Districtus Austriae Non-Controllatus

Der Rudl ist keine Psychologe. Wäre er einer, würde er sich der Erforschung von Allmachts- und Kontrollphantasien widmen. Aber er ist keiner. Und für Sie ist das ziemlich sicher auch gut so. Wäre der Rudl nämlich ein Allmachts- und Kontrollphantasieforscher, hätten Sie jetzt vermutlich eine hundertachtzigseitige Diplomarbeit vor sich und so nur einen Newsletter, mit dem man bei der Deutscheinheizmatura durchfallen würde, weil er sich den Umfangkontrollkriterien verweigert.

Kein Psychologe

So kann sich der Bachelor Vinoris Causa darauf beschränken festzuhalten, dass ihm die permantente Dokumentiererei, Eintragerei in Excel-Dateien und Absprecherei, … vieles davon unter dem Vorwand der Digitalisierung, ordentlich auf den Zeiger gehen. Und jedes Jahr scheinen die Kontrollneurotiker ein paar Schäuferl nachzulegen. Längst vorbei die Zeiten der ewigen Worte des Trainers, als sich Kontrolle auf die Frage, ob man einen Fahrschein mit sich führe oder nicht, beschränkt hat. Im Fall einer negativen Resonanz des Kontrollierten ist der Diskurs seitens des Kontrollorgans mit den höflichen, aber unmissverständlichen Worten „Gemma, gemma, brenn!“ zu einem für alle Beteiligten vielleicht nicht erfreulichen, aber zumindest akzeptablen und vor allem klaren Abschluss gebracht worden (Ostbahn-Kurti & die Chefpartie). Heute appelliert der Schwarzkappler vermutlich an den guten Willen und lädt den Übeltäter ein, sich auf irgendeiner Seite registrieren zu lassen und umgehend Kontodaten und Einziehungsauftrag hochzuladen.

Ein Verdacht als Arbeitshypothese

Der Rudl hat überhaupt nichts gegen Kontrollen, vor allem dann, wenn sie von Menschen durchgeführt werden, die etwas von der betreffenden Sache verstehen, wie etwa der Schwarzkappler vom Fahrschein.
Aber derlei Kontrollen scheinen selten geworden. Stattdessen wird heute dokumentiert, berichtet, standardisiert, sprich: uniformiert und hochgeladen, nur damit die Menschen auf Trab gehalten werden und in dieser Zeit nicht irgendeine Eigeninitiative entfalten können. Dem Rudl seine dialektische Arbeitshypothese ist, dass das deswegen so ist, weil eben niemand mehr kontrolliert, der eine Ahnung von der jeweiligen Sache hat. Monsieur Rudolf hat manchmal geradezu den Verdacht, dass dort, wo Zeitgenossen ihr Handwerk nicht gelernt haben oder keine Lust haben, es auszuüben, aufgestiegen werden will. Da wird dann am Auftreten und an den Präsentationstechniken gearbeitet, so lange, bis man sich endlich auf einem Posten befindet, für den man ganz sicher unqualifiziert ist. Seinen Aufgaben nachgehen kann man dann nicht können. Kontrolle ausüben wäre auch riskant. Da könnte ja jemand bemerken, dass man eine Flasche ist. Darum lässt man kontrollieren, am besten jeden sich selber, indem er siebzig Prozent seiner Arbeitszeit dafür verwendet, zu dokumentieren und das Dokumentierte irgendwohin in pannenschwangere Systeme hochzuladen, wobei sich dem Citoyen Rudolf als egalitärem Zeitgenossen die Bedeutung des Begriffs „hochladen“ bis jetzt sowieso nicht ganz eröffnen will. Wohin denn da hinauf laden? Ist da oben jemand? Auf jeden Fall niemand von Microsoft, Facebook oder Apple, wenn es nach dem Rudl geht.

In allen Lebensbereichen

Der boulevardaffinste Bundeskanzler aller Zeiten und die ehemalige Sicherheitsministerin haben unlängst ein imposantes Exempel statuiert, aber nicht ganz konsequent weitergedacht. Als der Boulevard immer heftiger gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht hat, wollte Entschlossenheit präsentiert sein. Darum hat man ein kleines Stückerl Zaun gebaut, diesen mit einer PR-Offensive für das Bundesheer verbunden und die Fotografen der drei Wiener Qualitätsblätter verständigt. Man soll ja man ironischen Vorschlägen vorsichtig sein, weil sie oft schneller, als man schauen kann, von der Wirklichkeit überholt werden. Aber effizienter wäre es im Sinne der Dichtmacher gewesen, an den Grenzen halbfunktionstüchtige Tabletts zu verteilen und die Einreisewilligen einmal so richtig hochladen zu lassen, alles, was sie wissen. Da wären sie beschäftigt gewesen, zumindest bis zum nächsten Wahltermin.
Vielleicht bedeutet die post-partizipative Gesellschaft ja Herrschaft der Eliten durch permanente e-Beschäftigung der Massen. Wenn Sie jetzt erwidern, dass das unproduktiv ist, dann haben Sie damit ziemlich sicher Recht. Aber dafür ist alles irgendwo hochgeladen und gespeichert, wo es gegebenenfalls niemand liest.

Im Keller und im Weingarten

Wie gesagt, das hat alles den Charakter einer Wald- und Weingartenpsychologie, aber es würde vielleicht erklären, warum heute so wenig weiter gebracht und so viel abgesprochen, dokumentiert, hochgeladen und bürokartisiert wird.

Kontrollierter Wein

Beim Wein heißt man die Kontrollen Prüfnummer, Appellation und in Österreich heute ganz besonders DAC, Distructus Austriae Controllatus. Und auch da hat der Rudl nicht grundsätzlich etwas gegen Kontrolle. Gäbe es etwa beim Biowein keine Kontrollen, würde heute vermutlich jeder Wein, der im Freien wächst, als Biowein etikettiert werden. Bei einigen anderen Kontrollen schaut die Geschichte dem Rudl seiner Meinung ganz anders aus. Vor allem ist dem Rudl da manchmal nicht ganz klar, wer diese Kontrollen wie und warum durchführt. Kann es sein, dass da manchmal Verkostungskommissionen ihren nicht immer ganz breiten Horizont zur Norm erklären? Was davon abweicht, ist Landwein, Vin de France oder Indication Géographique Protégée?
Darum öffnet Herr Rudolf diese Woche Weine, die sich dem einen oder anderen Korsett verweigern. In diesem Zusammenhang ist Rudolfen erst jetzt aufgefallen, dass mit einer Ausnahme sämtliche steirischen Weine in seinem Sortiment Landweine sind. Von jedem steirischen Landweinbauern wird es diese Woche einen glasweise geben. Die Ausnahme dann nächste Woche.

Franz und Christine Strohmeier, Rosésekt, Schilcherland
Jacques Maillet nennt diese Weine Ni-Ni-Ni-Weine. Keine Anreicherung, keine Schwefelzugabe, keine Filtration und keine Schönung. Blauer Wildbacher als Einstimmung auf das Schilcherfest am Rathausplatz. Aber halt einer, den Sie dort nicht finden.

Karl Schnabel, Blaufränkisch Hochegg 2012, Sausal
Schiefer, Rindviecher und eine Kompromisslosigkeit, die man selten findet, genauso wie einen steirischen Winzer, der sich auf Rotwein spezialisiert hat.

Maria und Sepp Muster, Josef, 2012, Opok
Alte Reben, karger Opokboden, kein bis fast kein zugesetzter Schwefel und zwei bis drei Jahre im großen Holzfass. Zieht Luft und Zeit der Prüfnummer vor.

Herrenhof Lamprecht, Crémant de Herrenhof, Oststeiermark
Der erste Schaumwein vom Herrenhof Lamprecht, Gemischter Satz vom Buchertberg, reife Apfelnoten, Birnen und Blumen vom kalkhaltigen Sandsteinverwitterungsboden.
Josef Umathum, Königlicher Wein MMXII, Österreich
Der Lindenblättrige, ungarisch Hárslevelű, war seinerzeit im Burgenland zuhause, als das Burgenland noch Westungarn war. Dann nicht mehr. Josef Umathum hat die Rebsorte zurück gebracht. Das Weingesetz hat das aber nicht vorgesehen. Der Wein erinnert mehr an Steinobst, Birnen und Kräuter als an Alkohol und Gummibären. Trotzdem darf seine Rebsorte am Etikett nicht namentlich erwähnt werden, der Jahrgang auch nicht und das Weinbaugebiet auch nicht.

Domaine Giachino, Marius et Simone, 2013, Vin de France
Kein zugesetzter Schwefel, interzelluläre Spontangärung, zehn Tage Maceration. Goldreflexe, intensive Nase, Menthol- und Zuckernoten. Eine Hommage an die Großeltern der Giachinos mütterlicherseits, weniger an die Sittenwächter der Appellation, darum Vin de France.

Domaine des Ardoisières, Schiste 2012, Indication Géographique Protégée Vin des Allobroges
Südlich ausgerichtete Terrassen auf kargem Schiefer. 40 Procent Jacquère, 30 Roussanne, 20 Malvasier und 10 Mondeuse Blanche. Spontangärung und Ausbau in drei- bis fünfmal gebrauchten Barriques. Nur findet das alles auf einem Boden statt, auf dem jetzt ein Zeitl kein Weinbau betrieben worden ist und der außerhalb der strengen Grenzen der Appellation Vin de Savoie Protégée liegt, nämlich im oberen Tal der Isère, südlich von Albertville. Michel Grisard und Brice Omont haben 1998 die Weinreben auf den Weinberg in Cevins zurück gebracht, aber eben ohne Einverständnis der Appellationswächter. Darum darf auf den teuersten Weinen Savoyens nicht „Vin de Savoie“ stehen.

Die folgenden sechs Unkotrollierbaren

Franz und Christine Strohmeier, Rosésekt, Schilcherland
Karl Schnabel, Blaufränkisch Hochegg 2012, Sausal
Maria und Sepp Muster, Josef, 2012, Opok

Herrenhof Lamprecht, Crémant de Herrenhof, Oststeiermark
Josef Umathum, Königlicher Wein MMXII, Österreich
Domaine Giachino, Marius et Simone, 2013, Vin de France
Domaine des Ardoisières, Schiste 2012, Indication Géographique Protégée Vin des Allobroges

…, aber selbstverständlich nicht ausschließlich diese, gibt es glasweise

am Donnerstag, den 14. April und am Freitag, den 15. April
von 16 bis 22 Uhr
in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Nachrichten aus dem Flaschensortiment

Ab sofort sind Blaufränkisch Weinberg 2013 von Helga und Alfred Weber in Deutsch-Schützen und Blaufränkisch special edition 2013 von Karl Schnabel verfügbar.

Herr Rudolf wünscht Ihnen eine produktive und kreative Woche!