Ein neuer Roter vom Vulkan, ein ganz Reifer und ein Querschnitt der Rotweine von den beiden Traditionsweingütern in Irouléguy

Eines der schönsten Erlebnisse des letzten Sommers war für den Rudl sicher der Besuch in seiner Lieblingsappellation Irouléguy am Fuße der Pyrenäen. Exakt zehn Jahre nach seinem letzten Besuch dort war das fast schon ein bissl unwirklich. Und es war wunderschön zu schmecken, wie sich diese vormals eher belächelte Appellation – das können Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, etwa im Buch Terroir von James E. Wilson nachlesen – entwickelt hat. Aus dem Glas heraus wurde dem Rudl wieder bewusst, was für ein Glück er hat, mit solchen Weinbäuerinnen und Weinbauern arbeiten zu dürfen.

So begeistert ist der Rudl aus dieser Appellation zurück gekommen, dass er weniger Tage danach glasweise weiße Irouléguys gewürdigt hat. Dies schreit förmlich danach, dem Gebot der Ausgewogenheit gerecht zu werden, und den roten die Reverenz zu erweisen.

Irouléguy Rouge

Verfolgt man auch nur oberflächlich die mehr oder weniger regelmäßig kundgetanen Zeilen von Caviste Rudolf Polifka, kann man schon den Eindruck haben, dass es sich bei der südwestlichsten französischen Weinappellation um eine Weißweinappellation handelt. Aber weniger könnte unzutreffender sein als das. Über einen etwas längeren Zeitraum betrachtet ist Irouléguy so etwas wie ein Synonym für Tannat und damit Tannin. In den neunziger Jahren ist dann Michel Riouspeyrous nicht nur nach Irouléguy zurück gekommen, sondern vor allem auch dort akribisch der Geologie auf den Grund gegangen. Diese Akribie führte 1997 zum Hégoxuri, der wiederum dem Weißwein in der Appellation quasi die Rutsche gelegt hat. Ganz außer Acht darf man dabei vermutlich seine Frau Thérèse, eine Elsässerin, nicht lassen. Seither ist die Anzahl der Weißweine in dieser Appellation stetig gewachsen.

Und jetzt gibt es dort Weinbauern, die ausschließlich Weißwein machen. Battit Ybargaray etwa ist so einer.

Zurück zum Tannat

 

Wenn Sie den Rudl fragen, dann ist Tannat mindestens genauso unterschätzt wie gesund. Auf das vor allem dem Herzen ziemlich zuträgliche Procyanidin hat Sie der Rudl etliche Male hingewiesen, darauf dass das Klischée von der tanninbedingten Unzugänglichkeit dieser Rebsorte zwar einen langen Bart hat, aber umso überholter ist, auch. Damit möchte Herr Rudolf dem Tannat keineswegs eine Gefälligkeit wie der Rebsorte Rotburger anhängen. Aber so wie Tannat heute in den allermeisten Fällen vinifiziert und von den Cabernets maitrisiert wird, kann von einer zwanzigjährigen Wartezeit auf diese Weine keine die Rede mehr sein.

 

Wetter

 

Die paar Hügeln vor den Pyrenäen, auf die sich die Appellation Irouléguy erstreckt, sind um die tausend Meter hoch, ihre Westhänge meistens sehr grün, weil der Wind die Wolken vom dreißig Kilometer entfernten Atlantik herein trägt, die Wolken es dann aber nicht ganz über die Berge derpacken und als Regen herunter fallen …“, das hat Ihnen der Rudl seinerzeit geschrieben. Aber kaum etwas wäre letzten Sommer weniger zutreffend gewesen als diese Zeilen.

 

Steine. Eine Wiederholung

 

Als umso stabiler erweisen sich die Steine in dieser Appellation. Das vom Geologen Yves Hérody diagnostizierte geologische Mosaik Irouléguy wird im Großen und Ganzen nach wie vor von vier Terroirs dominiert:

 

Roter Sandstein

 

stammt aus dem unteren Trias, ist also knapp 230 Millionen Jahre alt. Die vom Sandstein dominierten Weingärten weisen einen hohen Eisengehalt auf, sind sauer und oft in Terrassen angelegt.

 

Kalk aus dem Jura

 

supportiert vor allem die Rebstöcke der Domaine Ilarria, ist gut fünfzig Millionen Jahre jünger, aber auch ganz schön alt.

 

Schiefer

 

sind älter als Sandstein und Kalk, trotzdem aber nur zufällig der Boden, von dem die Domaine Arretxea in den neunziger Jahren ihren Ausgang genommen hat.

 

Vulkanischer Ophite

 

ist im Gegensatz zum Sandstein basisch und liegt als Streusplitt in der Einfahrt zur Domaine Arretxea. Vielmehr weiß der Rudl darüber nicht, denn er ist gstudierter Theologe, nicht Geologe.

 

Rebsorten sind Geschichte. Noch eine Wiederholung

 

Weinbau ist in Irouléguy bis ins zwölfte Jahrhundert nachweisbar. Im fünfzehnten Jahrhundert ist Basse Navarre, sozusagen Niedernavarra, unter Heinrich IV. zum Königreich Frankreich gekommen. Das Letzte, was Frankreich von dieser Region wollte, war Wein. Darum ordnete man den Mönchen von Roncevaux an, die Weingärten stillzulegen. Haben die die neuen Machthaber nicht verstanden oder haben sie sich denen widersetzt? Die Weingärten stillgelegt haben sie auf alle Fälle nicht. Im Gegenteil. Bis ins neunzehnte Jahrhundert ist die Rebläche auf 1700 Hektar angewachsen. Um ein Haar hätte die Reblaus dem Weinberg den Garaus gemacht. 1954 haben sich dann die letzten Weinbauern zu einer Genossenschaft zusammen geschlossen. Viele Hektar Weingärten waren da nicht übrig. Ab den Achtziger Jahren hat man dann begonnen, Reben zu gezielter selectionnieren und auf die einzelnen Terroirs abzustimmen, tendenziell mit eher fruchtigen Weinen auf Sandstein, weicheren auf Kalk und körperreicheren auf den Ton-Dolomit-Ophit-Verwitterungsböden. 1970 wurde Irouléguy der Status einer Appellation zuerkannt. Die Genossenschaft ist heute eine der renommiertesten Frankreichs und das, obwohl die Zahl der Winzer, die selber vinifizieren, Jahr für Jahr steigt. 2000 waren es fünf. Als der Rudl 2016 diesen Text geschrieben hat, waren es neun. Heute sind es neunzehn.

Die Autoren der N° 4 von Les Feuilles du Pin á Crochet haben das vor über zehn Jahren gewusst. Sie beschreiben Irouléguy 2003 als „vignoble en pleine expansion“, „qui va sûrement progresser dans les décennies à venir“.

  • Dolia rouge 2019, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6/9)Amphoren sind alles andere als eine neue Errungenschaft im Weinbau. Quantitativ ins Gewicht fällt der Ausbau von Wein in Amphoren im Westeuropa der Neuzeit allerdings erst mit der Naturweinwelle. Das könnte der Grund sein, warum viele Studierende Amphoren mit Orangewein assoziieren. Aber man kann natürlich Wein jeder Weinfarbe in einer Amphore ausbauen. Im Fall von Michel Riouspeyrous war es die Begeisterung für die Schönheit der Amphoren, die der Töpfermeister Goicoechea aus baskischer Letten fabriziert. Wenn etwas so schön ist, dann muss es fast auch gut sein, so die Arbeitshypothese, mit der Michel an die Arbeit mit Amphoren gegangen ist. Dann hat er ausprobiert, wie das neue Gebinde mit unterschiedlichen Rebsorten und Böden kollaboriert. Dabei hat er ermittelt, dass Rotwein die Dosis an Sauerstoff, die Ton dem Wein zugänglich macht, besser verarbeitet als Weißwein. Darum baut er seit dem Jahrgang 2019 ausschließlich Tannat assistiert von ein bissl Cabernets in der Amphore aus. Herr Rudolf findet diese Weine außerordentlich gut.
  • Irouléguy rouge 2018, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8) – der Klassiker, vom Nachbarn der Riouspeyrous
  • Irouléguy Tradition 2017, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)50 % Tannat, 27 % Cabernet Franc, 23 Cabernet Sauvignon – zwei bis drei Wochen mazeriert, spontan vergoren, weder Schönung noch Filtration, 18 Monate im Betonei. 2018 hat es diesen Wein gar nicht gegeben, weil es ihn vor der Zeit weggehagelt hat. Vom Siebzehner hat der Rudl ein paar Flaschen zugeteilt bekommen.

Unbedingt ein paar Stunden vorher aufmachen, aber das gilt für alle diese Rotweine. Zu weißem wie rotem Fleisch, vor allem aber zu Lammfleisch.

  • Irouléguy rouge sans soufre ajouté 2017, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6/9)

Tannat, Cabernets und Kalk – achtzehn Monate in Barriques und im großen Holz, ohne Schwefelzusatz

  • Burdin Harria 2020, AOP Irouléguy, Sud Ouest (8/12)Seit dem Jahrgang 2009 baut Michel Riouseyrous einen Teil seiner Weißweine terroirspezifisch aus. Caviste Rudolf, der damals noch kein Caviste war, ist schon ein bissl stolz drauf, dass er das fast von Beginn an mitverfolgen dürfen hat. Er kann sich noch gut erinnern – da war der Zweitausendneuner noch gar nicht gefüllt -, als Michel ihn gefragt hat, ob ihm nicht ein guter Name für die neuen Weine einfalle. Zuerst waren es zwei geologische Cuvées, einer vom Schiefer und vom Sandstein, der andere vom vulkanischen Ophite, dessen Trauben die Riouspeyrous einem befreundeten, biodynamisch wirtschaftenden Weinbauern abgekauft haben. Ab 2011 waren es dann drei, weil Sandstein und Schiefer separat vinifiziert und abgefüllt worden sind. Seit 2016 sind es jetzt wieder zwei, weil Pantxo Indart seine Trauben vom vulkanischen Ophite nicht mehr den Riouspeyrous verkauft, darum Grès (Sandstein) und Schistes (Schiefer). Allerdings haben die Riouspeyrous eine Parzelle mit roten Rebsorten auf vulkanischem Ophite. Aus diesen Trauben machen sie seit 2019 den Burdin Harria. Vom 2020er hat der Rudl sechs Flaschen.
  • Irouléguy Haitza 2017, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (6/9)

75 % Tannat, 25 % Cabernet Sauvignon – 18 Monate in 400 und 600-Liter Fässern aus Manhartsberger Eiche von der Fassbinderei Stockinger. Die Riouspeyrous-Buben haben sich bei der letzten Lieferung für den Rudl ausdrücklich gefreut, dass ihr Warenaustausch mit Österreich ein wechselseitiger ist. Die nicht nur von ihnen, sondern von sehr vielen französischen Weinbäuerinnen und Weinbauern außerordentlich geschätzte Fassbinderei Stockinger schickt den Riouspeyrous von Österreich nach Frankreich immer wieder einmal ein großes Holzfass – für den Haitza zum Beispiel – und die Riouspeyrous von der Domaine Arretxea schicken dem Rudl von Frankreich nach Österreich immer wieder einmal eine Palette Wein.

  • Irouléguy Rouge Haitza 2000, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (8/12)Fragen Sie den Rudl doch einmal, worin sich denn die Weine aus Irouléguy von anderen unterscheiden! Da wird er auf die Schnelle mit Ananas und Gerbstoffen daher kommen, dann aber gleich einmal bei der Lagerfähigkeit dieser Weine sein. Caviste Rudolf Polifka ist sich schon im Klaren, dass attestiertes Lagerpotential so etwas wie ein Statussymbol für einen Wein, der auf sich hält, darstellt. Aber nachvollziehen kann er diese Tugenden nicht bei allen Weinen, denen sie zugeschrieben werden. Erst heuer im Sommer hat der Rudl ein elf Jahre altes Exemplar vom einem Wein, der immer wieder als bester Weißwein der Region Rhône Sud gehandelt wird, studiert. Caviste Rudolf hat eine andere Vorstellung von Lagerpotential.

    Um in Sachen Irouléguy nicht immer nur davon zu schreiben, wie extraordinaire gut diese Weine reifen, wird der Rudl seinen 2000er Haitza öffnen und glasweise kredenzen, zumindest bis auf ein Achtel, das er für sich aufbehalten wird.

 

Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz muss zu einem europäischen Feiertag erklärt werden!

Herr Rudolf hat die Ehre!

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