Liberté, Egalité, Rationalité! Sieben Weine zum internationalen Frauentag

Es gibt Tage, 365, respektive 366 im Jahr. Und es gibt Tage, an denen etwas Bestimmtes gefeiert oder zumindest in den Vordergrund gestellt wird, möglicherweise mehr als 365 im Jahr.

Manche dieser Tage findet Herr Rudolf ausgesprochen erfreulich, Weihnachten zum Beispiel, Ostern auch, Nikolaus, den Rupertikirtag und den Jakobitag, an dem in der Steiermark und in Wien Hasenleiten die Klapotetz aufgestellt werden. An anderen Tagen tut sich der Rudl ein bissl schwer, die nötige Nachvollziehbarkeit für ihre Hervorhebung zu erkennen,  beim Tag des Windes zum Beispiel, aber auch beim Stefanitag.

Und dann gibt es ein paar Tage, die Monsieur Rudolf bis auf Widerruf, quasi mit Ablaufdatum für angebracht hält, den internationalen Frauentag etwa bis zum Tag, an dem gleiche Marie für gleiche Arbeit bezahlt wird, eine halbwegs egalitäre, weniger ideologische und weniger neurotische Aufteilung des Einflusses auf die Erziehung von Kindern gewährleistet ist, nicht zwischen Mama und Oma, sondern zwischen Mama und Papa. Dann fände es Sportsfreund Rudolf auch noch überaus begrüßenswert, wenn man dem Zeitgeist die immer zwanghafteren Vorstellungen, aus dem Körper „etwas machen“ zu müssen, ein bissl wegtherapieren könnte, den Buben gerade so als wie den Madln.

Und wenn irgendwann fair gehandelte Panier nicht nur Frauen, sondern auch Männern accessibel gemacht würde, wäre in der Wahrnehmung vom Rudl auch etwas erreicht.

Der Rudl ist kein Busenfreund des Binnen-I und die außerfamiliäre Kinderbetreuung ab der Geburt hält er auch nicht unbedingt für den Nachweis einer Hochkultur. Das ist Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe vermutlich schon aufgefallen, aber eine egalitäre Gesellschaft, die nicht gleich macht, sondern bei annähernd gleicher Anstrengung gleich berechtigt, ist ihm ein großes Anliegen.

 

Gilles Berlioz aus Chignin. Ein Winzerautodidakt, wie er in keinem Buche steht. Wiederholung vom Sommersemester 2017

 

Es gibt Weinbauern, die ihr Weingut von ihren Eltern übernommen haben und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihr Weingut von ihren Eltern übernommen haben und nicht so guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die einen anderen Beruf gelernt, dort einen Haufen Knödel gemacht, dann ihre Lebensplanung geändert haben und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die einen anderen Beruf gelernt, dort einen Haufen Knödel gemacht, dann ihre Lebensplanung geändert haben und nicht so gut Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihren Beruf gelernt haben, obwohl ihre Familie nichts mit Weinbau zu tun gehabt hat, und guten Wein machen. Es gibt Weinbauern, die ihren Beruf gelernt haben, obwohl ihre Familie nichts mit Weinbau zu tun gehabt hat, und nicht so guten Wein machen. Und es gibt Gilles Berlioz. Als Sohn eines Hacklers hat er zuerst auf Paysagiste gelernt. 1990 haben seine Frau und er dann beschlossen, Weinbau zu betreiben, mit 0,8 Hektar, als Autodidaktin, respektive Autodidakt. In den Folgejahren haben sie die 0,8 Hektar auf sieben erweitert, um sie danach wieder um die Hälfte zu reduzieren und biologisch umzustellen. Der Schritt zur Biodynamie war dann kein ganz abwegiger. Besonders hoch im Kurs steht bei Gilles Berlioz die Intuition.

 

Chignin

 

… liegt am Südwesthang im Combe de Savoie, das ist das Tal der Isère nach Albertville hinein. Die Rebstöcke stehen auf Geröllhängen aus Jurakalk und Mergel und schauen hinunter auf den „Boulevard des Alpes“. Dort fahren und vor allem stauen im Winter die Kraxen in die Skigebiete hinauf, im Sommer auf Turin hinunter. Gilles Berlioz ist in Chignin daheim.

 

Roussanne

 

ist auch in Chignin daheim, so daheim, dass sie in Savoyen Chignin-Bergeron genannt wird. Vom Prestige gehören diese Weine ziemlich sicher zu den renommiertesten in Savoyen, von den Preisen her auch. Dem Rudl seiner Meinung nach werden viele davon überbewertet. Ihre manchmal geringe Säure ist ihm in Verbindung mit für savoyardische Verhältnisse hohen Alkoholwerten ein bissl zu südlich. Ursprünglich herkommen tut Roussanne angeblich aus Tain l’Hermitage, wobei das mit den Ursprüngen dem Rudl seines Erachtens auch überbewertet wird. Einerseits findet es Herr Rudolf hoch interessant, nach Ursprüngen zu fragen. Andererseits geht ihm das dogmatische oder neurotische Getue um die Wurzeln, das jede noch so dezente Kritik oder jeden Vorschlag eines Äutzerls an Veränderung zum Verrat oder zur Verletzung der Ehre aufbläst, ganz außerordentlich auf den Zeiger. So oder so dürfte es die Roussanne schon ziemlich bald einmal von der Rhône nach Savoyen verschlagen haben, allerdings ausschließlich in die Gegend um Chignin.

Sehr geringe Erträge und eine prekär späte Reife dürften ein Grund für das Schrumpfen der sowieso homöopahtischen Dimensionen mit Roussanne bestockter Rebfläche in Savoyen sein. Die relativ hohen Preise des Chignin-Bergeron könnten auch eine Rolle spielen. Monsieur Rudolfs Erklärung ist, dass die zweitausend Hektar kleine Weinbauregion Savoyen mit Jacquère und Altesse zwei ausgesprochen kompetente Rebsorten hat und andere Rebsorten dort nicht gerade dringend abgehen.

Die Kalkkieselböden bei Chignin scheinen es der Roussanne trotzdem angetan zu haben. Kleine, zylindrische Trauben, Beeren mit goldgelbem Teint und rostbraunen Einsprengseln. Zucker vermag sie viel einzulagern, entsprechend solide können die Alkoholwerte der aus ihr gekelterten Weine ausfallen. Haselnuss- und Weißdornaromen sind nicht ungewöhnlich, wobei der Rudl das lediglich gelesen hat. Wissen, wie Weißdorn schmeckt, tut er persönlich nicht. Eine lange Lagerfähigkeit wird der Roussanne nachgesagt. Sofern die Säure passt, legt Caviste Rudolf nach.

 

Les Filles

 

Seit dem Jahrgang 2007 widmet Gilles Berlioz den Damen in seinem und um seinen Betrieb den besten Wein des Hauses und nennt ihn „Les Filles“. Das Etikett ziert seither auf jedem Jahrgang eine andere künstlerische Darstellung von Frauen, stets geschmackvoll, niemals plump, das gerade Gegenteil von manchem Etikett aus der Naturweinszene. Den Rudl beschleicht ja der Verdacht, dass der eine oder andere nackerte Popo auf einem Weinetikett das Auffälligste am betreffenden Kultwein ist. Die Ansicht von hinten hat für einen sesshaften Zeitgenossen wie den Rudl auch immer ein bissl was mit Flucht zu tun, im gegenständlichen Fall vielleicht auch nur mit flüchtiger Säure. Aber bitte.

Die Bilder auf den Etiketten von Gilles Berlioz sind frei von Effekthascherei. Trotzdem ist Weinmeister Berlioz immer wieder mit der Frage nach Unausgewogenheit seiner Weinbezeichnung konfrontiert worden. Darum hat er irgendwann einen anderen Chignin-Bergeron „Les Fripons“, auf gut Deutsch „Die Spitzbuben“ genannt.

Ganz egalitär ist das dann aber auch wieder nicht gewesen, weil der Terminus „Spitzbuben“ in der einen oder anderen Komponente seiner Bedeutung über eine schlichte Geschlechtsbezeichnung hinausgeht. Darum gibt es jetzt bei Gilles Berlioz und diese Woche auch beim Rudl, dort allerdings nur glasweise, den Chignin-Bergeron „Les Friponnes“, die Spitzmadl oder Spitzbübinnen, wenn Sie so wollen.

 

  • Chignin-Bergeron „Les Filles“ 2015, Domaine partagé. Christine et Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Fripons“ 2015, Domaine partagé. Christine et Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (6/9)
  • Chignin-Bergeron „Les Friponnes“ 2015, Domaine partagé. Christine et Gilles Berlioz, Chignin, AOP Vin de Savoie (5/8)darüber hinaus zwei gegenderte Weine
  • Gräfin (Sauvignon Blanc), Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (5/8)
  • Graf Morillon, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Steirerland (5/8)… des Rudls Dafürhalten der beste Chardonnay außerhalb Chablis

    sowie zwei Weine von äußerst kompetenten Winzerinnen

  • Blaufränkisch 2015. Dankbarkeit. Christine Lentsch, Neusiedlersee (3/5)
  • Riesling Kellerberg Federspiel, Weingut Schmidl , Dürnstein, Wachau (3/5)(in Klammern die Preise für das Sechzehntel und das Achtel)

    …, aber nicht ausschließlich diese Weine gibt es glasweise

     

    am Mittwoch, den 7. März und am Freitag, den 9. März

    jeweils von 16 bis 22 Uhr

    in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

     

    Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

     

    Vorschau auf die Lehrveranstaltungen vom 14. und 16. März:

    Versuch einer Kür des besten Weins der Weinbauregion Savoyen.

    Der Rudl möchte wieder einmal darauf hinweisen, dass jedwedes Flascherl aus dem Sortiment seines Kaufgeschäftes gegen einen Aufpreis von fünf Euro vor Ort konsumiert werden kann, im Fall zeitgerechter Ankündigung selbstverständlich gekühlt.

     

    Herr Rudolf grüßt etwas frei nach Professor Conrads: Habe die Ehre, les Friponnes, seawas, les Fripons!