Améthyste von der Domaine des Ardoisières, ein guter Rat von Adolf Holl und was der Rudl in Anbetracht der Notwendigkeit, eine analoge Studienreise durch den Postler zu ersetzten, lernt

Zuerst wieder Danke!, dass das mit dem Reservieren so gut hinhaut. Bitte halten Sie es weiterhin gewissenhaft! Und der Rudl stellt nach wie vor mit dem Radl nicht bis nach Rio, aber in Wien und Umgebung zustellgebühr- und CO2-frei Wein zu.

Privates

Der Rudl ist sich nach wie vor nicht sicher, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß es in Ordnung ist, hier Privates auszubreiten. Solange das so ist, wird er es in dem Ausmaß, in dem er es als der Stadt und dem Erdkreis dienlich erachtet, tun.

Monsieur Rudolf wird heuer keine Studienreise nach Frankreich durchführen, weil er der Meinung ist, dass es in so einer Situation nicht g’scheit ist, alles was erlaubt ist, gleich auf’s Äußerste auszureizen. Angst müssen Sie aber sicher keine haben, wenn Sie heuer nach Frankreich fahren. Wovor Sie in Frankreich vielleicht Angst haben müssen ist, dass Sie dort bei einem Cavisten ein Flascherl, das Sie angegriffen haben, auch kaufen müssen. „Bouteille touchée – bouteille payée“ (Wer eine Flasche angreift, brennt.) heißt das zum Beispiel bei Bruno Bozzer in Annecy. Das nur als kleiner Hinweis darauf, wie genau man es in Frankreich mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus nimmt. Darum sind Sie in Frankreich vermutlich sicherer als in den meisten anderen Ländern.

Postillion statt Dienstreise

So oder so, heuer spielt es das für Citoyen Rudolf nicht, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und was man vor Ort im Restaurant, bei Cavisten und vor allem bei Weinbauern nicht studieren kann, lässt sich per Fernlernen teilweise ersetzen, zu hundert Percent ohne dabei steuerhinterziehende und hintennach großkotzig Spendenfonds einrichtende Datenbettlerbanden zu unterstützen. Was nötig ist, sind kompetente, analoge Cavisten und ein verlässlicher Briefträger. Mehr braucht der Rudl nicht.

Noch privater. Neobiedermeier II

Anhand des Postlers lässt sich zumindest dem Rudl seiner Meinung nach das Übel der Welt, aber auch der Ausweg aus der selbstverschuldeten, neoliberalen Unmündigkeit sehr schön zeigen.

Der Rudl hat sich schon oft über originelle Arten der Weinzustellung, die letztendlich in einer Nicht-Zustellung resultiert haben, geärgert. Gerade wieder vergangene Woche. Ausnahmslos hat es sich dabei um private Zustelldienste gehandelt.

Darum versendet Herr Rudolf ausschließlich mit der Post.

Wenn Sie dem Rudl bis hierher folgen, dann können Sie aus dem eine gute, eine schlechte oder eine widerliche Konsequenz ziehen.

  • Sie können sich Aktien eines schwindligen Konzerns kaufen und von der menschenunwürdigen Ausbeutung profitieren.
  • Sie können sagen: „Da kann ich ja nix ändern. Das müsste die Politik oder der Markt ändern. Und irgendwann wird sowieso die Technologie soweit sein, dass keine Ausbeutung mehr nötig sein wird.“ Den Rudl erinnert dieser Zugang an das „Deus lo vult“ der Kreuzzüge im Mittelalter. Sauerreien geschehen zu lassen oder sich sogar daran zu beteiligen und zu behaupten, sie seien der Wille einer übergeordneten Macht, auf die man keinen Einfluss habe, (Jenseits-)Vertröstung inclusive. Kindisch.
  • Wenn der Rudl irgendetwas von Marktwirtschaft, parlamentarischer Demokratie, Aufklärung, dem kategorischen Imperativ oder Jesus verstanden hat, dann dass es auf jede Einzelne und jeden Einzelnen ankommt. Wenn der Sowieso ein Produkt verkauft und die Herstellung dieses Produktes einen Schaden anrichtet, dann darf ich dem Sowieso dieses Produkt auf gar keinen Fall abkaufen, und wenn er es mir umsonst nachschmeißt. Und wenn ein Betrieb für sein Produkt oder seine Dienstleistung fast nichts verlangt dafür Menschen, die für ihn arbeiten, ein Mindesmaß an menschenwürdigen Arbeitsbedingungen verweigert, dann ist es nicht smart, wenn ich mich für diesen Betrieb entscheide, sondern zum Speibm. Dann muss ich zumindest den Betrieb wählen, der eine menschenwürdige Behandlung noch am ehesten gewährleistet, auch wenn er für die Beförderung eines Packls vielleicht zwei oder drei Euro mehr verlangt.

Bitte ned!

Kommen Sie jetzt dem Rudl bitte nicht mit „Ich will doch nicht zurück in die Steinzeit! Die Technologie muss das Problem des CO2-Verbrauchs in der Mobilität und bei der Digitalisierung smart lösen.“ Die Technologie, das sind nicht idealistische Phantasten, die gleich legospielenden Kindern in ihren Werkstätten herumtüfteln und auf etwas draufkommen. Die Technologie lebt von Förderungen und findet dort Probleme, wo der Hut brennt, zum Beispiel für einen Tschäsnhersteller, der auf seinen Drecksschleudern trotz Schleuderpreisen, Verschrottungsprämien und weiß der Kuckuck was, sitzen bleibt. Eine andere Sprache verstehen weder der Markt noch die Technologie.

Und wenn jetzt Unternehmerverbände und Gewerkschaften in seltener Einstimmigkeit nach mehr Konsum japsen, dann müssen sie präzisiert werden. Mehr sinnvoller Konsum, unbedingt. Aber weniger von dem Konsum, der Menschenwürde, Natur und letztendlich dann im Namen der sogenannten Optimierung eh auch fast immer die Arbeitsplätze zerstört.

Die „Unterlassung einer dummen Handlung“ hat Adolf Holl als Ziel ausgegeben. Es gibt viele dumme Handlungen und Unternehmungen. Billigfluglinien zum Beispiel, oder Industriegastronomie. Unterlassen wir sie und lassen wir sie zusperren, anstatt sie mit Steuergeld zu retten.

In diesem Zusammenhang zitiert der Rudl einen Bewohner von Kleinhaugsdorf. Der Bewohner hat die Zeit der geschlossenen Grenze letzten Freitag im Europajournal auf Ö1 lapidar mit „Es war eine schöne Zeit“ quittiert.

Crossroads

Wir stehten an einer Kreuzung. An dieser Kreuzung brauchen wir nicht zu warten, bis irgendeine höhere Macht jetzt endlich etwas zum Besseren verändert und an dieser Kreuzung brauchen wir schon gar nicht gscheitln, dass wir genau wüssten, wie es ginge, sich aber leider eh wieder nix ändern wird.

Drei Wege

  • Nützen wir Unmenschlichkeit aus? Das Finanzssystem macht das ohne Schwert, ohne Bomben und vorderhand auch noch fast ohne Diktatur möglich.
  • Suchen und finden wir die Verantwortung in irgendeiner höheren Macht und bedauern kerzlschluckend, dass man da eh nichts ändern könne?
  • Oder kaufen und (unter)stützen wir die Schändung von Menschenwürde jetzt einfach endlich nicht mehr oder zumindest nur im absolut unumgänglichen Ausmaß?

An genau dieser Kreuzung steht der Ich jetzt. Und der Ich steht dort mit seinem Einkaufswagerl im Supermarkt oder im Internet. Und genau dort entscheidet der Ich jetzt, ob nach Corona etwas besser werden wird als vorher oder nicht. Und es entscheidet kein Gott und keine Regierung, auch keine Forschung und kein Markt. Das entscheidet der Ich und die Du und die Wir und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt und nicht irgendwo, sondern da.

Améthyste

Dass Michel Grisard, Brice Omont und ein paar wirklich dickschädlerte Phantasten in den Neunziger Jahren begonnen haben, das nicht nur aufgelassene und mit Wald überwachsene, sondern vor allem abseits aller Weinbauorte liegende Terroir von Cevins zu terrassieren, um es in der Folge mit Jacquère, Altesse, Mondeuse Blanche, Pinot Gris, aber auch Mondeuse Noire und Persan zu bestocken, hat Ihnen, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, der Rudl schon erzählt. Dass die quarz- und schieferträchtigen Böden steil, karg und nicht besonders tief sind und ein paar andere Details auch. All das steht auch auf der Homepage dieses Weingutes. Dort können Sie sich sogar ein kleines Video darüber anschauen. Und dass dieser Hügel bei Cevins das spektakulärste Terroir der Weinbauregion Savoie, zu deren Appellation er aber nicht zählt, ist, meint Dominique Belluard.

Risiko

Dass diese Geschichte gut ausgehen wird, haben die Protagonisten gehofft. Gewusst haben sie es nicht, obwohl Michel Grisard zu dieser Zeit vielleicht abgesehen von den Dupasquiers der einzige savoyardische Weinbauer war, von dem man außerhalb des Departements Notiz genommen hat. Dafür haben sie (mit Ausnahme von Marc Veyrat) ihn innerhalb von Savoyen für einen Narren gehalten. Und das ist er ja auch.

All das erzählen sie in dem Video. Im Grund genommen ist es jetzt noch nicht sicher, dass es mit dem Weingut der Schieferplatten gut gehen wird, weil die Wetterextreme gerade dort hinten im Isère-Tal mit einer ganz schönen Kraft aneinander geraten können, wenn Sie sich an die drittletzte Etappe der Tour de France 2019 erinnern. Das resultiert nicht immer in hundertprozentigen Ernteerträgen, meistens sogar nicht. Aber mittlerweile ist der Wein dieses Weinguts recht bekannt und wahrscheinlich auch too brilliant to fail.

Den Roten hat der Rudl bis jetzt eher stiefväterlich behandelt. Er heißt Améthyste und besteht im Idealfall zu sechzig Percent aus Persan und zu vierzig aus Mondeuse Noire.

Persan

kennen manche von Ihnen von den Giachinos. Die Rebsorte war fast schon ausgestorben. Acht Hektar hat es 1988 noch gegeben. Anfällig ist Persan so ziemlich für alles, was einem Winzer das Leben schwer machen kann, für Spätfrost ganz besonders. Aber auch für jede Art von Schwammerln. Dass gerade biodynamisch arbeitende Weinbauern Persan gerettet und in der Rebfläche wieder ausgeweitet haben, könnten man als Hinweis darauf sehen, dass man Oidium, Meltau und deren Freunde mit der Natur effizienter bekämpfen kann als mit dem Chemiekasten.

Mondeuse

kennen Sie mittlerweile eh.

  • Améthyste 2010, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (10/15)
  • Améthyste 2013, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (9/14)
  • Améthyste 2016, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (9/14)
  • Persan 2017, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4,50/7)
  • Mondeuse „Confidentiel“ 2018, Les Fils de Charles Trosset, Arbin, AOP Vin de Savoie (5/8)

(in Klammer zuerst der Preis für das Sechzehntel, dann der für das Achtel)

nicht nur diese Weine gibt es glasweise

diese Woche am Dienstag, den 9. Juni (am Donnerstag, den 11. Juni ist Fronleichnam und geschlossen)

von 16 bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Vorschau auf 16. und 18. Juni

Riesling

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass es jetzt definitiv Zeit für den Ausbruch des Menschen aus seiner selbst verschuldeten, neoliberalen Unmündigkeit ist und man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Autrement & ein Aus für dumme, das heißt die Menschenwürde untergrabende Handlungen!

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Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Dienstag und Donnerstag, 16 bis 21 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien