Schiste-Vertikale 2008 – 2010 – 2013 – 2014 – 2015 – 2016 – 2017 – 2018 – 2019 von der Domaine des Ardoisières aus Cevins am Donnerstag, den 21. Oktober von 17 bis 21 Uhr

Jahrelang hat der Rudl auf eine passende Gelegenheit gewartet, eine Vertikal vom Schiste, einem seiner Lieblingsweine, zu öffnen. Einerseits hat er ein bissl Bröseln, weil ein Thema mit so teuren Weinen ja nicht unbedingt in Überbeschäftigung für die Eingangstür vom Rudl seinem Geschäft resultieren muss. Andererseits hat der Rudl sein Geschäft ja von Beginn an eh nicht unbedingt als Massenabfertigung geplant, wenn diese Verb im Zusammenhang mit der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils nicht an sich schon unangebracht ist. Und dann sollte so ein spektakuläres Thema ja auch zu einem besonderen Anlass passen.

Der Rudl freut sich über Reservierungen.

Das tut er sowieso. Bei diesem Thema fällt es ihm in Anbetracht einerseits des Niveaus der Weine, andererseits deren Preisen noch schwerer als sonst, das Interesse abzuschätzen. Da er nur über acht „Verabreichungsplätze“ verfügt, freut sich Caviste Rudolf umso mehr über Reservierungen, per e-Mail bis Mittwoch (einen Tag vorher), per Telefon auch danach.

Anlass

Dieser zumindest ist jetzt gekommen: die Weinauktion zugunsten des Wiener Integrationshauses, die dieses Jahr gleich doppelt stattfindet, einmal in einer analogen Variante am 11. November im Alten Wiener Rathaus und einmal in einer digitalen von 8. bis 12. November im Zwischennetz, wie das Internet wörtlich übersetzt eigentlich heißt. Und da stellen sich einem wie dem Rudl naturgemäß Fragen, sprachlicher, aber auch zwischenmenschlicher und nicht zuletzt philosophischer Art: Was kann man sich unter einem „Zwischennetz“ vorstellen? Wenn Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, den Rudl fragen: eigentlich nichts, denn ein Netz besteht wesentlich aus Löchern, also Nichtsen. Freilich ist es andererseits auch wieder fraglich, ob man ein Loch so mir nichts, Dir nichts mit einem Nichts identifizieren kann.

Dem Rudl seiner Wahrnehmung nach häufen sich in letzter Zeit Netzausfälle und -probleme, und zwar in auffälliger zeitliche Nähe zum fragwürdigen und alles andere als klimaneutralen Ausbau des 5G-Netzes. Wenn er sich jetzt vergegenwärtigt, dass ein Netz zum überwiegenden Teil aus Löchern besteht, darf er sich über Ausfälle nicht weiter wunder.

Aber zurück zum Wiener Integrationshaus: Dieses können Sie zwischen 8. und 12. November unterstützen. Und wenn Sie den Rudl fragen, dann sollten Sie das auch, auch wenn Monsieur Rudolf sonst kein so großer Freund von Empfehlungen ist. Neben vielen anderen Weinen wird es bei der Weinauktion zugunsten des Wiener Integrationshauses auch den großen Bruder vom Schiste, den Quartz von der Domaine des Ardoisières zu ersteigern geben.

Schiste

wächst auf südlich und südöstlich ausgerichteten Steilterrassen mit einem Gefälle von bis zu sechzig Percent. Die lehmige Auflage ist äußerst dünn, Schiefer und Glimmerschiefer. Steinmeister Rudolf hat eine Bodenprobe im Geschäft.

Der Ertrag ist mir dreißig Hektoliter am Hektar nicht als exorbitant zu bezeichnen. 40 % Jacquère, 30 % Roussanne, 20 % Pinot Gris und 10 % Mondeuse Blanche in Stockkultur.

Synchron

Achtzig Prozent der Qualität entsteht im Weingarten, wobei alle Maßnahmen ein einziges Ziel haben: die Charakteristik der jeweiligen Parzelle in die Weintraube zu transferieren.

8000 Rebstöcke am Hektar führen nicht nur zu einer Drängerei, sondern vor allem zu ziemlich tiefen Wurzeln und in weiterer Folge zu einer veritablen Steinigkeit dieser Weine.

Anders als bei sehr vielen Weingütern meint „spontanvergoren“ im Fall der Domaine des Ardoisières eine Tatsache und nicht einen Wunsch. Denn der Keller der Domaine des Ardoisières ist vor Einzug dieses Weinguts anderweitig genutzt worden. Drum können dort auch keine Reinzuchtheferln aus früheren Zeiten fröhliche Urständ feiern, wobei der Rudl ja nicht so sehr ein Problem mit Reinzuchthefen als solchen, sondern viel mehr eines mit Aromamodifikation durch Reinzuchthefen oder andere Zaubersalze hat.

Zwölf Monate reift der Schiste in gebrauchten Barriques, die irgendwann um den Jahrgang 2012 einen Mordsqualitätssprung gemacht haben müssen. Aber ein junges Weingut ist am Beginn halt sehr oft mit der Herausforderung konfrontiert, dass man in manchen Belangen versuchen muss, mit den zweitbesten Mitteln das Bestmögliche zu erreichen.

Jede Arbeit dort verfolgt ein Ziel: die aromatische Vielschichtigkeit der Trauben muss in die Flasche.

Wer sich Qualität und Länge der verwendeten Korken genauer anschaut, weiß noch vor dem ersten Schluck, dass er einen Wein im Glas hat, der nicht nach zehn Jahren über seinem Zenit ist.

Vor allem im gereiften Stadium ist der Wein strohgelb bis goldgelb. Seine Aromen tragen nicht so sehr dick auf, sondern beeindrucken eher in der Kategorie Vielschichtigkeit. Mandel, weiße und gelbe Früchte, Anis, sowie ein bissl Honig. So skeptisch der Rudl Weinattributen wie Spannung, Präzision oder Dichte gegenüber steht und so sehr er auch nicht in der Lage ist, diese zu definieren, so angebracht erscheinen sie ihm in diesem Fall.
Nasse Steine und eine kristalline Salzigkeit als Ausdruck dieses extraordinairen Terroirs am Oberlauf der Isère, das sicher eines der fünf beeindruckendsten ist, die der Rudl jemals gesehen hat.

Angeblich führt der Schiste Garnelen in Kokosmilch zur Symbiose. Verifiziert hat der Rudl das nicht.

Roussanne

ist an sich so sehr an der nördlichen Rhône in zuhause, dass sie im Wallis Ermitage genannt wird und eine eigene Appellation bekommen hat. Wenn die Trauben reif sind, was Sie, geneigte Oenologin, gewogener Oenologe, im September am Andreasberg in Andau studieren können, nehmen sie eine rostrote Farbe an. Ziemlich sicher gehört Roussanne zur Rebsortenfamilie der Sérines und ist daher mit Syrah, Altesse, Viognier, Marsanne und den Mondeuses verwandt.

Dass aus dieser Rebsorte gekelterte Weine säurereich seien, liest man, nachvollziehen kann es der Rudl nicht ganz. Die aus Savoyen – dort heißen sie Chignin-Bergeron – eher noch, aber auch nie nur annähernd so frisch wie Jacquère. Als völlig unangebracht erscheint dem Rudl das Adjektiv „säurereich“ im Zusammenhang mit den renommierten Roussannes aus Hermitage oder Saint Joseph. Mit Ausnahme jener von Bernard Faurie hat Caviste Rudolf diese Weine als ziemlich vom Holz totgeprügelt in Erinnerung. Leider.

Die Rebsorte ist dichtbeerig, was Ihre Anfälligkeit für viele Arten von Pilzen erklärt.

Mondeuse Blanche

ist eine autochthone Rebsorte aus Savoyen, die ihre Wiederentdeckung dem Syrah verdankt. Sie war in den Neunziger Jahren nahezu vergessen. Dann hat man sie 1998 als Mutter des Syrah identifiziert und vermutlich nicht zuletzt deshalb wieder da und dort ausgepflanzt. Direkt viel gibt es davon immer noch nicht, nicht einmal verhältnismäßig. Reinsortige Mondeuse Blanche kennt der Rudl nur den von Dupasquier. Den kann man bis jetzt nur als Endverbraucher kaufen, was sich jedoch ändern wird, vielleicht schon bald. Man schreibt Mondeuse Blanche ein Reifepotential von gut dreißig Jahren zu. Die nur geringfügig bekanntere dunkelblaue Mondeuse Noire ist die Tochter von Mondeuse Blanche und also die Schwester von Syrah.

Noch wenigeren als den Wenigen, denen Mondeuse Blanche bekannt ist, ist sie auch als Aigre Blanc bekannt. Das bedeutet „weißer Essig“ und deutet nicht gerade auf besondere Zugänglichkeit in der Jugend hin.

Jacquère

könnte man als den Welschriesling Savoyens bezeichnen. Wie letzterer wäre auch Jacquère an sich eine mittelpät- bis spätreifende Rebsorte. Trotzdem wird sie oft in zu hohem Ertrag, grün gelesen und mit Zuckerlhefen verkitscht als Massenwein interpretiert.

In den letzten Jahren taucht Jacquère vor allem im Windschatten der Naturweinszene in allen möglichen und unmöglichaaen Ecken Frankreichs auf. Auch in Condrieu soll es ein paar Exemplare dieser Rebsorte geben, obwohl sie dort nicht für die Appellation zugelassen ist.

Heunisch ist der Vater von Jacquère. Von der Mutter fehlt bis jetzt jede Spur.

Darüber hinaus hat Monsieur Rudolf vor einiger Zeit ausführlicher zu dieser Rebsorte Stellung genommen. Er erlaubt sich, das in diesem Zusammenhang zu wiederholen:

Ganz präzise hat diese autochthon savoyardische Rebsorte ihren Ursprung, soweit man das rekonstruieren kann, in Abymes de Myans. Das liegt am nordöstlichen Rand des Chartreusegebirges, ungefähr dort, wo Jean Masson und die Giachinos ihre Weingärten haben.

Die dicken Beerenschalen erlauben eine späte Reife. Am kalkreichen, steinigen Fuß der französischen Alpen ist das nicht ganz unwesentlich. Und sie schützen die dichtbeerigen Trauben vor Oïdium und Meltau.

Möchte man mit Jacquère bei Blindverkostungen renommiertere Weißweine sekkieren, dann will der Ertrag begrenzt sein, sei es vom Weinmeister oder der Weinmeisterin, noch besser aber vom Alter der Rebstöcke.

Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint die relativ weite Verbreitung der Jacquère in Savoyen auf den möglichen hohen Hektarertrag zurückzuführen sein. Ähnlich dem Grünen Veltliner scheint bei der Jacquère nur im Fall restriktiver Ertragsbegrenzung etwas Gscheites herauszukommen. Anders als der Grüne Veltliner dürfte die spät reifende Jacquère aufgrund der Klimaerwärmung nicht so schnell ins Schwitzen geraten. Wenn es einmal sehr heiß ist, wird sie halt ein bissl reif. Aber immer noch nach fast allen anderen Rebsorten. Trockenstress ist mit entsprechend tiefen Wurzeln und in entsprechend vorgerücktem Rebstockalter auch nicht angebracht. Im Fall von klimawandelbedingten Wetterextremen ist allerdings auch die gute Jacquère mit ihrem Latein irgendwann einmal am Ende, weniger bei Spätfrost als bei Hagel.

Als Wein ist Jacquère eher blass bis weißgold. Dem Rudl seinem Geschmack nach stehen Alpenkräuter, Grapefruit, Bergamotte, Weißdorn, in äußerst gelungenen Fällen aneinander geriebener Feuerstein im Vordergrund.

Fehlen noch das Fünftel Pinot Gris

Davon wird vermutlich noch vor Weihnachten ausführlicher die geschriebene Rede sein. Hier belässt es der Rudl derweil einmal mit dem seines Erachtens aber doch nicht ganz uninteressanten Hinweis, dass eines der wirklich äußerst zahlreichen Synonyme von Pinot Gris „Rothe Savoyertraube“ lautet.

Weinberg von Cevins

Von dem hat Ihnen der Rudl auch schon erzählt, nicht erst einmal. Darum lässt es der Rudl mit einer Wiederholung der Zeilen vom 20. Mai dieses Jahres gut sein.

Der Weinberg von Cevins wurde dann in den Fünfzigerjahren von Bauern an den Wald übergeben und war bald darauf kein Weinberg mehr.

Zusammensetzen

So wäre es ziemlich sicher auch geblieben, wenn sich im April 1997 nicht der Bürgermeister von Cevins, das ist ein Dorf an der Isère in der Tarentaise, vergleichbar vielleicht mit Tenneck, wer das kennt, und ein paar Verantwortliche der Vereinigung „Vivre en Tarentaise“ mit dem damals eher noch belächelten Biodynamiepionier Michel Grisard zusammengesetzt hätten. Michel Grisard wird man ohne große Übertreibung als den Pierre Overnoy von Savoyen bezeichnen können. Was damals im April 1997 geredet worden ist, weiß der Rudl nicht. Das steht nicht auf der Homepage der Domaine des Ardoisières, was auf dieses Treffen hinauf passiert ist aber schon, ziemlich exakt noch dazu.

Im Mai 1998 sind zwanzig Ar Altesse ausgepflanzt worden. Ende desselben Jahres haben die Grundbesitzer dem Wald die rote Karte gezeigt und Anfang 1999 ist es dann richtig losgegangen. Zuerst haben Sie die Wurzeln entfernt, dann den Weinberg terrassiert. Im Oktober 2002 hat Michel Grisard zweiundzwanzig Hektoliter vom Weinberg in Cevins vinifiziert.

Der Rudl würde viel dafür geben, diesen Wein einmal kosten zu dürfen. Ein 2005er Schiste ist bis jetzt das Älteste, was er von diesen damals extrem jungen Reben getrunken hat. Und das war alles andere als unbeeindruckend.

Davor, 2003, haben einander Michel Grisard und Brice Omont getroffen. Letzterer kommt von einem Getreidebauern aus der Champagne und wollte eigentlich ein besseres Bier brauen. Aber das hat er sich dann überlegt. Vielleicht war es auch Michel Grisard, der ihm das ausgeredet hat.

Und bei der Inauguration im selben Jahr war dann der damalige französische Landwirtschaftsminister Hervé Gaymard anwesend, was schon darauf hindeutet, dass es bei der Domaine des Ardoisières von Beginn an nicht um ein Projekt mit provinziellem Horizont gegangen ist.

2008 wurden dann Weingärten in Saint Pierre de Soucy, viel weiter isèreabwärts, übernommen. Auch kein uninteressantes Terroir, aber doch sehr verschieden von den ausgesetzten Terrassen in Cevins. Von diesen älteren Weingärten in Saint Pierre de Soucy kommen Argile blanc und Argile rouge. Heuer im Sommer hat der Rudl endlich einmal auch diese Weingärten studiert.

Seit 2010 trägt Brice Omont die Verantwortung für die Domaine des Ardoisières allein. Michel Grisard hat sein Stammweingut Prieuré Saint Christophe in Fréterive noch bis zum Jahrgang 2014 weitergeführt, bis er das gemacht hat, was andere Winzer gut zehn Jahre früher machen, nämlich in die Rente zu gehen. Aber auch die Weingärten von Michel Grisard in Fréterive sind in gute Hände geraten. Dort wachsen jetzt Prieuré Christophe rouge und Prieuré Christophe blanc von den Giachinos.

