Warten auf Roussette. Eine Vertikale von Jacques Maillet, lückenlos. Enfin!

 

Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“, sagt der Kurtl

Lange kann es nicht her sein, da hat Ihnen Monsieur Rudolf eröffnet, dass er dem Kindesalter lediglich körperlich entwachsen ist. Gewissen Capriziositäten zwar nicht grundsätzlich abgeneigt, hält er sich im Großen und Ganzen dennoch für ein schlichtes, ja kindliches Gemüt. Er ist meistens ausgesprochen leicht zu erheitern. Da genügen ein paar lustige Namen, an denen es in mittelhochdeutschen Quellen, aber auch in der zeitgenössischen Urbanität nicht mangelt, oder auch ein paar gemeinhin als derb geltende Ausdrücke.

Geometrisch betrachtet ist der Rudl nicht einmal in der dritten Dimension angekommen, von einer etwaigen vierten ganz zu schweigen. So zeichnet und malt Herr Rudolf auch. Und als solcher wäre er ja regelrecht ein gefundenes Fressen für die zweidimensionale, körperlose Wischwelt der steuerscheuen Datenbettlerbanden.

Transzendenz statt Tablett

Was täte der Rudl da ohne seine Antenne für Transzendenz? Bevor er sich mit schwer Vorstellbarem aus der dritten geometrischen oder einer allfälligen vierten wasweißderkuckuckwasfüreiner Dimension herumschlägt, begnügt er sich lieber mit zweidimenionalen Hand- und Trinkfestigkeiten und hofft, dass das, was die Holmes Brothers einmal mit dem Kurtl alsAmazing Grace“ besungen haben, den Rest erledigt. Einfach ist das eh auch nicht, zumindest weit weniger einfach als ein stumpfsinniger Vulgärpositivismus.

Um nicht falsch verstanden zu werden

Freilich gibt es da auch das „schlichte Gemüt“ als Ausrede, gleich gar nicht zu versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen und allem, was man nicht gleich versteht, das Manterl des Mysteriums umzuhängen. Das meint der Rudl nicht mit „schlichtem Gemüt“. Herr Rudolf hält sein Gemüt vielmehr insofern für ein schlichtes, als er mit fünfzig Jahren die Welt noch genauso verändert möchte, wie er sie mit fünfzehn verändern wollte. Und er kann mit fünfzig noch genauso zornig über zu Veränderndes werden und sich auch auch genauso darüber abhauen wie vor gut dreißig Jahren.

Zurück in die Steine und zurück in die Zeit

Beim Wein haben es dem Rudl vor allem die vertikale Dimension der Steine und die Zeit angetan. Er vergleicht leidenschftlich gerne einen Wein aus unterschiedlichen Jahrgängen und er vergleicht gerne Weine, die sich möglicht nur hinsichtlich des Gesteins, auf dem sie gewachsen sind, unterscheiden.

Geduld

Auf fünf Zeit- und also Jahrgangsvergleiche freut sich der Rudl jetzt schon länger und intensiver: Schiste und Quartz von der Domaine des Ardoisières, Le Feu von Belluard, Grüner Veltliner Spiegel von Sepp Mantler und Altesse von Jacques Maillet. Auf letztere wartet Caviste Rudolf jetzt ziemlich genau dreieinhalb Jahre. Zuerst hat er auf einen besonderen Zeitpunkt für die Vertikale gewartet, dann hat er sie durch eine Vertikale derselben Rebsorte, allerdings von Giachino ersetzt und wieder gewartet, weil es inflationär wäre, zwei Altesse Vertikalen unmittelbar aufeinander folgen zu lassen. Dann hat er die Altesse von Maillet sich mit dem Furmint von Gottfried Lamprecht duellieren lassen. Das war sehr schön, aber horizontal statt zeitlich und außerdem naheliegend, gleich auf den Zweitausendfünfzehner zu warten und nach Eintreffen desselben dann wieder auf einen würdevollen Anlass. Am Beginn des Studienjahres 2017/18 hat Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, der Rudl aus lauter Begeisterung über im Urlaub Getrunkenes mit Savoyen in einem Ausmaß traktiert, das ihm selber schon ein bissl auf den Zeiger gegangen ist. Darum hat er irgendwann im Oktober annonciert, einmal ein Zeitl mit savoyardischen Themen zu pausieren. Das hat Caviste Rudolf für ihn selber erstaunlich lange durchgezogen. Aber jetzt ist Schluss mit der unkindlichen Geduld.

Altesse

Der Legende nach soll eine scharfe Zechn namens Anne de Lusignan Altesse von Zypern nach Savoyen gebracht haben. Die war Tochter des dortigen Königs

und dem Grafen Amédée von Savoyen nicht ganz wurscht. Schlussendlich muss sie eingewilligt haben, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen von Zypern nach Savoyen zu verlegen, unter der Voraussetzung, dass sie ein paar Rebstöcke Altesse von Zypern nach Savoyen verpflanzen darf. Davor hat der Rudl größte Hochachtung. Er hat einmal versucht, sechs Stückl Altesse Reben lebendig von Savoyen nach Wien zu bringen, was ihm, wie es ausschaut, zu fünzig Percent gelungen ist, aber alles andere als eine einfache Übung war. Anne de Lusignan soll das fünfhundert Jahre vor dem Rudl gemacht haben. Und wenn das stimmt, dann war ihrem Altesse Transport mehr Nachhaltigkeit beschieden als dem Rudl seinem vor drei Jahren.

Ampelographisch spricht allerdings mehr dafür, dass Altesse mit Furmint verwandt ist. Der soll den gekrönten Häuptern von Österreich-Ungarn vorbehalten gewesen sein und der Altesse aus diesem Grund ihren imperialen Namen gegeben haben. Das meint zumindest Pierre Galet.

Dem Rudl ist die Abstammung powidl, eine gute Geschichte aber immer mindestens genauso lieb wie ein wissenschaftlicher Beweis. Darum erheitert es ihn, dass heute auf Zypern Altesse ausgepflanzt wird.

Trotzdem wird diese Woche aus Forschungsgründen selbstverständlich wieder der Furmint von Gottfried Lamprecht aus Referenzwein und -wert geöffnet werden.

Rebsortencharakteristik

Wer bei einem Weingarten auf Produktivität aus ist, muss eine andere Rebsorte pflanzen. Die Beeren klein und spät reif. Auf Kalkgeröll und Kieselsteine steht Altesse.

Wiesenblumen, Exotik, Mandeln, Bienenwachs und im gereiften Stadium Trüffeln.

Autrement!

Wenn der Rudl immer wieder schreibt, dass er auf savoyardische Weine steht, dann stimmt das eigentlich gar nicht. Erstens, weil es nicht viele gibt und zweitens, weil in Anbetracht der allermeisten savoyardischen Weine, die es ja gibt, auch sehr gut, ist, dass es davon nicht mehr gibt.

Aber dann sind da halt zwei oder drei Hände voll Weinbaumeister, die ganz andere savoyardische Weine machen. Und für die würde der Rudl sogar mit dem Radl oder mit seinen Langlaufschi sehr, sehr weit fahren.

Completement autrement

Monsieur Jacques ist einer der konsequentesten unter ihnen. Darum ist er 2003 aus der Cooperative Cave de Chautagne ausgestiegen und hat die meisten seiner an Eigenständigkeit schwer zu überbietenden Weine „Autrement“ genannt. Der Ort, in dem Jacques Maillet wohnt, heißt übrigens „Motz“.

Vor ziemlich genau einem Jahr ist Jacques Maillet in den Ruhestand getreten. Sehr realistisch ist das bei ihm nicht, zumindest nicht im wörtlichen Sinn. Aber der Rudl hat natürlich alles daran gesetzt, solange es noch gegangen ist, das war exact bis einunddreißigsten Dezember Zweitausendsechzehn, eine Palette Wein von Jacques Maillet zu beziehen. Und das obwohl sich zum damaligen Zeitpunkt die Fülle in seinem Keller diametral entgegengesetzt zu der auf seinem Konto verhalten hat. Ganz einfach war das damals und noch ein ganzes Zeitl später nicht. Aber jetzt ist der Rudl ziemlich froh, über ein ganz ansehnliches Reservoir am letzten Jahrgang von Herrn Jacques zu verfügen. Nicht alle französischen Cavistenkollegen vom Rudl sind in so einer privilegierten Lage. Bei den meisten war im letzten August schon Schluss mit Jacques.

Darum freut sich der Rudl, nach einer Kleinstvertikale der Autrement. Mondeuse von Jacques Maillet im letzten Juni diese Woche eine deutlich umfangreichere von der Autrement. Roussette glasweise kredenzen zu dürfen.

Autrement. Roussette de Savoie, Jacques Maillet

Reinsortige Altesse, wie bei allen Weinen der einzigen Rebsortenappellation Savoyens. Pickelharter Sandstein in der sogenannten „Provence de Savoie“ als Basis, bis zu über hundertzehn Jahre alte, teilweise wurzelechte Rebstöcke in der Lage Cellier des Pauvres als Überbau, in der Basis entsprechend solide verwurzelt.

Keine Anreicherung mit nichts, keine Filtrierung, minimale Schwefelzugabe beim Abfüllen, im Fall der Roussette oft nicht einmal dann.

 

2009

Den weißen Zweitausendneunern aus Savoyen sagt man nicht die allergrößten Fähigkeiten auf der Langstrecke nach. Zu heiß der Sommer, zu wenig Säure die Weinderl. Auf einen mittelkalten Winter mit ausgesprägtem Weitblick, was die hohen Niederschläge betrifft, folgen ein sehr sonniger Frühling und ein heißer Sommer. Eher südfranzösischer Stil (Danke an A.K.!).

Trotzdem hat Jacques Maillet einem Gasthaus, das zugesperrt hat, den Bestand seiner eigenen Zweitausendneuner Roussette wieder abgekauft. Der Rudl geht davon aus, dass Meister Maillet gewusst hat, warum.

2010

Auf einen kalten, niederschlagsreichen Winter folgt ein sonniger, aber nicht besonders trockener Frühling. Der Sommer erweist sich hinsichtlich heißem und kühlem Wetter als um Ausgewogenheit bemüht, caniculairer Juli, reifebremsender August. Soweit kennt man den Jahrgang 2010 auch in Österreich. Im September ist das Wetter in Frankreich dann aber abgebogen. Während es in manchen Gegenden Österreichs viel geregnet hat, war es fast in ganz Frankreich sonnig. In Savoyen darüber hinaus auch recht frisch in der Nacht. Nicht die allerungünstigsten Voraussetzungen für einen formidablen Jahrgang, in besonderem Maß bei spätreifenden Rebsorten.

2011

Ungefähr das Gegenteil von 2013. Trockener Frühling, heißer Juli, viel zu niederschlagsfreudiger August, dem die zu diesem Zeitpunkt viel zu reifen Trauben jede Menge Angriffsflächen geboten haben. Für Savoyen ungewöhnlich frühe Lese ab Ende August. Der erste von vier aufeinanderfolgenden Jahrgängen, von denen nicht nur in Savoyen jeder einzig und allein darum bemüht schien, zu zeigen, dass es für den selber denkenden Weinbauern noch um ein Eck schwieriger geht als im jeweiligen Jahr davor.

Jacques Maillet hat in diesem Jahr nicht genug satisfaktionsfähige Altesse gehabt. Ob er da der einzige gewesen ist? Auf alle Fälle war er einer der wenigen Rigoristen, der den Wein deswegen eben auch nicht abgefüllt hat. Das Patzerl, das in den Augen von Monsieur Maillet tauglich gewesen ist, hat er mit einer nämlichen Menge an Jacquère vermählt, eine in Ostfrankreich eher nicht so gängige Praxis. Bei uns heißt man so etwas dann Cuvée, in Frankreich Assemblage. Dafür ist dort eine Cuvée ein bestimmtes Fass, daher verhältnismäßig oft reisortig. Auf alle Fälle war mit der Mischung fünfzig Percent Jacquère, fünfzig Percent Altesse Le P’tit Canon in die Weinwelt gesetzt. Danach hat Monsieur Jacques den auch dann gemacht, wenn es genug Altesse gegeben hat.

2012

Auch ein kalter Winter, wie in Wien. Erst im August halbwegs standesgemäße Temperaturen für Ihre Hoheit Altesse.

2013

Der kalte und niederschlagsreiche Winter hat den savoyardischen Rebsorten keine grauen Federn wachsen lassen. Auf den sind sie eingestellt. Auf einen furchtbarer Frühling wie 2013 nicht. Ein heißer Sommer bedeutet auch in Savoyen ein erhöhtes Hagelrisiko. Die Trauben, die im September das Handtuch immer noch nicht geworfen hatten, haben bei der Lese nicht durch Pünktlichkeit geglänzt, erwiesen sich in qualitativer Hinsicht aber als äußerst kompetent, ausgeglichen und gesund.

2014

Auch in Savoyen ein prekärer Jahrgang. Sorgfältig gelesene Weine aus 2014 empfiehlt Caviste Rudolf jetzt einmal ein Zeitl im Keller zu übersehen, unsorgfältig gelesene gar nicht zu trinken.

  • Autrement. Altesse 2015, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (5/8)
  • Autrement. Altesse 2014, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (6/9)
  • Autrement. Altesse 2013, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (6/9)
  • Autrement. Altesse 2012, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (6/9)
  • Autrement. Altesse 2010, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (6/9)
  • Autrement. Altesse 2009, Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, AOC Roussette de Savoie, Motz (6/9)
  • Frumint 2015, Herrenhof Lamprecht, Steirerland (3/5)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

Selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine kredenzt Caviste Rudolf Polifka

an den ersten beiden Geschäftstagen im neuen Jahr,

am Mittwoch, den 10. Jänner und am Freitag, den 12. Jänner

jeweils von 16 bis 22 Uhr

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Herr Rudolf freut sich, vom Weingut Roland Minkowitsch

  • den Grünen Veltliner Rochus 2016,
  • den Riesling de vite 2016,
  • den Gewürztraminer 2016, sowie erstmals
  • den Welschreisling 2016 und
  • den Sekt Rheinriesling Brut 2015

in seinem Sortiment begrüßen zu dürfen.

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Vorschau auf den 17. und 19. Jänner:

Der Geburtstag. Bruno Kreiskys u.a.

Herr Rudolf grüßt ins neue Kalenderjahr!

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro