Via Brünnerstrassler ins Muscadet. Ein Hoch auf den Nonkonformismus … und ein Tief auf die Deregulierung!

Wos weida geht

 

Vor ein paar Tagen war es. Da hat der Rudl mit dem Herrn K gesprochen. Um das Weinviertel ist es gegangen. Und darum, dass dort zu wenig weiter geht, oder das Falsche weiter geht, wie man es halt nimmt. Es fällt dem Rudl schwer, da zu widersprechen. Und das tut dem Rudl leid, denn das Weinviertel gehört seit ziemlich auf den Tag genau fünfundzwanzig Jahren zu den Lieblingsweinbaugebieten vom Rudl. Das hat vor allem mit der Vielfalt von Landschaften, Dörfern und Steinen dort zu tun. Schade findet es Herr Rudolf, dass sich diese Vielfalt nicht noch mehr in einer Vielfalt an Weinstilen abbildet. Auf alle Fälle hat sich der Polifka Fils vor einem viertel Jahrhundert in den Kopf gesetzt, von der Wachau aus in der Nähe der Staatsgrenze im Uhrzeigersinn entlang ins Burgenland zu kutschieren. Dabei ist er in Poysdorf über einen Poysdorfer Saurüssel 1979 gestolpert. Das sollte nicht nur sein Zugang zum Weinviertel, sondern auch der zu reifen Weinen gewesen sein.

 

Poysdorfer Saurüssel

 

Vielleicht repräsentiert der Saurüssel ein bissl die Ambivalenz Weinviertler Weine. An und für sich ist Saurüssel, gelegentlich auch „Saurüsseln“ genannt, eine Riede im Osten von Poysdorf. Die hat dem Poysdorfer Saurüssel, einem Wein der niederösterreichischen Winzergenossenschaft mit Sitz in der Simmeringer Hauptstraße den Namen gegeben. Die Trauben dafür sind damals schon nicht ausschließlich in der Riede Saurüssel gewachsen, bald auch nicht mehr in und um Poysdorf und nach der mittlerweile wieder gewendeten Wende auch bald nicht mehr nur in Cismarchanien. Ein Hoch auf die Deregulierung!

Der Stil des Weins hat sich im Lauf der Zeit auch verändert. Ursprünglich ist der Saurüssel nicht einmal immer ganz trocken gewesen. Der Neunundsiebziger ist vom Rudl 1993 getrunken worden und hat ihn damals außerordentlich begeistert. Von der leeren Flasche hat er sich bis heute nicht trennen können. Die hat als leere Flasche sieben Mal übersiedeln dürfen, was für eine leere Flasche wahrscheinlich gar nicht einmal so übel ist.

Zugegebenermaßen ist der Gaumen vom Rudl damals in oenologischer Hinsicht am Beginn seiner Ausbildung gestanden ist.

Weniger gereifte Exemplare des Poysdorfer Saurüssel sind damals vom Rudl und seinen Forschungskolleginnen und Forschungskollegen zu besseren Anlässen konsumiert worden. Ähnliches hat für den Dürnsteiner Katzensprung gegolten. Zu alltäglicheren Gelegenheiten musste Wein aus größeren Gebinden herhalten.

Irgendwann wurde der Poysdorfer Saurüssel dann immer mehr irgendwie und bald darauf gar nicht mehr.

2010 haben Poysdorfer Winzer den Namen gekauft und die Marke wiederbelebt. Darüber hat sich der Rudlbub anfangs gefreut. Etwas später hat er das neue Etikett gesehen und von einer „Legende“ gelesen. Damit assoziiert Monsieur Rudolf günstigstenfalls das Ende eines Beines. Noch ein bissl später hat er die ersten Saurüssel getrunken.

 

Theologie

 

Von seiner Hacken weiß der Rudolf, dass beim Sprechen und Schreiben über das Transzendente jedwede Trefflichkeit durch eine noch größere Unzutrefflichkeit relativiert wird. Und ein bissl etwas Transzendentes ist der Wein schon, zumindest insofern als er aus einer Wandlung resultiert. Vielleicht schreien manche Aussagen und Urteile über Wein deswegen förmlich nach Relativierung. Das mit der definitiven Sicheinbildmacherei scheint dem Rudl ja sowieso nicht Ausdruck allerhöchster Zivilisation zu sein. Heute haben wir vierzig Magapixel beim Bildermachen und hundertprozentige Durchfallquoten bei Schreibdiagnosetests. Den Bilderstreit hat der Westen gewonnen, die Alphabetisierung ganz sicher nicht.

Direkt widersprechen kann und will Caviste Rudolf der  Arbeitshypothese über das Nichtsweitergehen im Weinviertel zwar nicht, ein paar Flaschln vor den oenologischen Vorhang zerren und dadurch das Nichtsweitergehen relativieren aber schon.

 

Brinnaschdrassla

 

Ein Chef unter den Weinbaugebieten Österreichs scheint das Weinviertel nie gewesen zu sein. In seiner ewigen Wiener Dialektversion des Neuen Testaments übersetzt Wolfgang Teuschl den zu früh kredenzten minderwertigen Wein mit dem Dialektwort für Weinviertler Wein, den zu spät aufgefahrenen edlen mit dem für Weine aus der Thermenregion. Der Rudl ist darauf schon einmal eingegangen.

Der altgriechische Kirchenwirt von Kana wundert sich, dass der aus Wasser gewonnene, später kredenzte Wein, der bessere Wein, der oῖνον ἓωϛ, sei als der zuvor aufgefahrene minder schmackhafte. Er selber, der Wirt, ziehe es vor, zuerst den hochwertigen Wein auszuschenken, mit dem Zweitwein hingegen zuzuwarten, bis das Urteilsvermögen der Gäste aufgrund erhöhten Grades an Alkoholisierung gemindert sei.

 

Sprachnotstand

 

Der altgriechische Text ist schon eine Verfremdung der gschertn Worte des Galliläers in eine Gelehrtensprache. Letzterer hat bekanntlich Aramäisch gesprochen, einen zu seiner Zeit nicht sonderlich prestigeträchtigen Dialekt. Alles andere wäre erstens mit Fischern, Handwerkern und Bauern vermutlich nicht sehr zielführend, zweitens ihm selber ziemlich sicher auch gar nicht möglich gewesen. Bei der Einheizmatura hätte der Häuslbauer aus Nazareth ziemlich sicher keinen Auftrag gehabt. Da wäre er nicht nur am fehlenden Wissen über die Mindest- und Höchstwörterzahl einer Meinungsrede gescheitert, sondern auch an ein paar anderen Formalismen. Abgesehen davon kann man seinen Worten von damals eine gewissen Bedeutung und Wirkung aber nicht absprechen.

Den gespreizten altgriechischen Text haben sie dann in die deutsche Einheitsübersetzung verbannt. An Anschaulichkeit hat er dadurch nicht gewonnen.

Wolfgang Teuschl ist es zu danken, diese Texte wieder einer Jesus angemessenen Sprachvariante zugeführt zu haben. Kurt Sowinetz und Willi Resetarits haben daraus Sprechkunstwerke gemacht.

 

Klimakatastrophe

 

Dem Brünnerstrassler hat man viel Säure nachgesagt. Das mag auch mit hohen Erträgen zu tun gehabt haben. Heute scheint der für Weinviertler Weine nachteilige Vergleich mit jenen von der Südbahn dem Rudl schwer nachvollziehbar, obwohl eine derart spät reifende Rebsorte wie Zierfandler sich in Anbetracht der Herausforderungen, vor die die Klimakatastrophe Weinbauern stellt, als sehr kooperativ erweist. Alle Weinbaumeister dürften dieses Entgegenkommen des Zierfandlers aber nicht entsprechend würdigen. Da lobt sich der Rudl Kulturweinwinzer wie Friedrich Kuczera aus Gumpoeds- und Johann Stadlmann aus Traiskirchen.

 

Ein Blick auf die urgeologische Karte

 

Abgesehen von Eisen und Vulkanen gibt es im Weinviertel fast nichts, was es nicht gibt. Es überwiegt Löss. Aber die kalkigen Reste des Urmeeres sind gar nicht so wenige. Im Nordwesten schaut schon das Urgestein aus der Böhmischen Masse herein.

 

Weingut Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March, Südliches Weinviertel

 

Nonkonformismus gehört wahrscheinlich nicht zu den Kernqualitäten, die man einem Staatssekretär im Innenministerium und zweiten Nationalratspräsidenten zuschreiben würde. Aber Roland Minkowitsch sen. hat zu einer Zeit Gewürztraminer und Rheinriesling in Mannersdorf an der March ausgepflanzt, als dort noch Brauner Veltliner angesagt gewesen ist. Leichter hat er sich das Leben dadurch in Mannersdorf an der March nicht gemacht. „Biachlbauer“ hat man ihn geheißen. Als Kompliment ist das nicht gemeint gewesen. Aber dafür ist etwas weiter gegangen. Roland Minkowitsch jun. ist den Weg seines Vaters weiter gegangen und hat seinerseits 2014 den Betrieb an seinen Neffen Martin übergeben, bleibt am Weingut präsent. Zum Glück. Die alte Baumpresse auch. Auch zum Glück. Zu noch mehr Glück steht sie nicht nur zu Dekorationszwecken herum. Alle Weine werden noch mit ihr gepresst.

 

Josef Salomon, Falkenstein, Veltliner Land

 

Josef Salomon hat Ende der Siebziger Jahre begonnen, das damals noch von seinem Vater Heinrich geführte Weingut nach biologischen Richtlinien zu führen, auch das kein Weg des geringsten Widerstandes. Besonders bemerkenswert erscheint dem Rudl, dass Senior Heinrich Salomon, ein wirklicher Doyen des Weinviertler Weinbaus, den Weg des Sohnes unterstützt hat.

Als bezeichnend für Josef Salomon mag man sehen, dass er das in den letzten zwanzig Jahren ökonomisch vermutlich erfolgreichste Projekt des Weinviertler Weins, den DAC, boykottiert. Ein Wein kann zum Zeitpunkt der DAC-Präsentation noch nicht fertig sein. Josef Salomon ist nicht gerade das, was man ein „Redhaus“ nennt. Diesen einen Satz wiederholt er sogar.

Kalk, was im Weinviertel zwar alles andere als die Regel, aber auch wieder nicht so selten ist.

 

Josef Zens, Mailberg

 

In den allerersten Weinbüchern, die sich der Rudl gekauft hat, ist das Weingut Josef Zens quasi Stammgast. Das war zu Zeiten von Josef Zens sen. Heute kommt es da und dort vor, aber nicht mehr so regelmäßig und nicht mehr so prominent. Möglicherweise verrät das mehr über die Weinbücher als über das Weingut. Josef Zens jun. ist nicht der Mensch, der Trends hinterher hüpft. Der hat nicht viel geändert. Das schmeckt man den Weinen an.

 

Weingut Rudolf Fidesser, Platt, Retzer Land

 

Den kleinen Ort Platt hat der Rudl über einen Biowinzer kennengelernt. Aber das ist damals nicht das Weingut Fidesser gewesen. Über ein Heftl des Ernteverbandes ist Student Rudolf seinerzeit auf einen Nebenerwerbswinzer namens Erwin Binder gestoßen. Hauptberuflich war der Religionslehrer, wohn- und weinhaft in Platt. Der Rudl hat sogar noch ein paar Flaschen Grünen Veltliner von Herrn Binder. Bedauerlicherweise sind sie mit einem Presskork verschlossen. Erfreulicherweise gibt es das Phänomen, dass ein Bioweinbauer in einem Ort selten allein bleibt. Akribisch auf Qualität bedachte Winzer sind Rudolf Fidesser und seine Söhne sowieso gewesen. Wenn Sie Glück haben, können Sie das bei der Weintour Weinviertel überprüfen. Da macht Norbert Fidesser ganz gern ein paar ältere Weine auf. Inzwischen ist das Weingut demeterzertifiziert.

 

Leo Uibel, Ziersdorf, Retzer Land (ganz am Rand)

 

Es hat nicht zu den ganz großen Jugendträumen von Leopold Uibel gehört, Weinviertler Wein zu machen. Darum ist er zuerst einmal weg von zuhause. Irgendwann hat es ihn dann doch gereizt, im Weinviertel Wein zu machen. Aber anders. Auch Herr Leo vertikalisiert zur Weintour ganz gerne, was der Rudl noch jedes Mal impressionant gefunden hat.

Auch am Ziersdorfer Köhlberg wieder viel Kalk vom Urmeer. Und auch sonst ist Leo Uibel beim Weinmachen nicht das, was man einen Hudler nennt.

 

André Michel Brégeon, Muscadet, Loire

 

In gewisser Weise vergleicht Caviste Rudolf das Muscadet gerne mit dem Weinviertel. Beide sind relativ groß. Beide haben ihre Weine relativ leicht zu niedrigen Preisen abgesetzt, jene des einen als Grundweine für Industriesekte, die des anderen als Austernbegleitung.

Es scheint Umstände zu geben, die sich auf die Qualität von Wein förderlicher auswirken als leichter Absatz.

Darum haben Weinviertel und Muscadet auch eine nicht nur gute Nachrede als Gemeinsamkeit.

Das wiederum hat da wie dort ein paar Querköpfe auf den Plan gerufen, die der Meinung sind, dass mehr gehen muss. Und diese Querköpfe bleiben den Wahrheitsbeweis nicht schuldig. Im Muscadet hat André Michel Brégeon mit einer Hand voll Unbeirrbarer, die sich von behördlichen Neinsagern nicht so schnell irritieren lassen, durchgesetzt, dass ein paar Gemeinden mit besonderen geologischen Voraussetzungen den Cru-Status zugesprochen bekommen.

Der Cru „Gorges“ wächst auf vulkanischem Gabbro und wird bei Blindverkostungen gerne in anderen Weinbaugebieten lokalisiert.

Mit dem Jahrgang 2011 hat Monsieur Brégeon sein Weingut an Fred Lailler übergeben. Aber auch Herr Brégeon bleibt am Weingut präsent.

Tailler puis façonner / Choyer puis vendanger / Presser puis déguster / Douter puis partager: / Être passionné …

Das steht auf den Flaschen der Domaine Michel Brégeon, und es bedeutet ungefähr:

Zurückschneiden, dann formen / verhätscheln, dann ernten / pressen, dann kosten / zweifeln, dann teilen: / begeistert sein …

 

•     Gemischter Satz 2016, Josef Salomon, Falkenstein, Veltliner Land (2,50/4)

•     Grüner Veltliner Retzer Stein 2015, Weingut Rudolf Fidesser, Platt, Retzer Land (3/5)

•     Rheinriesling de vite 2016, Weingut Roland Minkowitsch, Mannersdorf, Südliches Weinviertel (3/5)

•     Grüner Veltliner Katzensprung 2015, Leo Uibel, Ziersdorf, Retzer Land (4/6)

•     Grüner Mann Selektion Extrem 2015, Weingut Seymann, Karlsdorf, Pulkautal (4/6)

•     Berglagen 2016, H&R Fidesser, Retz (5/8)

•     Gewürztraminer 2006, Josef Salomon, Falkenstein, Veltliner Land (4,50/7)

•     Gewürztraminer Reserve 2005, Josef Zens, Mailberg (4/6)

•     Poysdorfer Saurüssel 2010, Weingut Haimer, Poysdorf, Veltliner Land (2/3)

•     Welschriesling 1991, Josef Poiss, Poysdorf, Veltliner Land (Diesen Wein hat der Rudl fast gleichzeitig mit dem Saurüssel 1979 entdeckt.)

•     Muscadet Cru Gorges 2013, Domaine Michel Brégeon, Gorges, Loire (5/8)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

… selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine, sondern beispielsweise auch noch Teile der allerletzten Cotarsauvignonvertikale gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 3. und am Freitag, den 5. Oktober

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Vorschau auf 10. und 12. Oktober

Ostbahn lebt.

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Herr Rudolf grüßt durch die Simmeringer Hauptstraße hinein über Stammersdorf bis hinauf nach Brünn!

 

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte  Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro