Das Reindorfgassenfest 2015 ist vorbei und ab jetzt gibt’s keine Würschtl, abgesehen von den Trockenwürsteln der Fleischerei Karlo in Pamhagen.
Vor gut drei Monaten hat Herr Rudolf an dieser Stelle gefühlte vierundsechzig Seiten über eine seiner Lieblingsrebsorten, die Altesse, geschrieben.
An und für sich vierundsechzig Gründe, nicht gleich drei Monate später wieder damit daher zu kommen.
Aber
… jetzt ist es dem Rudl nach jahrelangem Bemühen endlich gelungen, an ein paar Altesse-Reben zu gelangen. Und er hat sie fast drei Wochen lang heil über lange Autofahrten, Ferienwohnungs- und Hotelaufenthalte gerettet. Dem will selbstredend Rechnung getragen sein. Darum steht diese Woche im Zeichen der einzigen Rebsorte, der in Savoyen eine Rebsortenappellation – A.O.C. Roussette de Savoie – zuerkannt worden ist: Altesse in ihrer Bandbreite.
Aromentechnisch
… hat Caviste Rudolf vor drei Monaten das eine und andere von sich gegeben und erspart Ihnen deshalb eine Repetition. Gegebenenfalls kann man dem Rudl seine Ausführungen über Gendergerechtigkeit bei Rebsortennamen und die Freiheit des Erdbeerjoghurts unter dem Titel „Die Hoheit Altesse und die königliche Tafel von Josef Umathum. Eine Urlaubslektüre “ im Newsletter vom 8. Juni dieses Jahres oder unter www.wein-polifka.at nachlesen. Auch dass Altesse oft nach Honig, Mandeln, Haselnüssen und Quitten schmeckt, steht dort. Darum wird sich Rudolf Polifka dieses Mal auf die regionalen Unterschiede der Altesse konzentrieren, so skeptisch er selber diesem Unterfangen gegenüber steht.
Heute scheint es möglich, einen neuseeländischen Sauvignon Blanc so schmecken zu lassen wie einen südafrikanischen. Ist es dann nicht fragwürdig, bei einer Rebsorte nach geschmacklichen Unterschieden zwischen diversen Crus zu suchen, wenn die äußerstenfalls achtzig Kilometer von einander entfernt wachsen? Monsieur Polifka betrachtet die folgenden, der jüngsten Fachliteratur entnommenen Herkunftscharakteristika als Arbeitshypothesen, deren Gehalt man diese Woche in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils untersuchen kann.
Seyssel
… liegt sechzig Kilometer nördlich von Chambéry. Altesse soll dort tendenziell nach Veilchen schmecken. Verifizieren oder Falsifizieren wird man das an der
Altesse 2013 von Georges Siegenthalers Garagenweingut Domaine de Vens-Le-Haut können.
Serrières-en-Chautagne
Ob Weine der aristokratischen Rebsorte in Frangy – wie in der Fachliteratur angegeben – nach Marillen schmecken, muss bis auf Weiteres ungeprüft bleiben. Der Rudl hat keinen von dort. Allerdings befindet sich gut zwanzig Kilometer südlich von Frangy Serrières-en-Chautagne, wo Monsieur Jacques Maillet hoch oben am Berg hoffentlich noch lange nicht in Pension geht. Seine Altesse wird möglicherweise erahnen lassen, ob das mit den Marillen in Frangy stimmen kann.
Marestel
In Jongieux gibt es den Cru Marestel, benannt nach Claude Marestel, dem weisen Oberkellner von Graf Emmanuel-Philibert aus dem sechzehnten Jahrhundert. Der Wein schmeckt nach Passionsfrucht, gegrillten Mandeln, weißen Trüffeln und Palmherzen. Dass der Marestel von der Domaine Dupasquier, wenn er zwanzig Jahre oder älter ist, nach weißen Trüffeln schmeckt, davon haben sich die Geschmacksrezeptoren von Monsieur Rudolf schon eigenhändig überzeugen können. Ob dieser Geschmack auch schon im 2010er zu finden ist, wird zu ermitteln sein.
Monterminod
Geschmack nach Grapefruit, Ananas, Wachs und Honig wird ihm zugeschrieben. Nicht einmal zehn Kilometer davon entfernt ist die Altesse 2011 von David und Frédéric Giachino aufgewachsen. Sie wird diesen Teil von Savoyen vertreten.
IGP Isère
Etwa zwanzig Kilometer außerhalb Savoyens, im Departement Isère, hat Nicolas Gonin 2005 das Weingut seines Onkels übernommen und auf biologischen Weinbau umgestellt. Seine Altesse 2013 muss den sogenannten „Rest der Welt“ repräsentieren.
Albertville
Gleich hinter dem Kirchturm von Saint-Sigismond in Albertville erheben sich die Weingärten, die Jean-Yves Peron gepachtet hat. Und aus den Trauben, die dort wachsen, macht er den, soweit de Rudl weiß, einzigen Orangewine aus Altesse, möglicherweise einen der extremsten, die Herr Rudolf je getrunken hat: La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron
Quartz
Dann ist da noch Cevins, am Weg von Albertville hinein nach Val d’Isère. Dort ist die längste Zeit Wein gewachsen. Und dann ziemlich lange Zeit kein Wein mehr, bis Michel Grisard und Brice Omont sich in den Kopf gesetzt haben, dort wieder einen Weingarten zu pflanzen, auf bis zu 60 % Hangneigung. Während der Rudl Argile und Schiste von der Domaine des Ardoisières schon das eine oder andere Mal glasweise kredenzt hat, harrt Quartz bis jetzt geduldig seiner Ausschank-Premiere. Bis jetzt. Es handelt sich beim Quartz um reinsortige Altesse. In der Regel steht Altesse fast ausschließlich auf Kalk. Quartz steht, genauso wie La Grande Journée auf Glimmerschiefer und Quarz und ist, soweit Caviste Rudolf weiß, die teuerste Altesse Savoyens und damit der Welt, zumindest wenn man gereifte Exemplare dieser Rebsorte außer Acht lässt.
Die Revue du Vin de France bezeichnet die Domaine des Ardoisières als das vorrangig zu entdeckende Weingut, das symbolhaft für die Qualitätsrenaissance in dieser Region steht.
For something completely different: Wurzeln
Dass die Rebsorte Altesse von der verrückten Henne und Tochter des Königs von Zypern und Jerusalem, Anne de Lusignan, nach Savoyen gebracht worden sei, dürfte so wenig historisch sein wie die ungleich unsympathischere These, dass sie einem Kreuzzug des Grafen Amédée VI. zu verdanken sei.
Letzte Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Altesse aus der ungarischen Familie des Furmint stammt. Diese Weine waren seinerzeit dem Herrscherhaus vorbehalten. Darum der Name „Altesse“ – die Hoheit. Das halten zumindest der renommierte Ampelograph Pierre Galet und das in diesen Belangen auch nicht ganz unerhebliche Schweizer Institut de Changins für wahrscheinlich.
Vielleicht ist das genau die Zeit, Altesse zu trinken. Und vielleicht erinnert sich zufällig irgendwer in Ungarn, welche großartigen Beiträge dieses Land früher einmal zur Geschichte des Kontinents geleistet hat.
Herrenhof Lamprecht
Und dann ist es Zeit, wieder einmal den Furmint 2013 vom Herrenhof Lamprecht aufzumachen. Es ist Gottfried Lamprecht nicht hoch genug anzurechnen, diese Rebsorte wieder in die Steiermark zurück gebracht zu haben. Allfällige verwandtschaftliche Beziehungen zur Altesse können bei dieser Gelegenheit rekonstruiert werden.
Rebsortencharakteristika
Altesse reift sehr spät und nimmt in der Vollreife einen roten Farbton an. Sie steht gerne auf kargen Kalkböden, erweist sich als relativ resistent gegenüber Fäulnis und Oidium, aber anfällig für Peronospora, Trauben eher lockerbeerig, Beeren elliptisch.
Speisebegleiter
Évelyne Léard-Viboux bezeichnet Altesse als „grande dame qui a la classe de coeur“, die besonders auf Hechtnockerl (Lyoner Spezialität) oder Felchenfilet (Genfer See), beides reich an Omega-3-Fettsäuren, reflektiert. Ernährungsstudienrat Polifka nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie darauf hinzuweisen, dass es ausgesprochen willkommen ist, wenn Sie sich das Essen zum Wein selber mitbringen, quasi Weinbegleitung in Form von Jause oder – falls Sie logistische Herausforderung schätzen – warum nicht Hechtnockerl oder Felchenfilet.
Altesse 2013, Domaine de Vens-Le-Haut, AOC Seyssel
Altesse 2013, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOC Vin de Savoie
Marestel 2010, Domaine Dupasquier, Jongieux, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2011, David et Fred Giachino, Chapareillan, AOC Roussette de Savoie
Altesse 2013, Nicolas Gonin, Saint-Chef, IGP Isère
Quartz 2012, Domaine des Ardoisières, Cevins, Vin de Pays d’Allobrogie
La Grande Journée 2012, Jean-Yves Peron, Albertville, Vin de France
Furmint 2013, Herrenhof Lamprecht
… soweit das wie fast immer nicht ausschließliche Programm der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils
am Donnerstag, den 17. September und am Freitag, den 18. September
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Neuigkeiten im Flaschensortiment
Ab sofort sind Grüner Veltliner Steinfeder 2014, Grüner Veltliner Federspiel Klostersatz 2014 und Riesling Smaragd Achleiten vom Weingut Schmidl in Dürnstein, sowie ein Grüner Veltliner Landwein im Doppler vom Weingut Staringer in Stillfried (Weinviertel) verfügbar.
Herr Rudolf wünscht Ihnen einen anregenden Start in das neue Bildungsjahr und sich den lauwarmen Südwind zum Teufel oder zumindest ganz weit weg!