  • Schiste 2019, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges, (7/11)

  • Schiste 2018, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges,(7/11)

  • Schiste 2017, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges,(7/11)

  • Schiste 2016, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges,(8/12)

  • Schiste 2015, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges,(8/12)

  • Schiste 2014, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (8/12)

  • Schiste 2013, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (8,50/13)

  • Schiste 2010, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (9/14)

  • Schiste 2008, Domaine des Ardoisières, Cevins, IGP Vin des Allobroges (9/14)

glasweise

am Donnerstag, den 21. Oktober von 17(!) bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Cycling Caviste Rudolf Polifka freut sich über Reservierungen. Er hat nur acht Verabreichungsplätze), stellt in Wien zustellgebührfrei Wein zu und bleibt der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, endlich zu einem europäischen Feiertag zu erklären ist.

Caviste Rudolf grüßt gespannt und konzentriert, aber nicht dicht!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

DIENSTAG, 5. Oktober, von 17 bis 21 Uhr geöffnet. Der hl. Franz gegen den Junker. Ein Rundumschlag gegen (Neo-)Feudalismus, Neosozialdarwinismus und daher auch Neoliberalismus

Junker und Lederhosen im Kopf

Jetzt hebt sie wieder an, die Jungweinzeit. Und ganz offengestanden kann sich auch der selbsternannte Oenologierat Rudolf Polifka nicht ganz der Faszination dieser Wandlung von der Beere über die Gärgase und Gatsch zum Wein entziehen. Zu keinem anderen Zeitpunkt des Weinjahres kann man den Einfluss von Zeit auf den Wein oder zumindest auf das, was zum Wein werden soll, so deutlich miterleben: vor wenigen Tagen noch eine Traube am Stock, heute eine brodelnde Lacke und wenn kein ungeduldiger Patron am Werk ist, in ein paar Jahren ein ansprechender Wein. Wenn. Wobei der Rudl ja weniger die Ungeduld an sich als vielmehr das Dogma der Optimierung für den Jungweinunfug im Speziellen und den Weltuntergang im Allgemeinen verantwortlich macht. Es muss halt alles schnell gehen und vor allem viel sein. Das Wie?, eine Frage, über die sich Naturwissenschaften einmal Gedanken gemacht haben, scheint nicht mehr so interessant zu sein. Neben dem Wie viel?, Wie schnell? und Wie laut? der betriebswirtschaftlichen Dogmatik ist es für Geisteswissenschaften längst und Naturwissenschaften jetzt auch zunehmend eng geworden.

Auf alle Fälle schmeckt das, was man als „Jungwein“ bezeichnet, nach allem Möglichen, aber halt oft nicht sehr nach Wein.

Das ist für sich schon ziemlich unerfreulich. Im Widerstand zu den Lederhosen an den Haxen, aber vor allem zu den Lederhosen in den Köpfen ist der Rudl aufgewachsen. Das war für ihn identitätsstiftend.

Heute bieten pfiffige Fetzentandler aus Fernost dieses irrdümmliche Heimattum zu Ramschpreisen an, während alteingesessene Trachtenschneidereien der Reihe nach zusperren. Wenn dann zur Zeit der Wiener Wiesn der Simmeringer Junker in seiner urigen Kluft das Bild in der U3-Endstation noch grausliger macht, dann sieht der Rudl wenig Veranlassung, darin irgendetwas anderes als den Untergang des Abendlandes zu sehen. Und Monsieur Rudolf sieht kein ausreichendes Motiv, an einem Wein gutzuheißen, was er an einem Simmeringer auszusetzen hat.

Neo- oder Uraltfeudalismus?

Dazu kommen feudale Assoziationen, die der „Junker“ beim Rudl auslöst. Und mit dem Feudalismus hat Citoyen Rudolf Polifka seine Probleme, vor allem weil er nicht glaubt, dass dieser überwunden ist. Womöglich hat er nur seine religiöse Legitimation verloren. Immerhin!

Aber zu häufig begegnet der Rudl feudalistischen Strukturen. Ob auf Ämtern, in Betrieben, Fußballvereinen, Familien oder anderen Körperschaften, die Gutsherren- und Gutsherrinnenattitude scheint nach wie vor en vogue. Manchmal beschleicht Herrn Rudolf der Verdacht, dass sich der antifeudalistische Kampf der Lehensweiber und Lehensmänner darin erschöpft hat, doch lieber Lehensherrinnen und Lehensherren sein zu wollen, anstatt mit dem ganzen Feudalsystem an sich dorthin zu fahren, wo es hingehört, nämlich zum Teufel. Möglicherweise haben auch Verhaltensforschung und Evolutionsbiologie feudalistischen Lebensentwürfen wieder Aufschwung verliehen, „Alphatiere“ und so weiter …. Das biblisch-humanistische Ideal einer egalitären Gesellschaft wird nach Strich und Faden desavouiert. Um dies zu kaschieren haut man auf das hin, was dieses System zwar vor Jahrhunderten einmal gestützt, im Jahr 2021 aber längst kein gesellschaftlicher Machtfaktor mehr ist, sich möglicherweise sogar eher als einer der letzten ernstzunehmenden Kritiker feudalistischer Diskriminierungen erweist.

Die Mitzi aus Wulkaprodersdorf und der Hiasi aus dem Bregenzerwald haben das katholische Jopperl in den Kasten gehängt, sich eine hippe Urbanität zugelegt und verschreiben sich mit Haut und Haar den Dogmen und Benimmregeln von irgendwelchen angesagten Kommunikationsgurus, Designern oder anderen Kerzlschluckern des Zeitgeistes. Der Rudl bezweifelt, dass sich da mehr als die Fassade geändert hat.

Er kennt ein paar Menschen, die seit mindestens fünfunddreißig Jahren gegen klerikale und säkulare Dogmatisierungen kämpfen, nachweisbar. Und er fragt sich immer öfter, wo die heute in Bezug auf Religion so kritischen Geister vor fünfzehn, vor zwanzig und vor dreißig Jahren waren, als man tatsächlich noch berufliche Nachteile befürchten konnte, wenn man diesbezüglich seine Pappalatur zur weit aufgerissen hat und noch nicht finanziell abgesichert war.

Se ham a poa offane Tian eingrennt“, hat der unvergessene Trainer einmal geschrieben.

Darum kredenzt Caviste Rudolf am Dienstag zu Ehren des Franz von Assisi keinen Junker, sondern ausschließlich Weine, die mindestens fünf Jahre reif sind.

  • Gemischter Satz 2008, Josef Salomon, Falkenstein, Weinviertel (3/5)

  • Jacquère 2016, Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (3/5)

  • Marignan 1515 2016, Les Vignes de Paradis, Ballaison, IGP Vin des Allobroges (5/8)

  • Altesse 2014, Dupasquier, Aimavigne, AOP Vin de Savoie (3/5)

  • Neuberger 2016, Weingut Dieter Dorner, Novi Vrh und Mureck, Steirerland (6/9)

  • Irouléguy blanc 2013, Domaine Ilarria, AOC Irouléguy, Sud Ouest (5/8)

  • Breg Rosso Anfora 2004, Joško Gravner, Oslavia, Italien (13/20)

reiner Pignolo im Holz vergoren, dann in Amphoren, alles ohne Temperaturkontrolle, fünf Jahre wieder Holz, fünf Jahre Flasche, sowieso unfiltriert und ungeschönt – Tannine jetzt gebändigt, Wein auch bei der diesjährigen Versteigerung zugunsten des Wiener Integrationshauses (online von 8. bis 12. November UND analog im Alten Wiener Rathaus am 11. November – nicht vergessen!) ersteigerbar.

glasweise

am Dienstag, den 5. Oktober von 17(!) bis 21 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Cycling Caviste Rudolf Polifka freut sich über Reservierungen (er hat nur acht Verabreichungsplätze), stellt in Wien zustellgebührfrei Wein zu und bleibt der Meinung, dass der 27. Jänner, der Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz, endlich zu einem europäischen Feiertag zu erklären ist.

Rudolf Polifka grüßt Franz, den Trainer, alle, die „liaba geng vasperrte Tian“ rennan, sowie den Wirt und Winzer mit dem weltbesten Musikgeschmack!

Schicken Sie ein entsprechendes E-Mail, wenn Sie keine Nachrichten der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils bekommen möchten.

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien