Rot! Einmal fast nichts über Farbadjektive im Wein, sondern übers Pyjamaanziehen und Farbhintergründe in der Politik

Rot. Politisch

 

Kampf gegen Armut, Widerstand gegen Autokratie, kompromissloses Eintreten für Parlamentarismus, Rechtsstaat und Gewaltenteilung …

… das war früher einmal rot.

Heute scheinen andere Prioritäten zu gelten. Ganz oben scheint ein Amalgam aus Zeitgeist, seichtestem Konsumismus und Vulgäratheismus zu stehen.

Und das tut dem Rudl weh. Das macht ihn traurig, das macht ihn wütend und das macht ihn zornig. Das macht ihm sogar ein bissl ein schlechtes Gewissen. Er hat sich seinerzeit, vor einem tiefschwarzen familiären Hintergrund, in der Pubertät aus Überzeugung und mit vollem Herzen dem tiefschwarzen Hintergrund ab– und allem Vorwärtigem und also Rotem zugewandt.

 

Aber

 

… verglichen mit vielem, was heute da an Rotem und Grünem politisch pseudokorrekt, zeitgeistfirm und vor allem wertneutral herumwebt, kommt dem Rudl sein tiefschwarzer familiärer Hintergrund heute plötzlich wie eine trotzkistische Community mit einer Schwäche für Punk vor. Über die anderen Farben will der Rudl gar nicht schreiben.

 

Dann schon lieber Rotwein.

 

Mit dem geht es Herrn Rudolf wie dem Fils mit dem Pyjamaanziehen. Dabei ist es gar nicht so, dass der Rudl überhaupt nichts von Rotwein halten würde, wie ja auch der Fils keine grundsätzliche Aversion gegen den Pyjama hat.

Aber es gibt halt verdammt viele Dinge, die interessanter sind. Altesse, zum Beispiel, oder Raffinerien aus Lego zu bauen. Da kann es schon passieren, dass sich das Anlegen der Nachtkleidung um die eine oder andere halbe Stunde retardiert, oder ein Rotweinthema von einer Woche auf die andere verschoben wird.

Umso mehr freut sich Caviste Rudolf jetzt auf ein paar Rote „hors categorie“. Was Gefälligkeit betrifft, werden diese Weine anderen den Vortritt lassen müssen. In vielen anderen Kategorien kann dafür das Gegenteil der Fall sein.

Im Hinblick auf Weihnachten hält es Caviste Rudolf nicht für die allerblödeste Idee, sich einen der Roten dieser Woche nach Hause mitzunehmen, falls wer vielleicht irgendetwas Geschmortes in Erwägung zieht …

Erlauben Sie dem Rudl, mit dem vermutlich Unbekanntesten zu beginnen.

 

Persan

 

Zugelassen ist Persan in den Departements Savoie und Isère, appellationsmäßig exclusiv in Savoyen, weil in Isère zwar Wein, aber bis jetzt keine Appellation gedeiht. Um ein Haar wäre das alles hinfällig gewesen, weil Persan sowieso ausgestorben wäre, Ende der Achtziger waren weltweit keine zehn Hektar mehr übrig. Nicht zuletzt den Giachino-Brüdern und den Grisard-Brüdern ist es zu danken, dass es nicht so weit gekommen ist.

Niedrige Erträge vorausgesetzt, soll Persan erst nach zehn Jahren Trinkreife erlangen. Das hat Herr Rudolf gelesen. Empirisch nachvollzogen hat er es noch nicht, mangels Occasion. Selbst in savoyardischen Gasthäusern gibt es mehr Industriewein aus der Gascogne als Persan aus Savoyen. Dem Rudl seine bisherigen Eindrücke vom Persan in jungen Jahren waren aber die von deutlich zugänglicheren Weine als etwa junge Mondeusen.

Die Persantrauben sind walzenförmig, nicht sehr groß und eher dicht. Die Beeren sind klein, wenig saftig und violett bis schwarz. Wenn er etwa zwanzig Tage nach dem Chasselas reif wird, ist der Persan immer noch vergleichsweise früh reif.

Persan 2015, David et Fréd Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie

 

Mondeuse

 

Auch autochthon savoyardisch. Darin erschöpfen sich jedoch die Gemeinsamkeiten mit Persan.

Plinius der Ältere beschreibt eine „Allobrogicae“ und es gibt Ampelographen, die damit Mondeuse gemeint sehen.

Dass Mondeuse im Fall von Ertragsbegrenzung pfeffrige, lagerfähig und alkoholstarke Rotweine hervorbringt, behauptet das, was viele heute als Lexikon betrachten. Jetzt wird das meiste dort schon Hand und Fuß haben und über ein paar andere Dinge lässt sich wahrscheinlich streiten. Aber das Hauptmerkmal von Mondeuse ist dem Rudl seines Erachtens der niedrige Alkohol in Kombination mit Würze, sowie einer gelungenenfalls formidablen bis atemberaubenden Struktur.

Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Vin de Savoie

 

Tannat

 

Über Tannat hat der Rudl schon das eine oder andere Mal geschrieben. Zum Beispiel im voriges Jahr im März. Daraus ein kurzer Auszug:

Bezeichnenderweise versteht man unter Tannat nicht nur die Rebsorte, sondern auch die Salze im Tannin. Seinerzeit hat man viel mehr Tannat reinsortig ausgebaut. Vielleicht haben die Menschen früher mehr Geduld gehabt. Denn trinken hat man das meistens erst nach zwanzig Jahren können. Heute ist fast immer ein mehr oder weniger kleiner Anteil an Cabernet Franc oder oder und Cabernet Sauvignon dabei. Direkt jungweintauglich macht ihn das aber auch nicht.

 

Gesundheit!

 

Vielleicht gilt Tannat deshalb als gesündester Rotwein der Welt, weil er mehr zum Aufheben als zum Trinken da war.

Die Forscher sehen andere Gründe: Kein anderer Wein entwickelt so einen Haufen an Procyanidin wie Tannat, viermal so viel wie jeder andere Rotwein, zumindest wenn er traditionell gekeltert wird und also drei bis vier Wochen auf der Maische steht – manchmal auch ungerebelt – und dann im alten Holz ausgebaut. Die Tannats aus Uruguay tun das in der Regel nicht, die aus den Pyrenäen, vor allem die aus Madiran und Irouléguy schon. Procyanidin beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor und fängt Radikale.

Heute versucht man die Typicität der Rebsorte zu erhalten, aber seine Trinkreife zu beschleunigen. Dort wo das gelingt, hat man reife und runde Tannine und Aromen nach schwarzen Beeren, Mirabellen und Brombeeren.

Wie man zu Alain Brumont und seinem Madiran Château Montus steht: Wenn es heute um Tannat geht, darf sein Name nicht fehlen.

Und in der Tat ist Tannat natürlich in erster Linie Madiran. Aber den gibt es eh da und dort. Eine Flasche mit Tannat aus Irouléguy rennt einem in Wien aber nicht alle Tage über den Weg, außer man liest Michel Houellebecq.

Die immer wieder strapazierte Koexistenz von Rotwein und Käse kann der Rudl ja nicht ganz nachvollziehen. Im Fall von Tannat und Ossau-Iraty vielleicht schon, zumindest weiden die Schafe, aus deren Milch der Iraty gmacht wird, nach der Lese in den Weingärten, in denen vorher der rote Irouléguy von Arretxea gewachsen ist. Deshalb wiederholt der Rudl wieder einmal, dass es ausdrücklich erwünscht ist, sich die Jausn zum Wein selber in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitzubringen.

Irouléguy Rouge 2013, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest

 

Teran

 

Teran, respektive Terrano, wie die Rebsorte auf Italienisch heißt, ist eine Spielart des Refosco. Es gibt ihn nicht nur im Karst. Aber wirklich charakteristisch ist er schon für die stark eisenhältige terra rossa im Karst um und hinter Triest.

Die Weine fallen ganz besonders durch ihre Frische auf, sollten deshalb nicht zu warm und im Idealfall zur Jause getrunken werden. Zumindest halten das viele Menschen, die beim Teran wohnen, so.

Und deshalb wiederholt der Rudl in diesem Zusammenhang noch viel mehr, dass es ausdrücklich erwünscht ist, sich die Jausn zum Wein selber in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitzubringen.

Teran 2011, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slowenien

 

Blauer Wildbacher

 

Der wird gerne als Rosé, der dann wiederum „Schilcher“ genannt wird, ausgebaut. Noch lieber scheint er als Schilchersturm oder Schilcherfrizzante unter das Volk gebracht zu werden, wobei sich der Rudl da immer wieder fragt, wo denn der ganze Schilchersturm, respektive -frizzante wächst. Aber bitte.

So oder so, Sepp Muster macht einen Schilcher, der aus Blauem Wildbacher gekeltert wird. Das ist aber kein Rotwein, obwohl er mit der Farbe Rot mehr gemeinsam hat als der Rotwein, in dem neben Blauem Wildbacher auch Rotburger und Blaufränkisch drinnen sind.

Wachsen tut er auf den Kalkmergelböden, die sie am Schlossberg Opok nennen.

Schmecken tut er eher würzig als fruchtig. Er ist elegant und reif.

Rotwein 2008, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland

 

Bockbier

 

… ist heute ziemlich out. Vor zwanzig Jahren hat es zu Weihnachten von mehr oder weniger jeder bekannten und nicht so bekannten Brauerei einen Bock gegeben. Über die Ursachen kann der Rudl nur spekulieren. Bräustübl Bockbier aus Salzburg Mülln gibt es zum Glück noch. Dem wird offensichtlich in einem derartigen Ausmaß zugesprochen, dass es in der Brauerei und auch im Bräustübl nie bis Weihnachten verfügbar ist. Beim Rudl ist es das ab Freitag, den 1. Dezember, aber halt nur ausschankweise.

 

  • Teran 2011, Branko und Vasja Čotar, Komen, Kras, Slowenien (4,50/7)
  • Persan 2015, David und Fréd Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Irouléguy Rouge 2013, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (4/6)
  • Rotwein 2008, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (4/6)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

Selbstverständlich nicht ausschließlich Rotweine kredenzt Monsieur Rudolf …

 

am Mittwoch, den 29. November und am Freitag, den 1. Dezember

jeweils von 16 bis 22 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Suppe mit Sinn

 

Die dieswöchige Suppe mit Sinn wird der Rudl ein bissl freier interpretieren. Gegen eine Spende von einem Euro an die Wiener Tafel bekommen Sie diese Woche ein Häferl Glühisabellawein, eines, in dem das Löfferl nicht vor lauter Zuckersättigung stecken bleibt.

 

Vorschau auf den 6. Dezember, den Tag des Heiligen Nikolaus

Weine gegen den Krampus! … und ohne Schwefelzugabe

 

Vorschau auf den 8. Dezember

Geschlossen – da sitzt der Rudl im Bräustübl und trinkt Weihnachtsbock aus dem großen Trinkgefäß, wenn noch einer da ist.

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte! Dazu nächste Woche vielleicht mehr.

 

Auf den Winterpelz im Glas und am Gaumen!