Ostereiersuchwein Jacquère und Osterbock aus Hainfeld

Ostern als solches

 

Anders als Dezernatsleiter Paul Schremser, der nicht zu Ostern geht, zumindest beabsichtigt er das drei Wochen davor, freut sich der Rudl auf den Osterhasen und das Osterfest. Das weckt bei ihm Kindheitserinnerungen, er meint bis zurück ins Einundsiebziger Jahr.

 

Steirische Ostern

 

Ostern ist beim Rudl immer auch die Steiermark, kulinarisch, oenologisch und linguistisch.

Lange Zeit war für Herrn Rudolf Ostern auch das Fest des Steirischen Sauvignons, für ihn die weingewordene Osterzeit. Und dann hat der weltweite Zirkus um diese Rebsorte angehoben. Den Rest erlaubt sich Caviste Rudolf, Ihnen und sich zu ersparen.

 

Kollateralnutzen

 

Der Rudl ist kein Sonntagskind, dreißig Minuten haben gefehlt. Zum Glück, denn der Sonntag wäre der zwanzigste April gewesen. Trotzdem stellen sich Ärgernisse für ihn in weiterer Folge erstaunlich oft als außerordentliche Glücksfälle heraus. Justament zu der Zeit, als Sauvignon Blancs aus der Steiermark in Blindverkostungen regelmäßig die gelatinehältigen Naschprodukte aus der ganzen Welt hinter sich gelassen haben, wollte es dem Rudl sein Vollständigkeitstick, dass er in Savoyen auch der Rebsorte mit der nicht so grandiosen Nachrede Aufmerksamkeit geschenkt hat.

 

Jacquère

 

Wenn es in einer zweitausend Hektar kleinen Weinbauregion Massenwein geben kann, dann wird man in Savoyen Jacquère als dessen Rebsorte betrachten müssen. Mehr als tausend Hektar sind dort mit der autochthonen Jacquère bestockt. Ganz präzise hat sie ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges, ungefähr dort, wo Jean Masson und die Giachino Brüder wohnen, was kein Zufall ist.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife. Am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen ist das nicht ganz unwesentlich. Und sie schützen die engbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau.

Seinen bisweilen nicht ganz so guten Ruf verdankt Jacquère ihrer Fruchtbarkeit. Ohne Ertragskontrolle hängen an so einem Jacquèrestock, sofern er unter hundert Jahre jung ist, gleich einmal ein paar Kilo Trauben. Das konveniert, wenn man möglichst große Mengen zum Indenglühweinhäfenhinein- oder Demfonduehinterherschütten benötigt. Möchte man jedoch bei Blindverkostungen renommiertere Weißweine sekkieren, dann will der Ertrag begrenzt sein, von wem auch immer.

Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint die relativ weite Verbreitung der Jacquère in Savoyen auf den möglichen hohen Hektarertrag zurückzuführen sein. Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint bei der Jacquère nur im Fall restriktiver Ertragsbegrenzung etwas Gscheites herauszukommen. Anders als der Grüne Veltliner dürfte die spät reifende Jacquère aufgrund der Klimaerwärmung nicht so schnell ins Schwitzen geraten. Wenn es einmal sehr heiß ist, wird sie halt ein bissl reif. Aber immer noch nach fast allen anderen Rebsorten. Trockenstress ist mit entsprechend tiefen Wurzeln und in entsprechend vorgerücktem Rebstockalter auch nicht angebracht. Im Fall von klimawandelbedingten Wetterextremen ist allerdings auch die gute Jacquère mit ihrem Latein irgendwann einmal am Ende, weniger bei Spätfrost als bei Hagel.

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn, in äußerst gelungenen Fällen aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund. Manchmal kommen Mandeln, Haselnüsse und Lindenblüten dazu, wenngleich nie so intensiv wie bei Altesse.

 

Wein&Globalisierung

 

Mehr als weltweite Klimakapriolen scheinen der Jacquère weltweite Geschmackskapriolen zuzusetzen. Die dürften wirklich keine Grenzen kennen, und Reinzuchthefen auch nicht. Das muss zu viele savoyardische Winzer auf die Idee gebracht haben, ihre Jacquère zu sauvignonoidisieren.   Nicht dem Rudl seins.

 

Essen und Wein

 

Gute Jacquère passt eigentlich zu allem, zum Gulasch vielleicht nicht so hervorragend. Abgesehen davon fällt dem Rudl keine Unvereinbarkeit ein. Als klassisch gilt Jacquère mit Fondue. Ganz originell ist das nicht. Jacquère zur Forelle ist auch klassisch, auch nicht originell, aber trotzdem ziemlich eine Idealbesetzung.

Das dezente Prickeln, der niedrige Alkohol, das kongeniale Zusammenspiel von Frische, Leichtigkeit und appetitanregendem Temperament der Jacquère erinnern den Rudl an einen Gebirgsbach während der Schneeschmelze. In diesem Zusammenhang hat der Rudl vor einem Jahr Spekulationen über Wechselwirkungen zwischen Weingärten und der Größe von Gewässern, auf die die Weingärten hinunter schauen angestellt. Die wiederholt er jetzt nicht.

 

Frühling

 

Dem Rudl sein Faible für den Frühling ist ausgeprägt und daher ein Hinweis darauf der Nachvollziehbarkeit seines vorösterlichen Weinprogramms nicht ganz abträglich. Darum wiederholt Herr Rudolf einen Teil seiner diesbezüglichen Ausfürhung hier jetzt schon.

 

Seinerzeit, Bezirk Salzburg Umgebung

 

Dort, wo Monsieur Rudolf aufgewachsen ist, dort war damals noch dieser Winter. Der hat dort irgendwann Ende November oder Anfang Dezember eine unterschiedlich dicke, aber ziemlich lückenlose Decke über die Wiesen und Wälder gezogen. Das war an sich schon eine aufregende Sache. Eine Spur aufregender war es für den Rudl dann immer, wenn irgendwann im März die Sonne den Blick auf bis dahin drei Monate lang verborgene Plätze, Pflanzen und Utensilien freigelegt hat. Die hat man gut und klar in Erinnerung gehabt. Die nicht gerade spärliche Freizeit war damals dort kaum anders zu verbringen, als in Bachbetten herum zu graben oder irgendwo im Freien herumzurennen, zu kraxeln oder zu hängen und auf Veränderungen zu warten, von denen man sowieso gespürt hat, dass sie sich nicht einstellen würden, zumindest nicht vor Godot. Eine verwelkte Krenstaude, ein Holzbrettl oder vielleicht sogar ein fast vergessenes Spielzeug nach Monaten wieder zu sehen war zumindest interessant. Drum wird es den Herrn Rudolf stets begeistern, wenn nach einem Winter die Vegetation den Dienst wieder antritt. Seine Begeisterung wird immer mit einem Anflug kindlicher Freude einhergehen und diese Freude wird immer in einem Schokoladeosterhasen in einer bunten Staniolpanier unter einem Strauch seinen schwer überbietbaren Höhepunkt erblicken. Sentimentale Verklärung hin oder her, aber so schaut es halt einmal aus.

 

Weinbaumeister

 

Der Untergang des savoyardischen Jacquèreabendlandes hat zwar viele Gesichter, aber wie immer leistet eine Hand voll wackerer, unbeugsamer Zeitgenossinnen  und Zeitgenossen Widerstand.

 

Die Gebrüder Giachino

 

Ja, es gibt in den Weingärten der Giachinos zwischen der Bruchstelle des Mont Granier am nördlichen Ende des Chartreuse Gebirges und dem Lac de Saint André auch ein paar Weinstöcke anderer Rebsorten, Altesse, Gamay, Mondeuse und Persan. Darüber hinaus haben es sich die Giachinos zum Ziel gesetzt, früher verbreitete Rebsorten aufzuspüren und auszusetzen.

Mengenmäßig fällt das alles aber nicht ins Gewicht. Die Jacquère dominiert. Und die Giachinos machen fast alles mit dieser Rebsorte, Aperolspritzer nicht, aber vom ganz früh gelesenen „Wein wie seinerzeit“ über einen dezenten Orangen bis zum Schaumwein nach der méthode traditionelle machen sie alles.

 

Monfarina 2015, Giachino

 

Seit dem Dreizehner leisten ein bissl Mondeuse Blanche und Verdesse der Madame Jacquère Gesellschaft.

 

Primitif 2010, Giachino

 

Sehr früh gelesen. So könnte Wein aus Savoyen geschmeckt haben, bevor Oenologie in den Kellern und Klimaerwärmung in den Weingärten Einzug gehalten haben. Neun Percent Alkohol, den Giachinos zufolge mit Affinität zum Biss in eine Traube, dem Rudl zufolge mit einer zu einem Schluck Verjus. Spontanvergoren, drei Monate auf der Feinhefe, fast virtuos kaschierter Säureabbau, sowieso auch keine Zutaten. Den Trinkhorizont geben die Giachinos auf ihrer Homepage mit 1 bis 100 Jahren an. Ausverkauft ist der Wein bei ihnen immer schon deutlich früher.

 

Marius & Simone 2015, Giachino

 

Eine Hommage an die Großeltern der Giachinos. Er, der alte Giachino soll begeistert ein Glasl getrunken und sie, die alte Giachino das ebenso begeistert problematisiert haben.

Zwei Tage Vorgärung, dann zwanzig auf der Maische, vom Tank ins Fass, zehn Monate auf der Feinhefe, minimale Schwefelzugabe von einem Gramm pro Hektoliter, das aber auch erst bei der Füllung.

Zum bereits Erwähnten kommen Mandel- und Haselnussanklänge.

 

Jean-Claude Masson

 

Noch ein bissl weiter geht Monsieur Masson. Es gibt einfachere Dinge im Leben, als bei ihm einen Termin zu bekommen. Wenn man einen bekommt, muss man Zeit haben. Ideal ist es auch, wenn draußen nicht jemand auf einen wartet, zum Beispiel ein Fünfjähriger, zu dessen Kernkompetenzen nicht das Geduldigwarten zählt, oder eine Frau, die Hunger hat. Oder beide.

Sitzt man dann im spärlich beleuchteten Keller von Monsieur Masson auf einem Holzbrettl und hört dem Meisters zu, kann es passieren, dass man auf die Außenwelt vergisst. Allerdings kann man im Nachhinein mildernde Umstände geltend machen. Denn Monsieur Masson lässt einen vor Ende der Lehrveranstaltung sowieso nicht hinaus.

 

Apremont „Lisa“ 2016, Jean Masson, & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie

 

Monsieur Jean-Claude hat zwei Kinder, Lisa und Nicolas. Geschwister sind einander oft sehr unähnlich. Lisa und Nicolas, zum Beispiel, zumindest aus der Sicht ihres Vaters. Sie sei straight, früh auf den Beinen und Tempo grundsätzlich nicht abgeneigt, er ein Musikant, kein Freund des Sonnenaufgangs und nicht die Personifizierung von Verbindlichkeit.

Diesen beiden Persönlichkeitsprofilen entsprechend macht Jean-Claude Masson zwei Weine, die er jeweils nach seinen Kindern benennt.

Lisa ist geprägt von Grapefruit- und Orangenaromen, akkurat. Monsieur Masson empfiehlt dazu alles, was aus dem Wasser kommt oder savoyardischen Käse.

In diesem Zusammenhang erinnert Herr Rudolf wieder einmal daran, dass es äußerst gern gesehen ist, wenn Sie sich die Jause in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils selber mitbringen, jetzt so knapp vor Ostern irgendetwas mit Kren. Ein Reibeisen erwartet Sie und Ihre Krenwurzn vor Ort, sofern Sie Ihre Krenwurzn nicht bei Amazon bestellt haben. Ein Ei, bevorzugt nicht aus einer Eierlegemaschine, auch nicht aus einer biologischen Eierlegemaschine, sondern von einem Hendl im altmodischen Stil, das nicht nach Kunden- und vor allem Großhandelswunsch designed worden ist. Oder ein Reblochon, ein Beaufort, ein Tomme de Savoie oder ein Abondance.

 

Apremont „La Déchirée“ 2016, Jean Masson, & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie

 

Direkt repräsentativ für den Cru Apremont sind die Weine von Jean-Claude Masson ja alle nicht, La Déchirée wächst auf einer Parzelle am Gipfel von Apremont, umgeben von Himbeer- und Brombeerhecken. Die Trauben werden selbst für Jacquèreverhältnisse spät gelesen, entsprechend überraschend und markant sind die Aromen, gar nicht so oft anzutreffende Kombination aus imposanter Statur und steiniger Raffinesse, findet der Rudl. Wenn etwas in einer Sauce schwimmt, passt dieser Wein ziemlich sicher dazu.

 

Apremont „La Centenaire“ 2015, Jean Masson & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie

 

Über hundert Jahre alte Stöcke rufen in Erinnerung, was diese sonst oft ein bissl zugeknöpfte Rebsorte vermag. Jean-Claude Masson kennt den Wein bis zum Jahrgang 1945 zurück. Viel hängt an diesen Stöcken nicht mehr oben, dafür hält der Wein, der aus den wenigen Beerln gemacht wird, umso länger. Frische Mandeln, Steinobst und Stein.

 

Apremont „Coeur d’Apremont“ 2015, Jean Masson, & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie

„Flaggschiff“ werden solche Weine immer wieder genannt, nicht dem Rudl seine Lieblingsbezeichnung für einen extraordinairen Wein. Noch niedrigerer Ertrag als bei der hundertjährigen alten Schachtel, langer Verbleib auf der Feinhefe, Kraft und Präzision, kandierte Früchte.

Jacques Maillet

 

Ni-Ni-Ni (Weder filtriert, noch angereichert und auch nicht geschönt) Jacquère vom rüstigen Rentner und seinen alten Rebstöcken aus Motz.

 

Gilles Berlioz, Chignin

 

Ziemlich genau gegenüber von Masson und Giachino, am anderen Ufer der Isère. Mehr Sonne.

 

Brauerei Hainfeld, Osterbock

 

Der Rudl hat es heuer nicht geschafft, nach dem Faschingsdienstag nach Salzburg Mülln zu fahren, um dort ein der Festzeit entsprechendes Bier zu kaufen. Vor dem Aschermittwoch war der Rudl schon dort, aber da verkaufen sie das Bräustübl Fastenbier nicht.

Darum ist Herr Rudolf vergangene Woche mit dem Regionalzug nach Hainfeld gefahren, um dort einen Osterbock zu kaufen.

 

 

 

 

  • Jacquère 2014, Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
  • Primitif 2010, Giachino, Chapareillan, AOC Vin de Savoie (2,50/4)
  • Monfarina 2015, Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (2,50/4)
  • Jacquère 2015, Jacques Maillet, Chautagne, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Jacquère „Chez l’Odette“, Christine et Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Apremont „Lisa“ 2016, Jean Masson & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Apremont „La Déchirée“ 2016, Jean Masson & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Apremont „La Centenaire“ 2015, Jean Masson & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie (5/8)
  • Apremont „Coeur d’Apremont“ 2015, Jean Masson & Fils, Apremont, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Marius & Simone 2015, Giachino, Chapareillan, Vin de France (4/6)
  • Osterbock, Brauerei Hainfeld, Niederösterreich (Seidl: 3 Euro)

(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

 

…, selbstverständlich nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 21. März und am Freitag, den 23. März

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Vorschau

In der Karwoche ist der Rudl auf Dienst- und Studienreise. Da bleibt die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils geschlossen.

4. und 6. April: Ein neuer Weinbaubetrieb betritt das Sortiment der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils: Les Fils de Charles Trosset

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Herr Rudolf grüßt fast alles, was blüht!