Vin Jaune. Die jährliche kurze Wiederholung am Stundenanfang
Reinsortiger Savagnin, viel Mergel, ziemlich reif, aber nicht überreif gelesen, trotzdem nicht platt. Gepresst, vergoren, nicht zu früh geklärt, Malo, mindestens sechs Jahre und etwa drei Monate unter einer natürlichen Hefeflorschicht im alten kleinen Fass ohne Nachfüllen des verdunsteten Schwundes von einem guten Drittel der Ausgangsmenge.
Percée du Vin Jaune
Geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, wenn Sie den Rudl fragen, dann muss die Percée du Vin Jaune, die seit 1997 jedes Jahr am ersten Februarwochenende im Jura stattfindet, eine der interessantesten und schönsten öffentlich zugänglichen Veranstaltungen in Sachen Wein sein. Das „muss“ im vorangehenden Satz rührt daher, dass Caviste Rudolf Polifka über die Percée du Vin Jaune nur gelesen hat. Eine Dislocierung ins Jura zu diesem Zeitpunkt hat ihm bislang eine Mischung aus beruflichen und familiären Gründen versagt. Aber wenn Ihre onologischen Ambitionen irgendwo gut aufgehoben sind, dann muss das bei der Percée du Vin Jaune sein. Muss sein. Dort wird nämlich nicht nur der Hefeflor des aktuellen Jahrgangs vom gelben Wein durchstoßen, um den Gelben Wein für Verkostung und Verkauf freizugeben. Heuer ist das der Jahrgang 2017. Als Rahmenprogramm stehen die Keller der Weinbauern offen. Es gibt Konzerte, Vorträge, Ausstellungen und Kochereien. Heuer können Sie bei einer Auktion im Rahmen der Percée einen Vin Jaune aus dem Jahr 1774 ersteigern. Der Ausrufungswert liegt bei 28 000 bis 30 000 Euro.
Savagnin
Jetzt ist es so, dass der Rudl einen Vin Jaune, nämlich den von Étienne Pignier im Sortiment hat. Das ist nicht viel, aber auch wieder mehr als viele andere Weingeschäfte. Und es ist auch nicht genug für eine eigene Vin Jaune-Verkostung. Allerdings ist Vin Jaune stets reinsortiger Savagnin. Der ist die vermutlich älteste bekannte Edelweinrebsorte. Caviste Rudolf Polifka schätzt ihn überaus. Savagnin macht jetzt auch ungefähr das, was Chenin Blanc in den achtziger und neunziger Jahre gemacht hat: an Beliebtheit stark zulegen, und zwar nicht nur im Jura. Darum ist der Rudl in der Lage, Ihnen einen Savagnin aus Südwestfrankreich zu kredenzen. Sogar einer der Weinmeister, mit dem der Rudl die Ehre hat zusammenzuarbeiten, plant die Auspflanzung von Savagnin. Dazu in Zukunft vielleicht einmal mehr.
Domaine Pignier
Die Geschichte der Domaine Pignier reicht einige Jahrhunderte zurück. Seit acht Generationen bewirtschaftet sie als einziges Weingut im Ort dieselben Weingärten. Das hat den Vorteil, dass es keine Pestizid- oder Herbizidwolken aus anderen Weingärten herüber weht, äußerstenfalls dass einmal ein Kuhlimuh sich seines inneren Überdrucks entledigt. Davon gibt es ein paar. Der Streichkäse La Vache qui rit kommt ganz aus der Nähe, aus Lons-le-Saunier. Die Biodiversität an Fauna und Flora dort oben in Montaigu ist atemberaubend.
Das Weingut wird geführt von drei Geschwistern, Marie-Florence, Antoine und Jean-Etienne, seit dreißig Jahren. Eigentlich ist es noch nie anders als biologisch geführt worden, früher bis inclusive zur Regentschaft von Opa Léandre, weil es nichts anderes gegeben hat und seit 1990 weil die Pignier-Geschwister sich für die biologische Bewirtschaftung entschieden haben. Nur dazwischen ist der Vater der drei Geschwister quasi als nicht-biologisches Intermezzo dem industriellen Mainstream gefolgt. Die biodynamischen Präparate begünstigen die Vermehrung der natürlichen Hefen im Weingarten. Fünfundzwanzig Millionen davon in einem Milliliter braucht der Wein, laut Pierre Overnoy, um problem- und acetonfrei spontanzuvergären. Biodynamie hat hier also noch früher als bei Pierre Overnoy Einzug gehalten, wobei man natürlich ergänzen muss, dass Monsieur Overnoy einzelne und zwar ganz entscheidende Elemente der Biodynamie bereits in den achtziger Jahre angewendet hat, die Pigniers wenig später ab 1990. Da haben viele, die sich heute in Dokumentationen über Bioweinbau als Paradebiowinzer wichtig machen, noch nicht einmal gewusst, ob man Bio mit hartem oder mit weichem Verschlusslaut schreibt. Wie die Riouspeyrous von der Domaine Arretxea haben auch die Pigniers mit dem Geologen Yves Hérody zusammen gearbeitet.
Vin Jaune
Der Hauptdarsteller dieser Lehrveranstaltung wächst auf einem südlich ausgerichteten Hang gegenüber der Ortschaft. Blau-schwarz geschieferter Mergel aus dem Lias, der ältesten Phase des Juras vor 206 bis 180 Millionen Jahren. Schonend und möglichst kühle händische Lese in kleinen Kisten, um gesunde Trauben für fünfundzwanzig Hektoliter am Hektar zügig in den Keller zu bekommen, wo sie dann äußerst wenig Schwefel brauchen. Die Karthäuserkeller aus dem dreizehnten Jahrhundert hat der Rudl persönlich inspizieren dürfen. Imposant, to say the least. Eine oenologische Facette der Klimakrise besteht ja darin, dass die Lese heute meistens zu einem Zeitpunkt stattfindet, wo es noch nicht kalt ist, draußen nicht und im Kellern auch noch nicht, wobei freilich viele Keller heute klimatisiert sind. Dem Cellier des Chartreux der Pigniers ist die Klimakrise auch ohne Klimaanlage Powidl. Und es schaut fast ein bissl danach aus, als ob sich die Klimakrise ihrerseits bei diesem resistenten Keller mit besonderer Ekelhaftigkeit in den Weingärten der Pignieres revanchieren würde. Jetzt ist das Jura an sich sowieso nicht die Region, mit der es das Klima besonders gut meint. Das hat es noch nie. Dafür ist das Jura, so ähnlich wie Savoyen, zu ausgesetzt. Da besteht zwischen der ganz heißen und die ganz kalten Luft viel zu oft viel zu wenig Distance. Früher war es dort in manchen Jahren schlicht und einfach zu kalt für den Wein. In Savoyen etwa hat es 1910 so viel geregnet, dass 2400 Weinmeister dem Kellereiinspektor die Arbeit erleichtert und gar keine Ernte angemeldet haben. In Pupillin im Jura hat es 1930, 1931, 1932 und 1933 vier Totalausfälle hintereinander gegeben. 1934 ist dann wieder Wein geerntet worden, aber viele Fässer waren aufgrund der mangelnden Auslastung in den Jahren davor so trocken, dass sich ein guter Teil der Ernte 1934 zwischen den Fassdauben in den Abfluss verabschiedet hat. Heute ist es weniger die Kälte, sondern Wetterextreme wie Spätfrost, Trockenheit und vor allem Hagel, die den Weingärten zusetzen, gar nicht so selten gleich mehrere Jahre hintereinander. So wild, wie es die Pigniers in den letzten Jahren erwischt hat, sind wenige Weingüter drangekommen. 2022 ist der Rudl am Weingut angetanzt und hat gleich begrüßend beteuert, aufgrund prekärer Platzverhältnisse in seinem Kofferraum nur ganz wenig Wein kaufen zu können. Das hat Madame Pignier mit einem Ausdruck großer Erleichterung quittiert. Spätestens da hat der Rudl gespürt, dass der Hut brennt.
Aber retour zum Vin Jaune von Pignier. Keine Zutaten, kein Umziehen und nur die besten Fässer werden dann bis zum Vin Jaune erzogen.
Die dreizehn Percent des Zweitausendsechsers sind für einen Vin Jaune ziemlich am untersten Limit. Das hat mit der kühlen und nassen ersten Jahreshälfte zu tun. Deshalb ist der Wein elegant, erinnert an grüne Walnüsse und Würze. Viel mehr Lagerpotential geht nicht. Zu kräftigen Käsen, allem, was in Saucen badet und asiatischer Küche.
Sauvageon 2020
Südabhang von Montaigu. Sandstein und schwarzgeschieferter Mergel, signifikanter Kalkanteil. Gemischter Satz aus Savagnin blanc, Savagnin jaune, Savagnin vert und Savagnin rosé. Auf eine langsame Presse folgt ein zwölfmonatiger Ausbau im Betonei. In diesem herrscht aufgrund der geometrischen Form eine permanente Zirkulation der Hefen. Ein gewisser Brown hat dieses Phänomen erforscht. Savagnin in einer seiner reinsten Ausdrucksformen.
Trousseau 2022
Selection massale und um der Komplexität Willen ein paar Stöcke Enfariné, sehr alte, resistente und fast ausgestorbene autochthone Rebsorte aus dem Jura. Rebstöcke sehr kurz angeschnitten, strenge Auslese im Weingarten, gerebelt, auch keine Zutaten und zehn Monate Ausbau in größeren Holzfässern, natürlich auch nicht filtriert. Die Affenhitze und ein paar willkommene Tropfen um den fünfzehnten August führen zu einer frühen Lese von überaus gesunden Trauben. Raffinierter und eleganter Wein, der zu fast jeder Art von Braten, Terrinen und Käse passt.
- Savanne 2022, Simon Busser, Vin de France (5/8)
Simon Busser ist weit weg vom Jura. In der Nähe von Cahors. Dort arbeitet er ohne Zugeständnisse an den Chemiekasten und hat schon vor etlichen Jahren Savagnin ausgepflanzt.
- Sauvageon 2020, Domaine Pignier, Montaigu, AOP Côtes du Jura (7/11)
- Trousseau 2022, Domaine Pignier, Montaigu, AOP Côtes du Jura (6,50/10)
- Vin Jaune 2016, Domaine Pignier, Montaigu, AOC Côtes du Jura (12/18)
- Vin Jaune 2012, Jacques Puffeney, Montigny-les-Arsures, AOC Arbois (13/20) (nur ein paar Gläser verfügbar)
am Dienstag, den 30. Jänner von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22
Energieferien
In den Wiener Energieferien bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils geschlossen.
Im Übrigen ist Rudolf Polifka auch nach dem 27. Jänner, dem Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, noch der Meinung, dass dieser Tag zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklären muss!
Herr Rudolf hat die Ehre!
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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien