Eine Appellation ist eine Ernennung. Und eine Appellation d’Origine Contrôlée ist in Frankreich und in der Schweiz eine Ernennung zu einem bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnis, das
– auf mehr oder weniger traditionelle Art erzeugt worden ist,
– dessen Zutaten aus einem abgegrenzten Gebiet stammen
– dessen Eigenschaften annähernd konstant sind
– und dessen Herstellung überwacht wird.
Zuständig für die Überwachung ist beim französischen Wein das INAO, das Institut National des Appellations d’Origine des Vins et des Eaux de vie. Abgesehen davon kann eine Appellation fast alles Mögliche sein. Es gibt Appellationen, in denen ein einziger Weinbauer Reben stehen hat, zum Beispiel die AOC Savennières Coulée de Serrant. Dort wächst nur Wein von Nicolas Joly, und von dem nicht sein ganzer. Und es gibt Appellationen, die sich über eine Fläche von fast 50 000 Hektar erstrecken, wie die AOC Bordeaux. Das ist beträchtlich mehr als die gesamte Rebfläche Österreichs, sogar dann wenn man die Region Weinbauregion Bergland dazu zählt.
Irouléguy ist weder das eine noch das andere. Es ist eine eher kleine und mit Abstand die süd-westlichste Appellation Frankreichs. Sie umfasst etwa zweihundert Hektar, von denen 154 auf die Winzergenossenschaft „Cave d’Irouléguy“ in Saint-Etienne-de-Baigorry entfallen. Die hat 1954 begonnen, die letzten Bauern, die noch Wein kultiviert haben, zusammenzuführen. Ab den Achtziger Jahren hat man dann gezielt Rebsorten selektioniert. Und dann haben immer mehr Winzer angefangen, wieder selber zu vinifizieren und abzufüllen. Jetzt sind es neun, 2000 waren es fünf. Aus Freude darüber und auch weil die „Tour den France“ am Dienstag in die Pyrenäen abbiegt, öffnet der Rodl diese Woche von jedem Winzer der Appellation Irouléguy, der einen hat, einen Rosé. Denn der Rosé, vorwiegend aus der Traube Tannat, findet auf dem kargen, stark eisenhältigen Sandstein rund um den Mont Jara ideale Bedingungen, gerade so wie im Kernland des Rosé zwischen Maures und Fréjus in der Provence. Der Lavendel fehlt in Irouléguy, aber der Rosé wird sich darob hoffentlich nicht allzu sehr kränken.
Von jedem Winzer einer Appellation einen Wein, noch dazu vom selben Jahrgang, mehr oder weniger derselben Farbe … nicht dass der Monsieur Polifka „einedrahn“ möchte, aber so oft gibt es sowas nicht, das können Sie ihm ruhig glauben. Und dann geben diese neun Weinbaubetriebe auch namenstechnisch-phonologisch allerhand her. Die alle richtig auszusprechen, das erfordert vermutlich schon ein Semester auf der FH für baskische Weinbaumeisternamenaussprechung oder so. Darum hier in alphabetischer Reihenfolge:
Domaine Abotia
Domaine Ameztia
Domaine Arretxea
Domaine Brana
Domaine Etxegaraya
Domaine Gutizia (ab Jahrgang 2011)
Domaine Ilarria
Cave d’Irouléguy
Domaine Mourguy
Dann gäbe es noch, ein bissl abgelegen, die Domaine Bordatto. Aber die ist auf Lagencidres spezialisiert und füllt daneben einen Rotwein aus reinem Tannat ab, keinen Rosé, ganz zu schweigen von einem Weißen.
Ihren Ursprung hat die Appellation Irouléguy bei den Jakobsweg-Pilgern. Sie liegt nämlich dort, wo zwei Zubringer einander treffen, knapp vor dem Col de Ronceveaux. Genau! Dort haben am 15. August 778 ein paar ortskundige Basken sich nicht anderes zu helfen gewusst, als die Nachhut einer Armee, die sie zuvor selber um Hilfe gerufen hatten, zuerst vom Feldzug abzuschneiden, dann in ein Tal abzudrängen, um „am Ende des Tages“ zu besiegen. Die Armee war eine von Karl dem Großen. Hätten sie sich eigentlich vorher schon denken können, die Basken, dass ein unguter Patron wie der Karl nicht in allererster Linie ihr Wohl im Auge hat, wenn man den um Hilfe bittet. Aber es ist halt vieles eine Frage der Situation, in der man sich gerade befindet. „Situationselastisch“ hat ein besonders mutiger österreichischer Staatsmann einmal gemeint. Und dann haben die damals natürlich noch kein Internet gehabt. Und die ganze Propagandamaschinerie um Karl, zumindest was den überlieferten Teil davon betrifft, ist erst später richtig angeworfen worden. Die hätte ihnen auch nicht weiter geholfen, den Basken, weil die war jetzt fast ausschließlich karlfreundlich, die überlieferte, wie gesagt.
Der Phaffe Chunrât hat die altfranzösische „Chanson de Roland“ im zwölften Jahrhundert ins Mittelhochdeutsche übertragen. Und dort wird in 9094 Versen dem Karl gehuldigt. Auftraggeber war Heinrich der Löwe. Nur dass der damals keine Inserate geschalten hat. Das war damals alles noch ein bissl direkter. Gegen Ende seines Werkes versichert uns Chunrât übrigens:
„ich nehân der nicht gemêret,
ich nehân der nicht überhaben“
Er hat also nichts hinzugefügt und nichts weggelassen, gerade so wie heute die Edelfedern in der „So …“- und „… exklusiv!“-Presse.
Auf alle Fälle ist der Col de Ronceveaux einer der Berge um Irouléguy. Die Böden sind karg, und steil, weswegen in den Siebziger Jahren Terrassen angelegt worden sind. Früher hat man gesagt, dass die Namen der Rebsorten mehr gesungen haben als die Flaschen. Das ist nicht mehr ganz so. Aber den Rodl begeistern diese Namen schon ziemlich. Die französische Bezeichnung „Petit Manseng“ ist ja schon nicht zu verachten, aber nix gegen deren baskische Entsprechung „Ixiriota Xuri Ttipia“. Und jetzt vergleichen Sie „Ixiriota Xuri Ttipia“ einmal mit einem Wort wie „Zweigelt“ oder „Sämling 88“. Sie verstehen, was der Rodl meint. Die Weine sollen früher hart gewesen sein, für die robusten Mägen der Bergbewohner. Aber Weinstile ändern sich, nicht immer nur zu ihrem Nachteil.
Das Terroir von Irouléguy besteht aus einem ziemlich einzigartigen geologischen Mosaik. Dabei dominieren drei Gesteine:
Sandstein aus der unteren Trias an den Abhängen des Mont Jara
Rund um das Pilger-Epizentrum Saint-Jean-Pied-de-Port bestehen die Hügel der oberen Trias aus Ton, Salzminen, ein paar Steine, deren französische Bezeichnungen weder das dicke grüne Wörterbuch noch das Internet ins Deutsche zu übertragen weiß und dem äußerst basischen, vulkanischen Ophite, auf dem der Pantxuri von der Domaine Arretxea wächst.
Dann gibt es natürlich auch Kalk, allerdings nicht aus der Trias, weder aus der oberen und auch nicht einmal aus der unteren, sondern aus dem Jura. Da wächst zum Beispiel der Irouléguy blanc von der Domaine Ilarria.
Lange Zeit hat man das alles für den idealen Nährboden für Tannat gehalten, weil der halt nicht weit weg in Madiran ein ziemlicher Renner ist. Einigen experimentierfreudigen Winzern ist es zu verdanken, dass man immer mehr das Potential dieser Böden für Weißwein erkennt. An deren Spitze Thérèse und Michel Riouspeyrous von der Domaine Arretxea. Die Suche nach gereiften Weißweinen von denen ist circa so wie die nach dem Heiligen Gral.
Zehn Rosés aus Irouléguy von neun verschiedenen Weinbaubetrieben, nicht ganz ausschließlich, aber fast, diese Woche
am Dienstag und am Mittwoch und am Donnerstag und auch noch am Freitag
jeweils von 19(!) bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22
Freitag, der 25. Juli ist dann der letzte Öffnungstag in diesem Studienjahr. Der Rodl begibt sich dann auf Dienst-, Studien- und Kulturreise (letztere nur bis zur Kaiserwiese). Am Mittwoch, den 3. September sperrt er dann wieder um 16 Uhr auf. Wenn Sie für die Zeit dazwischen einen Wein brauchen, sagen wir einen Rosé aus Irouléguy, oder einen anderen, für den Balkon, für den Garten oder für die Kaiserweise, dann können Sie den diese Woche noch in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ erwerben.
Und wie gesagt: Der Rodl freut sich, wenn Sie – sagen wir vorher, was weiß er, über den Naschmarkt spazieren und sich eine Jausn kaufen, zum Beispiel einen Ossau-Iraty, den berühmten Schafskäse aus dem Baskenland (der ist auch eine Appellation d’Origine Contrôlée) und ein Wachauer Laberl oder was, aber der Rodl möchte sich da auf gar keinen Fall nicht in Ihre Jausngewohnheiten einmischen. Das war jetzt nur ein Beispiel. Und dann können Sie diesen Ossau-Iraty oder was Sie sich halt zum Jausnen mitnehmen, gerne in seiner Weinhandlung zu sich nehmen. Brettln und Messern stellt er Ihnen gerne zur Verfügung.
Auf den Ixiriota Xuri Ttipia und ein paar andere baskische Reben!
Rodolphe Polixa
Noch 32-mal schlafen.