Roussanne knapp vor dem internationalen Tag der Frau: Dienstag, 7. März von 17 bis 21 Uhr

Anlassweinkredenzung

Es gibt Zeiten im Jahr, da wissen Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, ziemlich genau, was Sie in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils erwartet, ziemlich genau, aber nicht ganz genau und damit – genaugenommen – gar nicht genau.

Wie auch immer Sie es mit derlei lexikalischer Genauigkeit halten, der Rudl kredenzt um den internationalen Frauentag gerne den Chignin-Bergeron „Les Filles“ von Gilles Berlioz. Wie sonst kaum ein Wein repräsentiert dieser samt seinem gegenderten Kollegen „Les Fripons“ und den ihrerseits ein weibliches Pendant darstellenden „Les Friponnes“ Ernsthaftigkeit im Umgang mit sprachlich korrekter Darstellung und diesbezügliches Augenzwinkern, das jedoch keinen Millimeter weit die Bedeutung des Anliegens relativiert. Auf beides möchte Herr Rudolf nur ungern verzichten.

Heuer fällt der 8. März ideal, wenn Sie den Rudl fragen. Sie könnten am Vortag beim Rudl Weine glasweise den einen oder anderen Wein auf seine Tauglichkeit als Vinifizierung des Tages prüfen und dann eventuell ein Flascherl zur allfälligen Weinbegleitung eines würdig begangenen Tages der Frau mit nachhause nehmen.

Les Filles, Gilles Berlioz

Jetzt sind dem Rudl Berechenbarkeit und noch viel mehr Verlässlichkeit ein hohes Gut, aber gerade auch deshalb nicht überzustrapazieren. Vertikalen von „Les Filles“ hat es schon gegeben, nicht nur eine. Den Vergleich mit Gräfin und Graf von Maria und Sepp Muster hat der Rudl schon einmal angestellt. Und ein paar andere Konstellationen sind auch abgehandelt worden. Darum erlaubt sich Monsieur Rudolf zum diesjährigen Frauentag die Rebsorte von „Les Filles“, eine weibliche wohlbemerkt, in den Vordergrund zu stellen: Roussanne, eine von einer Winzerin aus der Appellation Faugères (Languedoc), eine nach einer römischen Göttin benannte, ein paar von Gilles und eine von seinem Enkel Adrien.

Roussanne

ist an und für sich vor allem an der nördlichen Rhône daheim. Hermitage, Saint Joseph und so. Aber es gibt Roussanne auch ailleurs. Sogar am Andreasberg in Andau und in der Franklinstraße zu Wien XXI stehen ein paar Stöcke. Mehr gibt es an der südlichen Rhône und im Languedoc, zum Beispiel bei Sybil Baldassarre in der Appellation Faugères. In Savoyen sagen sie zu Roussanne auch Chignin-Bergeron, obwohl so genaugenommen nur die einzige savoyardische Appellation, die Roussanne genehmigt, genannt wird.

Domaine de l‘Aitonnement

Gilles Berlioz und seine Domaine Partagé hat der Rudl schon das eine oder andere Mal vorgestellt. Darum möchte er heuer auf einen anderen von ihm überaus geschätzten Weinmeister eingehen: Maxime Dancoine. Auch der hat einen Wein aus Roussanne gemacht. Rebsortentechnisch sind Jacquère, Altesse und Mondeuse Noire Maximes Pflaster. Das bedeutet jedoch nicht, dass er sich des reichen oenologisch-botanischen Erbes nicht bewusst wäre und nicht auch Joubertin, Blanc de Maurienne, Mondeuse Grise, Douce Noire oder Etraire de la d‘Dhui gepflanzt hätte. Wer den Giachinos so nahe steht wie Maxime, kommt an diesen alten Rebsorten sowieso nicht leicht vorbei.

Hauptberuflich ist Maxime Berater für savoyardische Bioweinbäuerinnen und Bioweinbauern, eine Personengruppe, die heute so schnell wächst, dass man kaum mehr mitkommt. Vor etwa zehn Jahren war sie umso überschaubarer. Abgesehen von den seinerzeit sieben Pétavins, der Domaine des Ardoisières und Dominique Belluard hat es kaum welche gegeben.

Seinen Anspruch hat Maxime Dancoine vor ein paar Jahren in der Weinzeitschrift „Le Rouge et le Blanc“ formuliert: nicht gute savoyardische Weine, sondern großen Wein. Im Keller kennt er nur ein Dogma: Präzision

Gröbere Maßnahmen im Keller erfolgen ausschließlich bei absteigendem Mond. Schutz vor Oxidation, wo immer es geht, mit CO2 statt Schwefel. Letzterer nur, soweit er für die Entfaltung bestimmter natürlicher Aromen erforderlich ist, auf das nötigste Minimum limitiert und zivilisiert. Spontanvergärung, wenn das Traubenmaterial sie erlaubt, aber Einsatz aromaneutraler, biologischer Hefen, wenn die Wetterkonditionen den Trauben allzu sehr zugesetzt haben. Brilliert der Wein von sich aus, keine Filtration. Tut er es nicht, wird er schonend filtriert. Prinzipien, aber keine Dogmen.

Vor etwas mehr als zehn Jahren war Maxime das Beraten dann zu wenig. Er hat sich auf die Suche nach einem wirklich einzigartigen Terroir gemacht. Wer da eine gewisse Affinität zu Brice Omonts Domaine des Ardoisières sieht, liegt völlig richtig. Gefunden hat er sie ein Tal weiter westlich von Brices Weinbergen.

Aiton

Zweihundert Hektar hat der Weinberg – in diesem Fall ist es nicht nur ein Hügel oder Hang, sondern ein Berg – von Aiton am rechten Talausgang der Maurienne ausgemacht. Gerade so ähnlich wie der Herr Kurt seinerzeit die Gehsteigkante drüben in der Bitterlichstraße als Ende der Alpen bezeichnet hat, könnte man den Weinberg von Aiton als die westliche Spitze des Massivs der Maurienne betrachten. Impeccabler Ausblick auf den Grand Arc, die Kette der Belledonne und das Chartreuse-Gebirge. Ökosystematisch ist dieses Terroir vor allem aufgrund der Kombination aus Höhe und Hangausrichtung privilegiert. Höher gelegen als andere Weingärten in Savoyen, dafür ganz genau südlich ausgerichtet. Das gewährleistet eine längere Vegetationsphase. Die Winde entlang des Tals stellen einen gewissen Schutz vor Pilzkrankheiten dar, weil sie die Trauben nach Niederschlägen relativ schnell trocknen, sofern das Wetter nicht gerade einen Zirkus wie im Frühsommer 2021 aufführt. Hangneigung bis zu 70 Percent, fünf bis fünfunddreißig Zentimeter Bodenauflage. Fette Böden sehen anders aus. Der geschieferte Kalk ist leicht zu zerbröseln, auch von den Wurzeln der Reben, die sich relativ leicht ganz tief versenken können. Wasser kann leicht abrinnen. 2022 war diese Eigenschaft des Bodens weniger gefragt, 2021 mehr, wobei es da auch schon egal war.

Einzigartig macht den Weinberg von Aiton aber auch die Zerstückelung, bedingt vor allem dadurch, dass es außer Maxime dort droben keinen professionellen Weinbaubetrieb mehr gibt. Daraus resultiert auch ein hoher Grad an Unzugänglichkeit der Parzellen für landwirtschaftliche Maschinen.

Um zu spüren, dass Biodynamie der natürliche Weg zum Schutz seiner Gesundheit und gleichermaßen jener der Konsumentinnen und Konsumenten seiner Weine ist, reicht ein kurzer Abstecher in den Weingarten.

Sehr berühmt war Aiton für seine Mondeuse, bis etwa in die späten vierziger Jahre. Danach ist es dort oben mit dem Wein ähnlich steil wie am Hang bergab gegangen, zumindest mit dem Wein, der für den Verkauf gedacht war. Haustrunk hat man weiterhin gemacht, viel mehr aber nicht.

  • Les Friponnes 2017, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)

  • Sous les Amandiers 2020, Annick et Pascal Quenard, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)

  • Lutz 2019, La Graine Sauvage. Sybil Baldassarre, Cabrerolles, Vin de France (6/9)

    Sybil Baldassarre kommt aus Italien, wenn sich der Rudl richtig erinnert, aus dem Piemont. Und sie hat lange gezweifelt, ob die Weinwelt einen Platz für sie frei hat. Begegnungen mit Nicolas Joly und Giusto Occhipinti haben in ihr dann den Verdacht genährt, dass es diesen Platz gibt, dass sich der aber ganz sicher im Weingarten und nicht im Labor befindet. Über Umwege ist sie dann ins Languedoc und dort in die Appellation Faugères geraten: Stockkultur, Schiefer, Singvögel – mittendrinn Frau Baldassarre, ihrem Selbstverständnis nach „Gardienne de Vignes“ – ohne Chemiekasten im Keller.

  • Les Fripons 2017, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (7/11)

  • Les Filles 2019, Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (7/11)

  • Vesta 2020, Domaine de l‘Aitonnement, Aiton, AOP Vin de Savoie (7/11)

    Obwohl der klassischen Philologie zugetan, kann der Rudl nicht von sich behaupten, eine besonders große Schwäche für die Römer zu haben. Da steht er Obelix sicher näher als der Pax Romana. Der nach der römischen Bewacherin des Herdfeuers benannte Chignin-Bergeron von Maxime Dancoine passt nicht nur aufgrund seiner göttlich-weiblichen Namensgeberin, sondern vor allem weil er das ist, was Maxime beansprucht: ein großer Wein.

  • Grand Zeph 2013, Adrien Berlioz, Chignin, AOC Vin de Savoie (8/12)

    Wirklich gute Roussanne, die das Terrroir und nicht das Toasting des Fassbinders zum Ausdruck bringt, legt im Laufe der Zeit zu.

Dienstag, 7. März von 17 bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, muss zu einem gesamteuropäischen Feiertag erklärt werden. Wer das Richtige feiert und weiß, was er dabei tut, ist nicht nur kein Würstel, sondern wird sich auch leichter tun, den Angriffen der Heimatparteien auf Demokratie, Menschenrechte und Aufklärung etwas Wirksames entgegenzusetzen.

Aux verres, citoyennes … et citoyens!

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