier in Aimavigne noch nicht gesehen hat.

Ganz oben werden die Reben mit Hilfe eines Krampen in die Felsformation gepflanzt. Vor drei Jahren ist der Rudl einmal dort hinauf gekraxelt und hat ein paar Bilder gemacht. Eines davon möchte er Ihnen trotz aller Skepsis gegenüber Bildern nicht vorenthalten. Spektakulärer bleibt die Vorstellung vom Anlegen eines Weingartens im Felsen im Kopf, findet der Rudl.

 

 

 

 

 

Die Domaine Dupasquier in Aimavigne. Old school

 

Im Forum von lapassionduvin.com gibt es über die Domaine Dupasquier in Savoyen 25 Seiten, Château Margaux bringt es auf 16. Kein französisches Weingut hat der Rudl öfter besucht als Dupasquier.

Seinerzeit hat im Weingarten und im Keller Noël Dupasquier Regie geführt, seine Frau war für den Verkauf zuständig, in einem Verkostungsraum mit null Percent Plexiglas. Der muss schon alleine deshalb ohne EU-Förderung gebaut worden sein, weil es zu seiner Errichtungszeit noch nicht einmal die EWG gegeben hat.

Die Revue du Vin de France bezeichnet Dupasquier als „Partisanen“ des langen Ausbaus in großen Holzfässern. Im Anschluss an diesen Ausbau reposiert der Wein noch ein paar Monate oder Jahre in den Flaschen, ehe er in Verkauf kommt. 2013 ist der aktuelle Jahrgang beim Rosé. Auf synthetische Spompanadeln hat Dupasquier schon verzichtet, da war Biowein noch ein Synonym für Jutetaschen und Vollkornbrot.

 

Jean-Jacques Rousseau

 

wurde im 102,6 Kilomter nahen Genf geboren und im savoyardischen Freigeist erzogen. Mit den Dupasquier-Weinen hätte er möglicherweise seine Freude gehabt. Spontangärung, auch der biologische Säureabbau darf sich nach Lust und Laune zum Dienstantritt melden oder eben auch nicht, minimale Schwefelung, ganz dezente Filtrierung.

 

Roussette de Savoie. Die trockene Basis

 

Die leichter zugängliche Roussette de Savoie, trocken ausgebaute Altesse von den tiefer gelegenen und weniger steil ausgerichteten Weingärten steht diese Woche auf dem Stundenplan. Den Cru Marestel von ganz oben am Felsen, selbe Rebsorte mit dem einen oder anderen Gramm Restzucker gibt es dann irgendwann, quasi als ideologischen Überbau, beziehungsweise im Neuschreib als Follow-up.

Véronique und David Dupasqier führen heute in fünfter Generation das Weingut. Viel hat sich nicht geändert. In den Boden des Verkostungsraums sind jetzt Schienen eingelassen, die E-Mail-Adresse ist kein Betriebsgeheimnis mehr und dem Rudl kommt vor, dass der Stolz des Weingutes, der Cru Marestel in den letzten Jahren eine Spur weniger Restzucker hat als früher. Reifen wird er schätzungsweise auch nicht schlechter. 30 bis 40 Jahre, ohne seine Frische zu verlieren, prognostiziert die Revue du Vin de France. Empirisch bestätigen kann der Rudl diese Frische in den Jahrgängen 1997, 1993 und 1988. Erinnerungen an Haselnuss, Birne, Ingwer und Honig, die Andrew Jefford dem Wein attestiert, auch. Bettane & Desseauve bescheinigen dem Marestel von Dupasquier, die Rebsorte Altesse „à sa plus haute expression“ – zu ihrem höchsten Ausdruck zu bringen. Trotzdem gibt es diese Woche die kleine Schwester mit etwas trockenerem Hamur als der Marestel.

Für österreichische Trinkgewohnheiten ist der Marestel nicht gerade eine „Faust auf’s Aug“, wenn man die Redensart wörtlich nimmt, vielleicht gerade eine solche, wobei das jetzt vermutlich auch wieder auf die letzten Jahrzehnte einzuschränken ist. Bis 1985 dürften Weine mit Restsüße in Österreich ein deutlich weniger großes Imageproblem gehabt haben.

Schulmeister Rudolf fasst eher schon länger einmal eine Lektion zum Marestel ins Auge. Diese Woche versucht er, dafür die Basis zu legen. Die ist trocken, aber das ist die Basis meistens, vor allem wenn sie solide sein soll.

 

Roussette de Savoie, Domaine Dupasquier, Aimavigne, trocken

 

2013

 

Der kalte und niederschlagsreiche Winter hat den savoyardischen Rebsorten keine grauen Federn wachsen lassen. Auf den sind sie eingestellt. Auf einen furchtbarer Frühling wie 2013 nicht. Ein heißer Sommer bedeutet auch in Savoyen ein erhöhtes Hagelrisiko. Die Trauben, die im September das Handtuch immer noch nicht geworfen hatten, haben bei der Lese nicht durch Pünktlichkeit geglänzt, erwiesen sich in qualitativer Hinsicht aber als äußerst kompetent, ausgeglichen und gesund.

 

2012

 

Auch ein kalter Winter, wie in Wien. Erst im August halbwegs standesgemäße Temperaturen für Ihre Hoheit Altesse.

 

2011

 

Ungefähr das Gegenteil von 2013. Trockener Frühling, heißer Juli, viel zu niederschlagsfreudiger August, dem die zu diesem Zeitpunkt viel zu reifen Trauben jede Menge Angriffsflächen geboten haben. Für Savoyen ungewöhnlich frühe Lese ab Ende August. Der erste von vier aufeinanderfolgenden Jahrgängen, von denen nicht nur in Savoyen jeder einzig und allein darum bemüht schien, zu zeigen, dass es für den selber denkenden Weinbauern noch um ein Eck schwieriger geht als im jeweiligen Jahr davor.

 

2009

 

Den weißen Zweitausendneunern aus Savoyen sagt man nicht die allergrößten Fähigkeiten auf der Langstrecke nach. Zu heiß der Sommer, zu wenig Säure die Weinderl. Auf einen mittelkalten Winter mit ausgesprägtem Weitblick, was die hohen Niederschläge betrifft, folgen ein sehr sonniger Frühling und ein heißer Sommer. Eher südfranzösischer Stil (Danke an A.K.!).

 

2004

 

Nach fünf ziemlich bis extrem heißen Jahrgängen der erste „avec modération“. In Österreich haben ihn gar nicht so wenige wahrscheinlich deshalb sehr schnell abgeschrieben. Für den Rudl ist der Jahrgang 2004 auch existenziell bedeutend. Bei einer Verkostung steirischer Weine im Museumsquartier hat er damals einen Sauvignon 2004 von Andreas Tscheppe, damals noch von der Riegersburg, gekostet. Dabei ist ihm aufgegangen, dass Wein auch ganz anders schmecken kann, als er es bis dahin gewohnt war.

Mit 2008, 2010 und 2013 ist der Vierer einer seiner allerliebsten Jahrgänge in den letzten zwanzig Jahren. In Savoyen wirklich nur bei vernünftiger Ertragsbegrenzung raisonable Weine.

 

Die folgenden fünf Jahrgänge Roussette de Savoie von Dupasquier

 

  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2004, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (5/8) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2009, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (4/6) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2011, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2012, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 
  • Roussette de Savoie (Rebsorte Altesse) 2013, Domaine Dupasquier, Aimavigne, AOC Vin de Savoie (3/5) 

    …, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 1. März und am Freitag, den 3. März

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 8. und 10. März:

    Vertikale Chignin-Bergeron „Les Filles“ von Giles Berlioz – internationaler Frauentag

     

    Herr Rudolf grüßt bildhaft und hundertpercent selfiefrei!

     

    Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

     

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte  Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

 

6 extraordinaire Schaumweine und eine Abrechnung mit der Digitalisierung, am Mittwoch und am Freitag

Das stimmt nicht!

 

Dass Rudolf Polifka kein Freund der nicht wirklichen Netzwerke ist, wird für Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, eine Information mit eingeschränktem Neuheitswert sein. Die Umstände, dass seine materielle Basis nicht, die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils nicht und der Rudl als solches schon erst recht sowieso nicht irgendwo auf diesen unsäglichen Machwerken ein Profil oder einen Account betreiben, kann man als dezente Hinweise darauf, dass der Rudl diese für einen Schas hält, betrachten. Und zwar samt und sonders. Monsieur Rudolf kann auch die Hinweise, dass Medien grundsätzlich wertfrei seien und es auf die Art ihrer Nutzung ankäme, nicht mehr hören. Erstens interessieren ihn wertfreie Sachen sowieso nicht. Und zweitens findet er es aus mathematischer Sicht unangebracht, etwas, das nachweislich und anhaltend zu 75 Percent sinnfrei, zu 23 Percent destruktiv und zu 2 Percent konstruktiv genutzt wird, als „wertfrei“ zu bezeichnen. Wenn jemand daher kommt, sich das Attribut „sozial“ selbst anmaßt und so tut, als wolle er einem eine Wohltat erweisen, tatsächlich einen aber nur anschnort, dann hat den Rudl das schon als Halbwüchsigen narrisch gemacht. Darum ist er für ein umfassendes Bettelverbot für die Datenbettlerbanden im digitalen Raum, und zwar für eines mit drakonischen Strafen im Falle von Zuwiderhandeln.

Eine diese Bettlerbanden verspricht Hilfe beim Suchen. Jetzt ist der Rudl keiner, der mit den offiziell anerkannten Heiligen samt ihren Zuständigkeitsbereichen besonders viel anzufangen wüsste. Auch hat der Rudl grundsätzlich nichts gegen das Suchen. Gar nicht so selten kann er dem Suchen sogar mehr abgewinnen als dem Finden. So oder so, hätte er im Internet die Wahl, würde sich sogar der Rudl beim Suchen hundertmal eher an den Heiligen Antonius anstatt an eine Maschine wenden.

Trotzdem hat ungebetener, unersuchter und unverschämter Weise eine dieser Datenbettlerbanden ein Profil von der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils erstellt. Als der Rudl darauf gekommen ist, dass dort seit vier Monaten falsche Öffnungszeiten stehen, hat er mindestens 25(!) Mal gebeten, diese zu korrigieren. Die Datenbettlerbande hat dazu von ihm verlangt, sich bei ihr registrieren zu lassen und also einen ganzen Haufen Daten herauszurücken. Geändert haben diese Wappler nichts. Letztklassig!

 

Fasching ist.

 

Im Unterschied zu den vergangenen Jahren verfolgt der Rudl den Höhepunkt des Wiener Faschings heuer nicht in seinem Geschäft. Das ist seit Oktober 2016 am Donnerstag nämlich zu, auch am Opernballdonnerstag. Deshalb heuer keine Knacker und keinen Doppler, zumindest nicht im Geschäft.

Doch Caviste Rudolf erweist dem bunten Treiben diese Woche am Mittwoch und am Freitag durch die Ausschank von sechs ungewöhnlichen Schaumweinen die Reverenz, freilich nicht ausschließlich mit diesen sechs Schaumweinen.

Der Cavistenkollege Serge Alexandre aus der Nähe von Annecy hat vor zwei Jahren einen interessanten Versuch unternommen. Er hat eine Palette Wein ein Jahr lang im Lac d’Annecy versenkt. Nachdem er die Palette wieder herausgezogen hatte, hat er die Weine im Duett mit einem gleichen Wein nicht versenkter Provenienz verkauft. Der Rudl hat vorigen Sommer noch so ein Paarl erstanden, den versenkten Bugey Méthode Traditionelle von Franck Peillot mit seiner unversenkten Kolleginnenflasche.

Bugey kann man als die Verbindungsappellation zwischen dem Jura und Savoyen sehen. Das spiegelt sich auch in den Rebsorten wider. In Montagnieu keltert Franck Peillot einen Schaumwein aus zwanzig bis dreißig Percent Altesse und Chardonnay. Die längste Zeit hat man die Schaumweine aus Bougey „le champagne des Loyonnais“ genannt. Lyon ist quasi um die Eckn.

Sie können jetzt natürlich sagen: „Was kommt er jetzt mit seinem Versinkmotiv daher? Das hätte doch nach der Wahl einer Disney-Figur zum Präsidenten der USA viel besser gepasst.“

Und da haben Sie sicher recht. Aber den Fasching findet der Rudl auch nicht die allerunpassendste Occasion dafür. Und als der dämliche, grinsende Daumennachobenstrecker gewählt worden ist, hat Rudolf Polifka es für nicht ausgeschlossen gehalten, dass es bald auch hierzulande zum Versinken werden könnte. Das ist, Gott sei Dank, nicht eingetreten.

Vom versenkten und vom unversenkten Bugey hat der Rudl jeweils nur ein Flascherl. Das heißt, es könnte bei hoher Frequenz am Mittwoch (Ja, am Mittwoch, für den Fall, dass jemand von der Datenbettlerbande mitliest!) spätestens am Freitag bei diesem Schaumwein eng werden.

Aber das wird sowieso nicht die einzige CO2-Kuriosität in dieser Woche sein:

 

Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland

 

Hätte Sepp Muster eine Schwäche für Prüfnummern, hätte ihm dieser Sauvignon Graf vielleicht das eingetragen, was den Kurtl und den Rudl Zeit ihrer Leben plagt: ein veritables Schlafdefizit.

Graf Sauvignon 2011 dürfte das Gegenteil von einem Hudler sein, zumindest beim Gären. Vielleicht ist er aber auch nur nicht ausgesprochen willensstark. Irgendwann hat der Wein aufgehört zu gären. Trocken war er da noch nicht. Sepp Muster wäre vermutlich nicht Sepp Muster, wenn er so etwas nicht akzeptieren könnte. Darum hat er den Wein gefüllt. Der Wein dürfte dann in der Flasche jedoch seine Lebensplanung geändert haben, wie ein ehemaliger Bundeskanzler der Republik das einmal ausgedrückt hat, und hat die Gärheferln zu einem Comeback überredet. So eine Gärhefe wird man sich in letzter Konsequenz ja auch nicht anders vorstellen müssen als einen begnadeten Musikanten und Doktor.

In den Flaschen von Graf Sauvignon 2011 muss dann ein ziemliches Theater losgewesen sein, vergleichbar vielleicht mit dem in einer großen Pause ohne Gangaufsicht an einer Bubenschule. The rest, as they say, is history. Der erste Schaumwein aus dem Hause Muster. Ein Pétillant Naturel der unhysterischen Art, wenn Sie so wollen. Der Herr des Hauses hat dann für den Export nur mehr den Stoppel mit einer halblangen Kapsel vor etwaigen weiteren Spontaneitäten geschützt. Heute ist Graf Sauvignon 2011 im Noma wie im Steirereck eine äußerst geschätzte Essensbegleitung.

 

Crna und Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija

 

Und noch ein Paar, nicht versenkt & unversenkt, sondern hell und dunkel, wobei Bela auf der Maische gegoren haben dürfte. Crna ist rot und zwar nicht rot im Sinn vieler Blaufränkischsekte, sondern wirklich rot, wenn nicht dunkelblau bis schwarz. Teran nach der Méthode Traditionelle. Vom hellen hat der Rudl mehr, vom dunklen nur eine Flasche.

 

Paarungen, der Fasching und das Touchscreen

 

Im Fasching geht traditionell etwas weiter. Die Geburtenraten im November sind kein Lercherl. Ob man so weit gehen kann, den Fasching als Paarungszeit zu bezeichnen, das weiß der Rudl nicht. Sollte es früher so gewesen sein, wäre immer noch die Frage, ob sich das heute auch so verhält. Der Rudl würde, jetzt einmal ganz ehrlich gesagt, sowieso nicht seine Hand dafür ins Feuer legen, dass es Paarungsverhalten klassischer Art im Zeitalter der Digitalisierung noch gibt. Wenn Monsieur Rudolf heute Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, nicht nur jüngere, bei weit weniger intimen Kommunikationen beobachtet und dabei gewahr wird, dass oft kein Sinn zwischen die beiden Kommunikanten passt, weil dort neben den zwei mobilen Endgeräten kein Platz mehr ist, dann tut er sich schwer bei der Vorstellung, dass da noch etwas rennt, das man nicht hochladen, teilen oder liken kann. Aber der Rudl ist bekanntlich katholisch. Als solches findet er die sterile Prüderie eines Touchscreens ungefähr so aufregend wie die aufgeblasenen, grinsenden Plastikpüppchen auf den Gesellschaftsseiten der Wiener Qualitätspresse.

Wenn Sie wollen, können Sie vermutlich auch eine Schaumweinflasche als etwas Aufgeblasenes betrachten, zumindest was die Prämissen für Luft betrifft. Die sind ja in der Flasche drin, auch wenn man sie in geschlossenem Zustand nicht sieht. Darauf hat der Kurtl einmal in einer Trost & Rat Sendung im Zusammenhang mit einer Flasche Bier hingewiesen. Aber bei so einer Schaumweinflasche hat man etwas in der Hand, kein Vergleich mit einem asketischen Touchscreen. Wenn Sie so wollen, sieht der Rudl die Schaumweinflasche als Verkörperung des Faschingsdienstags, das Touchscreen als die des Aschermittwochs. Darum fastet Monsieur Rudolf beim Touchscreen leidenschaftlich, zumindest wischmäßig. Zum Schneiden von Speck oder Comté kann man die Brettln ja verwenden.

 

Chêvre, Château la Tour de Marignan

 

Dass ein französisches Weingut keine Homepage hat, ist nicht so ungewöhnlich. Dass im Bettane & Desseauve bei einem Weingut wie Dupasquier erst seit wenigen Jahren eine E-Mail-Adresse angegeben ist, das weiß der Rudl mittlerweile auch einzuordnen. Dass ein Weingut mit relativ doch recht elevierten Preisen wie Château La Tour de Marignan in keinem der ganz namhaften Weinführer erwähnt ist, versteht Caviste Rudolf, seit er weiß, wie diese Weinführer  zustande kommen. Hätte er Die Fackel von Karl Kraus nicht nur gelesen, sondern noch ernster genommen, dann hätte ihn das auch viel weniger überrascht. Aber dass man zu Château la Tour de Marignan eigentlich nur hinfahren kann, wenn man etwas darüber wissen will, das gefällt dem Rudl schon wieder. Und das schon seit acht Jahren. Die Weine von Bernard und Olivier Canelli  hätte Monsieur Rudolf vor fünf Jahren um ein Haar ins Sortiment befördert. Die Schweizer Preise und die Domaine Delalex haben letztendlich dagegen gesprochen. Als Privatier hat der Rudl seit 2009 noch keinen Frankreichurlaub absolviert, ohne bei den Canellis vorbei zu fahren. Einen Wein hat er dabei aber immer ausgelassen, die Chèvre. Allein dass der Wein auf den ersten zehn Einträgen, die die Datensammelbettlerband ausspeibt, mit drei unterschiedlichen Akzenten geschrieben wird, amüsiert Monsieur Rudolf. Dass auf dem Etikett die Variante mit dem Circonflexe verzeichnet und daneben eine Ziege abgebildet ist, deutet der Rudl als Hinweis auf die Korrektheit dieser Schreibweise. Wie auch immer: Chasselas, Rum, Vanille, Rohrzucker und rote Beeren, eine „spécialité savoyarde“, wie es am Etikett steht. Der Rudl hat beim letzten Besuch die Unterrichtseinheit mit den ungewöhnlichen Schaumweinen schon im Hinterkopf gehabt und ist deshalb an der Chêvre nicht vorbei gekommen. Man wird sehen, etwas frei nach dem Kurtl: „mit den Papillen sehen“.

 

Die folgenden sechs Schaumweine

 

  • Chêvre, Château la Tour de Marignan (3/5)
  • Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
  • Crna, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
  • Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (5/8)
  • Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (versenkt) (3/5)
  • Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (unversenkt) (3/5) 

 

…, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 22. Februar und am Freitag, den 24. Februar

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 1. und 3. März:

endlich wieder eine kleine Vertikale

 

Herr Rudolf grüßt alle analogen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen!

 

Überhaupt nicht österreichische Rebsorten. Eine Semestrierung am Mittwoch und am Freitag

Prävirtuelle pannonische Echokammer

 

Der Rudl würde sich nicht gerade eine große Schwache für dualistische Welterklärungsversuche attestieren. Höchstens was den Neusiedlersee betrifft, da hält er es ein bissl monolatristisch. Er weiß, dass der Neusiedlersee ein Westufer hat, aber er identifiziert mit „dem See“ den Seewinkel. Man kann das vermutlich als Beispiel für eine prävirtuelle Echokammer betrachten. Denn der Rudl fährt konsequent auch stets an das Ostufer, wenn er zum Neusiedlersee fährt. An dem hat er vor vierunddreißig Jahren, wie man so schön sagt, einen Narren gefressen. Und jetzt wundert er sich, dass er mit dem Neusiedlersee Illmitz, Podersdorf und Apetlon assoziiert. Aber er weiß natürlich, dass auch der Neusiedlersee mindestens eine andere Seite hat, dass es auch dort schön ist und dass auch dort äußerst virtuose Winzer und Weine zuhause sind. Er weiß es, aber er fährt trotzdem nach Illmitz. Und der Rudl weiß auch, dass Rust inzwischen so etwas wie das österreichische Epizentrum des Furmint ist, und auch, dass Furmint mit der savoyardischen autochthonen Hoheit Altesse verwandt ist.

 

Semestrierung

 

Es gibt ein paar Möglichkeiten, Zeit im Sinne des griechischen chronos zu strukturieren. Zwölf Monate vom ersten Jänner bis zum einunddreißigsten Dezember stellen eine gebräuchliche, vermutlich aber nicht die alleroriginellste Variante dar. Die Fußballsaison beginnt, nimmt man das Mutterland des Fußballs zum Kriterium, am zweiten Wochenende im August, der neue ÖBB-Fahrplan jährlich am zweiten Wochenende im Dezember, das Dankbarkeitsjahr Anfang Februar und das Kirchenjahr am ersten Adventsonntag.

Universitäten strukturieren ihren Betrieb nach Semestern. Seit viele Studienpläne ihre Akzente vom Forschen auf das Belehren und Bevormunden verschieben, kommen Schulen den Universitäten auf halbem Weg entgegen und semestrieren neuerdings ihrerseits.

 

Sommersemester

 

Das Sommersemester hat den selbstangemaßten Weindozenten Rudolf Polifka gebeten, mit weißen Rebsorten, die in Österreich einen Verbreitungsgrad umgekehrt proportional zu dem von Thujenhecke und Kleinformat zusammen genießen, begonnen werde zu dürfen.

 

Jacquère. Eine Wiederholung der Lektion vom 30. Juni (Sommersemester 2016)

 

Wenn es in der zweitausend Hektar kleinen Weinbauregion Savoyen eine Massenweinrebsorte gibt, dann kann man Jacquère als so eine betrachten. Mehr als tausend Hektar sind dort mit der autochthonen Jacquère bestockt. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife, was am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen nicht ganz unwesentlich ist, und schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau.

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold und erinnert an vieles, was im Frühling blüht, manchmal sogar an Akazien. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn und aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund. Manchmal kommen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazu, wenngleich nie so intensiv wie bei der Altesse.

Die Spitznamen Coufe-Chien und Cugnète gefallen dem Rudl auch nicht so schlecht, obwohl oder vielleicht eher weil er keine Ahnung hat, was sie bedeuten.

 

Sommerweine

 

Caviste Rudolf Polifka trinkt und empfiehlt diese Weine vor allem im Frühjahr und im Sommer. Jacquère ist für ihn eine weingewordene Metapher für das Wiedererwachen der Vegetation.

 

 

Accord Papperl – Jacquère

 

Oft endet Jacquère als Fonduebegleiter in den einschlägigen Skigebieten, als Winterwein. Caviste Rudolf findet das nicht unpassend, aber ein bissl ideenlos, zumal man von einem Fondue eh fast jeden Wein erschlagen lassen kann. Viel mehr als die Säure bleibt dann manchmal nicht über. Der kulinarische Deckel für den Topf einer gelungenen Jacquère, sofern man einen Wein als Topf bezeichnen kann, ist wahrscheinlich die Bachforelle. Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze. Wenn er bei vielen Weinen aus dem Elsass an den Rhein denkt, dann symbolisieren savoyardische den Zubringer eines Zubringers der Isère. Einer wie der Rudl, der quasi neben, beziehungsweise in Wald- und Wiesenbächen seine Kindheit verbracht hat, der Donau aber erst im stolzen Alter von vierzehn gewahr wurde, kann mit kleinen Gebirgsbächen und Wasserfällen und ihren korrelierenden Weinen vielleicht naturgemäß mehr anfangen. Der ist mit der Bachforelle per Du und diese quasi so vor der Haustür wie die Oelweingasse vor dem Rudl seinem Geschäft.

 

Jacquère ist nicht Jacquère ist nicht Jacquère

 

Es gibt Jacquères, denen der geschmolzene Käse quasi als Schicksal in die Wiege, treffender vielleicht ins Fass gelegt worden zu sein scheint.

Es gibt auch Jacquères, die ausgesprochen ambitioniert, vor allem bodenspezifisch ausgebaut, aber mit einem synthetischen Korkimitator zugestoppselt werden. Ein Jammer.

Und dann gibt es Jacquères von Weinbaumeistern, die es wissen wollen und denen Tradition auch beim Verschließen von Flaschen ein Anliegen ist.

 

  • Jacquère 2014, Dupasquier, Jongieux, AOP Vin de Savoie
  • Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie
  • Marius & Simone 2015, Giachino, Chaparaillan, Vin de France 

    Altesse. Gleich noch eine Wiederholung (Wintersemester 2015/16)

     

    Dass die Rebsorte Altesse von der verrückten Henne und Tochter des Königs von Zypern und Jerusalem, Anne de Lusignan, nach Savoyen gebracht worden sei, dürfte so wenig historisch sein wie die ungleich unsympathischere These, dass sie einem Kreuzzug des Grafen Amédée VI. zu verdanken sei.

    Letzte Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Altesse aus der ungarischen Familie des Furmint stammt. Diese Weine waren seinerzeit dem Herrscherhaus vorbehalten. Darum der Name „Altesse“ – die Hoheit. Das halten zumindest der renommierte Ampelograph Pierre Galet und das in diesen Belangen auch nicht ganz unerhebliche Schweizer Institut de Changins für wahrscheinlich.

     

    Vielleicht ist das genau die Zeit, Altesse zu trinken. Und vielleicht erinnert sich zufällig irgendwer in Ungarn, welche großartigen Beiträge dieses Land früher einmal zur Geschichte des Kontinents geleistet hat.

     

    Rebsortencharakteristika

     

    Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.

     

    Speisebegleiter

     

    Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.

     

  • Marestel 2010, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
  • Altesse 2013, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
  • Altesse 2015, Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Roussette de Savoie 

    Gringet

     

    … heißen sie im Jura Savagnin und in Platt Weißer Traminer.

     

  • Le Feu 2012, Belluard, Ayze, AOC Vin de Savoie 

     

    Chignin-Bergeron

    ist die savoyardische Beziechnung für die Roussanne von der nördlichen Rhône.

     

  • Les Fripons 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie 

    In Savoyen gibt es an autochthonen weißen Rebsorten auch Mondeuse Blanche und Molette, an nicht bis ganz und gar nicht autochthonen Chasselas, Malvoisie, Pinot Gris und Chardonnay. Dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.

     

    AOP Irouléguy. Die dritte Wiederholung vom 31. März (Sommersemester 2016)

     

    Gros Manseng

     

    Auf Baskisch heißt er „Izkiriota“. Er ist für die Quantität zuständig. Der falsche Meltau ist nicht sein bester Freund.

     

    Petit Manseng,

     

    Izkiriota Itipia, ist ertragsschwach, kleinbeerig und dickschalig, kann deshalb lange am Stock hängen und viel Zucker bilden. Anklänge an Zimt, exotische Früchte, Honig und reifen Pfirsich gehen auf seine Rechnung.

     

    Petit Courbu,

     

    Xuri Zerratia, ist fast immer in der Minderheit, noch ertragsschwächer als der Petit Manseng, aromatisch dafür noch feiner.

     

  • Hégoxuri 2014, Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest 
  • Jacquère 2014, Dupasquier, Jongieux, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
  • Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (3/5)
  • Marius & Simone 2015, Giachino, Chaparaillan, Vin de France (4/6)
  • Marestel 2010, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie (4/6)
  • Altesse 2013, Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie (3/5)
  • Altesse 2015, Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Roussette de Savoie (5/8)
  • Le Feu 2012, Belluard, Ayze, AOC Vin de Savoie (6/9)
  • Les Fripons 2015, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)
  • Hégoxuri 2014, Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8) 

    (in Klammern zuerst der Sechzehntel-, dann der Achtelpreis)

     

    Diese neun Weine aus hierzulande nicht verbreiteten Rebsorten, aber nicht ausschließlich diese neuen gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 15. Februar und am Freitag, den 17. Februar

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka im Sommersemester immer noch der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 22. und 24. Februar:

    ungewöhnliche Schaumweine

     

    Herr Rudolf grüßt nach allen Seiten und den ganzen See!

Energiekriseferien! Während der Wiener Energieferien geschlossen

Energie kommt vom griechischen érgon und meint ein Werk, ein Wirken, im weitesten Sinn Arbeit, die aus Wärme resultiert. Entsprechend lange gibt es sie schon, die Energie.

Die Energieferien gibt es noch nicht so lange.

Komposita

Ähnlich verhält es sich vermutlich mit einer ganzen Reihe Komposita. Vor der Zusammensetzung zweier oder mehrerer Wörter muss es die von den einzelnen Wörtern bezeichneten Entitäten schon gegeben haben. Sonst haut es nicht hin, sonst gibt es kein Kompositum. In dieser Hinsicht verhält sich die Wortbildung nicht anders als das Kochen. Bevor ein Marmeladebrot zubereitet wird, muss es Marmelade und Brot geben. Beim Eiskaffee schaut es nicht viel anders aus. Beim Kaffeeeis schon, wobei die Frage ist, ob alles, was für die Allergestresstesten dieser Welt in grindige Pappendeckel- oder Plastikbecherl gefüllt wird, den Namen „Kaffee“ verdient. Aber es gibt diese tüchtigen Hochleistungsträger, die in der Früh intensiv Profile updaten, Neuigkeiten teilen und Narren liken müssen. Wie sollen sie da auch noch Kaffee kochen?

Coffee to go

Die Evolution wäre nicht die Evolution, hätte sie für diese Geschundenen nicht in jahrmilliardenlanger Anstrengung „Coffee to go“ hervorgebracht. Und wie werden der Evolution die Mühen gedankt? Das schwarzbraune Gschloder wird an Tramwayhaltestellen und vor U-Bahnstationen weggestellt, muss einem Wiener Qualitätsblatt im Handerl Platz machen und friert im Fall von Minusgraden unerbittlich zu Kaffeeeis ein, wobei die Wiener Qualitätsblätter freilich der job description des Coffee to go, den Blutdruck in die Höhe zu treiben, deutlich effizienter nachkommen als die schwarzbraune Flüssigkeit im Becherl.

1974

Zurück zu den Energieferien. Im Februar 1974 wurden als Folgen der ersten Ölkrise die Schulen für eine Woche geschlossen und die Betreiber eines verbrennungsmotorisierten Wagens verdonnert, die ersten zwei Buchstaben eines Wochentags auf die Windschutzscheibe ihres Automobils zu picken. Diese zwei Buchstaben haben aus dem Automobil für die Dauer dieses einen Tages pro Woche ein Autostabil gemacht. Den autostabilen Tag haben sie nach ein paar Monaten wieder abgeschafft. Staatsbürgerliche Grundrechte, die Erste. Das Provisorium Energieferien hat sich gehalten, wenn auch nicht um Energie zu sparen. Schaut man sich an, was manche Skigebiete aufführen, um Pisten in die Landschaft zu legen, ist man geneigt hinzuzufügen: ganz im Gegenteil.

Seinerzeit

Als die Energieferien eingeführt worden sind, war eine ziemliche Krise um die Energie. Von einer „Energiekrise“ konnte man damals hören. Und das muss schon nicht ganz undramatisch thematisiert worden sein, sonst hätte ein Sechsjähriger, wie der Rudl damals einer war, kaum etwas davon mitgekriegt. Und mir nix dir nix hätte man ziemlich sicher auch nicht die Schulen eine Woche lang zugesperrt und den Autostabilwochentag eingeführt.

2017

Heute schaut es mit der Energie ganz anders aus. Heute conduieren viele von der Zivilisation Geplagte ihre Kraftfahrzeuge in die architektonischen Kleinode an den Kreisverkehren, um dort palettenweise in Aludosen und Plastikflaschen abgefüllten Dreck zu kaufen. Aludosen und Plastikflaschen zählen in Österreich zu den realverfassungsrechltich garantierten Grundrechten (die Zweite). Man will sich nix vorschreiben lassen. Von irgendwelchen Digitalkonzernen,dem Monopolbier oder den Wiener Qualitätsblättern schon. Vom Klimawandel oder einer selbst gewählten Legislative aber nicht. Das wäre ja noch schöner!

Theorie

Aber das ist alles hypothetisch. Ein Liter Benzin kostet heute 1,141 Euro. Vor vierzig Jahren hat er 6,86 Schilling, das wäre circa ein halber Euro. Hätten sich Bahnfahrkarten, Semmeln oder Wein im gleichen Zeitraum preislich genauso verhalten, würde das Semmerl heute knapp über zehn Cent und eine ÖBB-Vollpreisfahrkarten von Wien nach Salzburg um die zehn Euro kosten. Vergleichsweise billig geblieben sind Kaffee, Kakao und Unterhaltungselektronik. Die Rohstoffe dafür kommen nicht aus Europa. Und wenn „die da unten“ „unser“ Öl für Kraxn und Billigstflieger und „unser“ Edelmetall für das mobile Endgerät nicht billig genug heraus rücken, haben wir Mittel und Wege, sie durch ein paar Finanztransaktionen an den Börsen zu Raison zu bringen.

Weltfremd

Wie auch immer, der Rudl wird diese Woche so tun, als müsste man mit Energie immer noch sparsam umgehen. Er hat die Heizung in seinem Weinkaufsladen abschalten, den Frigidär detto und die Tür bleibt auch zu, wobei diese Wintersperre zugegebenermaßen andere Gründe hat. Das Eis am Neusiedlersee zum Beispiel. Oder die Einheizmatura. Und offen hat der Rudl ja sowieso nur an Schultagen.

Manchmal hat Herr Rudolf das Gefühl, er ist in der Geschichte stecken geblieben. Und dann denkt er an den Titel vom Kurtl seiner Langspielplatte aus dem Einundneunziger Jahr.

Monsieur Rudolf wünscht Ihnen viel Energie, sich eine Eisdecke auf dem Neusiedlersee und den Klimawandel mitsamt den Schneekanonen zum Teufel!