Das stimmt nicht!
Dass Rudolf Polifka kein Freund der nicht wirklichen Netzwerke ist, wird für Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, eine Information mit eingeschränktem Neuheitswert sein. Die Umstände, dass seine materielle Basis nicht, die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils nicht und der Rudl als solches schon erst recht sowieso nicht irgendwo auf diesen unsäglichen Machwerken ein Profil oder einen Account betreiben, kann man als dezente Hinweise darauf, dass der Rudl diese für einen Schas hält, betrachten. Und zwar samt und sonders. Monsieur Rudolf kann auch die Hinweise, dass Medien grundsätzlich wertfrei seien und es auf die Art ihrer Nutzung ankäme, nicht mehr hören. Erstens interessieren ihn wertfreie Sachen sowieso nicht. Und zweitens findet er es aus mathematischer Sicht unangebracht, etwas, das nachweislich und anhaltend zu 75 Percent sinnfrei, zu 23 Percent destruktiv und zu 2 Percent konstruktiv genutzt wird, als „wertfrei“ zu bezeichnen. Wenn jemand daher kommt, sich das Attribut „sozial“ selbst anmaßt und so tut, als wolle er einem eine Wohltat erweisen, tatsächlich einen aber nur anschnort, dann hat den Rudl das schon als Halbwüchsigen narrisch gemacht. Darum ist er für ein umfassendes Bettelverbot für die Datenbettlerbanden im digitalen Raum, und zwar für eines mit drakonischen Strafen im Falle von Zuwiderhandeln.
Eine diese Bettlerbanden verspricht Hilfe beim Suchen. Jetzt ist der Rudl keiner, der mit den offiziell anerkannten Heiligen samt ihren Zuständigkeitsbereichen besonders viel anzufangen wüsste. Auch hat der Rudl grundsätzlich nichts gegen das Suchen. Gar nicht so selten kann er dem Suchen sogar mehr abgewinnen als dem Finden. So oder so, hätte er im Internet die Wahl, würde sich sogar der Rudl beim Suchen hundertmal eher an den Heiligen Antonius anstatt an eine Maschine wenden.
Trotzdem hat ungebetener, unersuchter und unverschämter Weise eine dieser Datenbettlerbanden ein Profil von der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils erstellt. Als der Rudl darauf gekommen ist, dass dort seit vier Monaten falsche Öffnungszeiten stehen, hat er mindestens 25(!) Mal gebeten, diese zu korrigieren. Die Datenbettlerbande hat dazu von ihm verlangt, sich bei ihr registrieren zu lassen und also einen ganzen Haufen Daten herauszurücken. Geändert haben diese Wappler nichts. Letztklassig!
Fasching ist.
Im Unterschied zu den vergangenen Jahren verfolgt der Rudl den Höhepunkt des Wiener Faschings heuer nicht in seinem Geschäft. Das ist seit Oktober 2016 am Donnerstag nämlich zu, auch am Opernballdonnerstag. Deshalb heuer keine Knacker und keinen Doppler, zumindest nicht im Geschäft.
Doch Caviste Rudolf erweist dem bunten Treiben diese Woche am Mittwoch und am Freitag durch die Ausschank von sechs ungewöhnlichen Schaumweinen die Reverenz, freilich nicht ausschließlich mit diesen sechs Schaumweinen.
Der Cavistenkollege Serge Alexandre aus der Nähe von Annecy hat vor zwei Jahren einen interessanten Versuch unternommen. Er hat eine Palette Wein ein Jahr lang im Lac d’Annecy versenkt. Nachdem er die Palette wieder herausgezogen hatte, hat er die Weine im Duett mit einem gleichen Wein nicht versenkter Provenienz verkauft. Der Rudl hat vorigen Sommer noch so ein Paarl erstanden, den versenkten Bugey Méthode Traditionelle von Franck Peillot mit seiner unversenkten Kolleginnenflasche.
Bugey kann man als die Verbindungsappellation zwischen dem Jura und Savoyen sehen. Das spiegelt sich auch in den Rebsorten wider. In Montagnieu keltert Franck Peillot einen Schaumwein aus zwanzig bis dreißig Percent Altesse und Chardonnay. Die längste Zeit hat man die Schaumweine aus Bougey „le champagne des Loyonnais“ genannt. Lyon ist quasi um die Eckn.
Sie können jetzt natürlich sagen: „Was kommt er jetzt mit seinem Versinkmotiv daher? Das hätte doch nach der Wahl einer Disney-Figur zum Präsidenten der USA viel besser gepasst.“
Und da haben Sie sicher recht. Aber den Fasching findet der Rudl auch nicht die allerunpassendste Occasion dafür. Und als der dämliche, grinsende Daumennachobenstrecker gewählt worden ist, hat Rudolf Polifka es für nicht ausgeschlossen gehalten, dass es bald auch hierzulande zum Versinken werden könnte. Das ist, Gott sei Dank, nicht eingetreten.
Vom versenkten und vom unversenkten Bugey hat der Rudl jeweils nur ein Flascherl. Das heißt, es könnte bei hoher Frequenz am Mittwoch (Ja, am Mittwoch, für den Fall, dass jemand von der Datenbettlerbande mitliest!) spätestens am Freitag bei diesem Schaumwein eng werden.
Aber das wird sowieso nicht die einzige CO2-Kuriosität in dieser Woche sein:
Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland
Hätte Sepp Muster eine Schwäche für Prüfnummern, hätte ihm dieser Sauvignon Graf vielleicht das eingetragen, was den Kurtl und den Rudl Zeit ihrer Leben plagt: ein veritables Schlafdefizit.
Graf Sauvignon 2011 dürfte das Gegenteil von einem Hudler sein, zumindest beim Gären. Vielleicht ist er aber auch nur nicht ausgesprochen willensstark. Irgendwann hat der Wein aufgehört zu gären. Trocken war er da noch nicht. Sepp Muster wäre vermutlich nicht Sepp Muster, wenn er so etwas nicht akzeptieren könnte. Darum hat er den Wein gefüllt. Der Wein dürfte dann in der Flasche jedoch seine Lebensplanung geändert haben, wie ein ehemaliger Bundeskanzler der Republik das einmal ausgedrückt hat, und hat die Gärheferln zu einem Comeback überredet. So eine Gärhefe wird man sich in letzter Konsequenz ja auch nicht anders vorstellen müssen als einen begnadeten Musikanten und Doktor.
In den Flaschen von Graf Sauvignon 2011 muss dann ein ziemliches Theater losgewesen sein, vergleichbar vielleicht mit dem in einer großen Pause ohne Gangaufsicht an einer Bubenschule. The rest, as they say, is history. Der erste Schaumwein aus dem Hause Muster. Ein Pétillant Naturel der unhysterischen Art, wenn Sie so wollen. Der Herr des Hauses hat dann für den Export nur mehr den Stoppel mit einer halblangen Kapsel vor etwaigen weiteren Spontaneitäten geschützt. Heute ist Graf Sauvignon 2011 im Noma wie im Steirereck eine äußerst geschätzte Essensbegleitung.
Crna und Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija
Und noch ein Paar, nicht versenkt & unversenkt, sondern hell und dunkel, wobei Bela auf der Maische gegoren haben dürfte. Crna ist rot und zwar nicht rot im Sinn vieler Blaufränkischsekte, sondern wirklich rot, wenn nicht dunkelblau bis schwarz. Teran nach der Méthode Traditionelle. Vom hellen hat der Rudl mehr, vom dunklen nur eine Flasche.
Paarungen, der Fasching und das Touchscreen
Im Fasching geht traditionell etwas weiter. Die Geburtenraten im November sind kein Lercherl. Ob man so weit gehen kann, den Fasching als Paarungszeit zu bezeichnen, das weiß der Rudl nicht. Sollte es früher so gewesen sein, wäre immer noch die Frage, ob sich das heute auch so verhält. Der Rudl würde, jetzt einmal ganz ehrlich gesagt, sowieso nicht seine Hand dafür ins Feuer legen, dass es Paarungsverhalten klassischer Art im Zeitalter der Digitalisierung noch gibt. Wenn Monsieur Rudolf heute Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, nicht nur jüngere, bei weit weniger intimen Kommunikationen beobachtet und dabei gewahr wird, dass oft kein Sinn zwischen die beiden Kommunikanten passt, weil dort neben den zwei mobilen Endgeräten kein Platz mehr ist, dann tut er sich schwer bei der Vorstellung, dass da noch etwas rennt, das man nicht hochladen, teilen oder liken kann. Aber der Rudl ist bekanntlich katholisch. Als solches findet er die sterile Prüderie eines Touchscreens ungefähr so aufregend wie die aufgeblasenen, grinsenden Plastikpüppchen auf den Gesellschaftsseiten der Wiener Qualitätspresse.
Wenn Sie wollen, können Sie vermutlich auch eine Schaumweinflasche als etwas Aufgeblasenes betrachten, zumindest was die Prämissen für Luft betrifft. Die sind ja in der Flasche drin, auch wenn man sie in geschlossenem Zustand nicht sieht. Darauf hat der Kurtl einmal in einer Trost & Rat Sendung im Zusammenhang mit einer Flasche Bier hingewiesen. Aber bei so einer Schaumweinflasche hat man etwas in der Hand, kein Vergleich mit einem asketischen Touchscreen. Wenn Sie so wollen, sieht der Rudl die Schaumweinflasche als Verkörperung des Faschingsdienstags, das Touchscreen als die des Aschermittwochs. Darum fastet Monsieur Rudolf beim Touchscreen leidenschaftlich, zumindest wischmäßig. Zum Schneiden von Speck oder Comté kann man die Brettln ja verwenden.
Chêvre, Château la Tour de Marignan
Dass ein französisches Weingut keine Homepage hat, ist nicht so ungewöhnlich. Dass im Bettane & Desseauve bei einem Weingut wie Dupasquier erst seit wenigen Jahren eine E-Mail-Adresse angegeben ist, das weiß der Rudl mittlerweile auch einzuordnen. Dass ein Weingut mit relativ doch recht elevierten Preisen wie Château La Tour de Marignan in keinem der ganz namhaften Weinführer erwähnt ist, versteht Caviste Rudolf, seit er weiß, wie diese Weinführer zustande kommen. Hätte er Die Fackel von Karl Kraus nicht nur gelesen, sondern noch ernster genommen, dann hätte ihn das auch viel weniger überrascht. Aber dass man zu Château la Tour de Marignan eigentlich nur hinfahren kann, wenn man etwas darüber wissen will, das gefällt dem Rudl schon wieder. Und das schon seit acht Jahren. Die Weine von Bernard und Olivier Canelli hätte Monsieur Rudolf vor fünf Jahren um ein Haar ins Sortiment befördert. Die Schweizer Preise und die Domaine Delalex haben letztendlich dagegen gesprochen. Als Privatier hat der Rudl seit 2009 noch keinen Frankreichurlaub absolviert, ohne bei den Canellis vorbei zu fahren. Einen Wein hat er dabei aber immer ausgelassen, die Chèvre. Allein dass der Wein auf den ersten zehn Einträgen, die die Datensammelbettlerband ausspeibt, mit drei unterschiedlichen Akzenten geschrieben wird, amüsiert Monsieur Rudolf. Dass auf dem Etikett die Variante mit dem Circonflexe verzeichnet und daneben eine Ziege abgebildet ist, deutet der Rudl als Hinweis auf die Korrektheit dieser Schreibweise. Wie auch immer: Chasselas, Rum, Vanille, Rohrzucker und rote Beeren, eine „spécialité savoyarde“, wie es am Etikett steht. Der Rudl hat beim letzten Besuch die Unterrichtseinheit mit den ungewöhnlichen Schaumweinen schon im Hinterkopf gehabt und ist deshalb an der Chêvre nicht vorbei gekommen. Man wird sehen, etwas frei nach dem Kurtl: „mit den Papillen sehen“.
Die folgenden sechs Schaumweine
- Chêvre, Château la Tour de Marignan (3/5)
- Bela, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
- Crna, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slovenija (5/8)
- Sauvignon Blanc Graf 2011, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (5/8)
- Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (versenkt) (3/5)
- Bugey Méthode Traditionelle, Franck Peillot, AOP Bugey (unversenkt) (3/5)
…, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise
am Mittwoch, den 22. Februar und am Freitag, den 24. Februar
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!
Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 1. und 3. März:
endlich wieder eine kleine Vertikale
Herr Rudolf grüßt alle analogen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen!