Riesling, Heinz Conrads und das Erdaltertum

Eine andere Zeit

 

Das Adjektiv „böhmisch“ lässt den Rudl Sonntagmorgen, Guglhupf, Radio, den großen Sendesaal des Wiener Funkhauses und Heinz Conrads erstassoziieren, ziemlich sicher nicht nur Herrn Rudolf.

Die böhmische Masse ist trotzdem guglhupffrei, zumindest geologisch. Das weiß der Rudl. Dieses Minimalwissen sicherzustellen ist dem Rudl seiner Mutter seinerzeit ein Anliegen gewesen, wobei dem Rudl der mehlspeisentechnischen Zugang über den Guglhupfteig zur böhmischen Masse durchaus fast sympathischer ist.

 

Guglhupf

 

Der war mehr oder weniger das Erste, was Monsieur Rudolf als Kind zubereiten können hat, aus Eigennutz quasi. Vom sonntagmorgendlichen Guglhupf hat der Rudl immer möglichst viel zu derglengen getrachtet. Ist sein Anteil gefühlt kleiner als der ihm zustehende ausgefallen, dann ist Monsieur Rudolf alles andere als amused gewesen. Darum hat er eines Tages beschlossen hat, die Kompetenz des Guglhupfbackens zu erwerben. Den selbstgebackenen gedachte er mit niemandem zu teilen, noch mehr als den selbsgebackenen Guglhupf gedachte er, den Teige für denselben mit niemandem zu teilen. Alleine eine ganz Schüssel Guglhupfölkuchenteig verdrücken zu dürfen, das ist dem Rudl lange Zeit ein Inbegriff kulinarischen Hochgenusses gewesen. Heute denkt der Rudl in diesem Zusammenhang natürlich an „Das Schlaraffenland“ von Pieter Brueghel dem Älteren, wo sich ein Patron rechts im Bildhintergrund durch einen Kuchenteig frisst und ein Baum den Zutritt zu der Teigmasse eifrig erleichtert, indem er für den Gierschlund eine Räuberleiter macht. Räuber hat es damals im sechzehnten Jahrhundert etliche gegeben, den Herzog von Alba zum Beispiel. Der hat die Menschen ziemlich grauslig unterdrückt. Die haben es sich gefallen lassen und vom Fressen geträumt. Derlei hat man in den Achtziger Jahren im Religionsunterricht gelernt (Die Welt mitgestalten, Religion BHS 4). Heute lernt man so etwas auch noch, aber das ist nicht mehr zeitgemäß. Heute ist das ganz anders. Heute benötigt man zum Ruhigstellen von Massen kaum mehr Brot, zumindest kein richtiges Brot. Da genügen ein paar Billigflüge nach Barcelona und Brüssel, Markenfetzen, die nichts kosten, und gratis W-LAN in jedem Münzklosett. Als Gegenleistung liefern die sowieso bereits Geneppten auch noch dankbar ihre Daten ab. Stellt sich dann doch ein Gefühl des Untervorteilswordenseins heraus, dann steht für solche Menschen irgendein Radikalisierungswurschtel bereit. Der krakeelt dann irgendetwas von Esdenendadrobeneinmalrichtigzeigenwerden und kassiert dafür noch einmal kräftig ab.

 

Zurück zur böhmischen Masse

 

Versteht man unter dieser nicht die Rohmasse für eine Mehlspeise, die am Sonntagmorgen verzehrt wird, dann gilt sie als Bezeichnung für das Wald- und Mühlviertel, das heißt für Steine aus dem Proteiozoikum aus der Zeit vor zweitausendfünfhundert bis fünfhundertneunzig Millionen Jahren. Die liegen natürlich auch auf der anderen Seite der Staatsgrenze drüben. Damals sind noch nicht einmal die Saurier gewesen. Riesling hat es ziemlich sicher auch noch keinen gegeben. Trotzdem wächst der ganz vortrefflich auf den Böden aus dem Proteiozoikum. Das hat das Proteiozoikum damals freilich nicht wissen können, aber darauf hinweisen darf man heute.

 

Drei Rieslinge von der böhmischen Masse

 

Dürnstein gehört nicht zu den Lieblingsortschaften vom Rudl. Hat es dort unter null Grad Celsius, dann ist alles zugesperrt, hat es über null Grad Celsius, rollen einem ständig E-Biker, Tretroller oder englische Touristen über die Zehen. Trotzdem verweist Dürnstein auf zwei Besonderheiten, die es sonst in der Wachau kaum gibt: eine formidable Bäckerei und eine Bioweinbaumeisterin. Die gehören eh zusammen.

Caviste Rudolf freut sich, fast seit Eröffnung seines Weinkaufgeschäfts Weine vom Weingut Schmidl in Dürnstein offerieren zu können, diese Woche macht er das sogar glasweise.

 

Riesling Smaragd Kellerberg 2001, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau

 

Riesling Smaragd Kellerberg 2013, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau

 

Riesling Smaragd Achleiten 2016, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau

 

Nick Setford ist in Stoke-on-Trent aufgewachsen, als Sohn eines Braumeisters. Ob deswegen oder trotzdem … oder deswegen und trotzdem entzieht sich der Kenntnis des Rudls, aber Nick Setford trinkt gerne Wein und hat in eine Wachauer Familie mit Weingarten in der Lage Achleiten eingeheiratet. Den Weingarten hat er auf biologische Bewirtschaftung umgestellt und Wein gemacht. Zweitausendvierzehn oder Zweitausendfünfzehn muss ihm bewusst geworden sein, dass er lieber im Weingarten als im Keller arbeitet. Darum hat er die Trauben Theresia Harm vom Weingut Schmidl in Dürnstein zur Vinifizierung angeboten. Etwas Besseres hätte Herrn Nick, dem Weingut Schmidl und den Trauben nicht passieren können, findet der Rudl.

 

Zum Vergleich Rieslinge, die nicht auf der böhmischen Masse gewachsen sind

 

Riesling de vite 2016, Weingut Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March, Weinviertel

Der hat auch ein Stammleiberl im Sortiment vom Rudl. Löss

 

Riesling 2016, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel

Konglomeratsschotter von der Urdonau

 

Riesling ab Avo 2015, Weingut Steiner, Klöchberg, Südoststeiermark

Basaltverwitterungsboden. Ein Blick in alte Weinbücher zeigt, dass Klöch und Umgebung früher auch für Riesling ziemlich bekannt gewesen sind.

 

  • Riesling 2016, Leo Uibel, Ziersdorf, Weinviertel (2,50/4)
  • Riesling de vite 2016, Weingut Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March, Weinviertel (3/5)
  • Riesling ab Ove 2015, Weingut Steiner, Klöchberg, Südoststeiermark (4,50/7)
  • Riesling 1977, Weingut Klinglhuber, Langenlois, Kamptal (3/5, sofern noch vivant)
  • Riesling Smaragd Achleiten 2016, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau (5/8)
  • Riesling Smaragd Kellerberg 2013, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau (5/8)
  • Riesling Smaragd Kellerberg 2001, Weingut Schmidl, Dürnstein, Wachau (6,50/10)

 

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

, selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 9. Mai und am Freitag, den 11. Mai

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Vorschau auf den 16. und 18. Mai

voraussichtlich neue Weine zur Bildungsreform: Kreide und Schiefer

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Schönen Sonntag die Madln, seawas die Buam!