Reindorf sieht gelb. Percée du Vin Jaune am Mittwoch und am Freitag

Percée du Vin Jaune

Die letzten zwanzig Jahre hat am ersten Wochenende im Februar immer die Percée du Vin Jaune stattgefunden. An wechselnden Weinorten im Jura sind vierzigtausend Amateure des kräftigen, oxydativen gelben Weines zusammen gekommen und sind Zeugen geworden, wie die Hefeflorschicht des aktuellen Jahrgangs durchstochen wurde und der Wein zum ersten Mal von der Öffentlichkeit unter und auf die Papillen genommen werden konnte. Kommendes Wochenende hätte der Jahrgang 2010 nach sechs Jahren und drei Monaten des Harrens und Verweilens in seinem Fass, seinen großen Auftritt gehabt. Der Rudl hat schon voriges Jahr quasi den Jura nach Reindorf geholt und an den Tagen unmittelbar vor der Percée ein paar Gelbe glasweise zur Ausschank gebracht. So hat er es auch heuer projektiert gehabt. Aber manchmal kommt es anders.

Weil man auf der Suche nach einem neuen Veranstaltungs- und Sicherheitskonzept sei, hat sich die Association des Ambassadeurs des Vins Jaunes entschlossen, heuer zu pausieren. Die Percée du Vin Jaune in L’Étoile ist auf 2018 verschoben. Heuer denkt man über die Veranstaltung nach. Jetzt ist der Rudl der allerletzte, der etwas gegen Nachdenken hat. Aber er wird mit zunehmendem Alter auch ein Mensch, dem Gewohnheiten wichtig werden. Monsieur Rudolf hat zwar der Percée du Vin Jaune noch nie analog beigewohnt, aber die Vorstellung eines Weinfestes mit vierzigtausend Besuchern Anfang Februar hat ihn stets fasziniert. Deshalb selbsternennt er Mittwoch, den 1. und Freitag, den 3. Februar zur einzigen und offiziellen Percée du Vin Jaune 2017, in Reindorf.

Jura

Jura kann man quasi als komplementäre Weinbauregion zu Burgund verstehen. Über etwa achtzig Kilometer erstreckt sich ein zwei bis vier Kilometer langes Bandl von Norden nach Süden. Irgendwann, es muss gegen Ende des Tertiärs, gewesen sein, ist dieses Bandl als Kollateralschaden, respektive -nutzen – wie man halt zu den Weinen des Jura steht – der alpinen Kompression von Osten nach Westen in Richtung Ebene von Bresse hinunter gerutscht sein, gerade so wie die Côte d’Or auf der anderen Seite des Saône- und Bresse-Grabens vice versa. Zum Glück hat das Juraband mit seinen ganzen Salzen und seinem Gips rechtzeitig vor den Pipperln von Bresse Halt gemacht. Der Unterboden des Jura besteht zu neunzig Percent aus Mergel. Darauf lassen sich prinzipiell zwei Grundbodentypen identifizieren:

Kalkgeröll vor allem am Fuß der Felsvorsprünge

Je konzentrierter der Kalk auftritt, desto mehr Chardonnay steht tendenziell dort.

Argiles à chailles

Auf den etwas weniger geneigten Hängen ist der Tonanteil zwischen den runderen Kalk und Silikatsteinderln höher. Da tummeln sich die Trousseau- und Savagninstöcke. Rund um die päpstliche Residenz von Jacques Puffeney, dem seit 2015 emeritierten „Pâpe du Savagnin“ in Montigny-les-Asures ist das der Fall.

Savagnin

Egal aus welcher der vier Appellationen des Jura der jeweilige Vin Jaune stammt, er besteht zu hundert Prozent aus Savagnin. Etwas anderes ist für Vin Jaune nicht zugelassen. Nirgends. Zweihundert Hektar, das sind zwölf Prozent der Rebfläche des Jura, sind mit Savagnin bestockt. Kleinbeerig und spätreifend. Mergel ist sein Lebenselexir.

Ausbau gegen alle Regeln der oenologischen Kunst

Vin Jaune wird in 228-Liter-Fässern ausgebaut. Dort bleibt er mindestens sechs Jahre und drei Monate. Dann ist der allerletzte Rest von vergärbarem Zucker aufgebraucht und der Wein so etwas von trocken. Für den Jura spezifische Hefen, Sacchromyces oviformis, sollen eine sehr langsame Gärung bewirken. Die abgestorbenen Hefen bilden eine Hefeflorschicht, die den Wein oxydatif werden lässt, ihn gleichzeitig aber auch vor einer Oxydation, die ihn ungenießbar machen würde, schützt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht so überraschend, dass der Vin Jaune die Weintrinkenden dieser Welt polarisiert. Oxydiert oder oxydatif? Beiden ist ein Verlust an Elektronen gemeinsam. Dazwischen tut sich ein Raum für Interpretation auf.

Der Schwund im Fass darf nicht aufgefüllt werden. Von einem Liter eingefülltem Wein bleiben nach sechs Jahren und drei Monaten 62 Centiliter über. Dieses Quantum geht in einen Clavelin, wie die spezifische Flasche für Vin Jaune genannt wird. Vin Jaune wird temperiert getrunken. Wird er das nicht, ist er hundert Jahre lagerfähig. Sein Ursprung liegt vermutlich im achtzehnten Jahrhundert in Château-Chalon. Kein Wunder, dass die Eigenschaften von Vin Jaune in Château-Chalon am ausgeprägtesten auftreten: Gold- und Bernsteinfarbe, Nuss- und Curryaromen, hohe Komplexität, Kraft, Bitternoten und ein vielleicht wirklich unvergleichbares Reifepotential.

AOP Côtes du Jura

So nennt man die Sammelappellation für alle Weine des Jura von

Champagne-sur-Loue im Norden bis Saint-Jean-d’Etreux im Süden. Charakteristisch sind im gesamten Jura Mergelböden, manche mehr, andere weniger kalkhältig. Tendenziell regnet es im etwas kühleren Norden mehr als im etwas wärmeren Süden. Die spezifischen Rebsorten des Jura Savagnin, Poulsard und Trousseau sind überall verbreitet, wobei ihnen im Süden durch Chardonnay und Pinot Noir mehr Konkurrenz als im Norden erwächst. Die Domaine Pignier und ihr spektakulärer Kartäuser Keller, befindet sich in Montaigu, etwas südöstlich der Appellation L’Étoile.

Vin Jaune 2007, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura, Montaigu, Jura

Blauer Mergel, nur eines von drei mit Savagnin befüllten Fässern wird als Vin Jaune abgefüllt. Comté drängt sich auf, Gougères et Noix passen auch nicht schlecht. Weißes Fleisch mit Saucen und ohne Kalorienaversionen, Curry, Safran, … halt vieles, was intensiv schmeckt.

Und der Rudl nimmt das wieder einmal zum Anlass, Sie zu animieren, sich die Jausn selber in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils mitzubringen, gerade so wie früher einmal beim Heurigen.

AOP Arbois

ist die nördlichste der drei kommunalen Appellationen des Jura. Der hohe Mergelanteil im Boden begünstigt Rotwein, südlich von Arbois bei Pupillin eher Poulsard, nördlich beim Papstsitz Montigny-les-Asures mehr Trousseau.

Vin Jaune 2008, Gérard Villet, AOC Arbois, Jura

Château-Chalon

Optischer Höhepunkt im Jura ist vermutlich Château-Chalon, vielleicht überhaupt von allen Weingärten Frankreichs, sieht man von denen am Mont Ventoux vielleicht einmal ab. Die Appellation beschränkt sich ausschließlich auf Vin Jaune. Darum steht Letzteres auch nicht explizit am Etikett.

Ein markanter Felsvorsprung plombiert quasi die Appellation und speichert angeblich die Sonnenenergie am Tag, um sie in der Nacht an den Weingarten forzuwarden. Der Felsen schützt die Weingärten vor den Winden aus dem Norden und dem Nordosten. Auf der Plombe haben sie die Ortschaft Château-Chalon angelegt. Nirgends im Jura findet man eine höhere Konzentration an grauem und graublauem Mergel.

Château-Chalon 2000, Baud Père et Fils, AOC Château-Chalon, Jura

L’Étoile

L’Étoile die südlichste kommunale Appellation des Jura. Ihren Namen verdankt sie möglicherweise den zahlreichen versteinerten Seesternen in den Böden, vielleicht aber auch den fünf Hügeln, die den Weinberg eingrenzen. Die Winzer von L’Étoile stellen fest, dass viel Frühjahrs- und Sommerregenfronten, aber auch Gewitter aufgrund der Topographie und der Thermik einen Bogen um ihre Appellation machen. Abgesehen davon Kalk, Ton und Mergel. Wenn es ein geologisches Spezifikum von L’Étoile gibt, dann ist es ein relatives Übergewicht von Kalk auf Kosten von Mergel. Etwas mehr Chardonnay, den man dort „Gamay Blanc“ nennt, als sonst im Jura. Für den Vin Jaune ist das irrelevant.

Vin Jaune L’Étoile 2009, Domaine Geneletti Père et Fils, AOC L’Étoile, Jura

Freilich gibt es nicht ausschließlich diese vier Vin Jaunes glasweise offeriert

  • Vin Jaune L’Étoile 2009, Domaine Geneletti Père et Fils, AOC L’Étoile, Jura (7,50/12)
  • Château-Chalon 2000, Baud Père et Fils, AOC Château-Chalon, Jura (9/14)
  • Vin Jaune 2008, Gérard Villet, AOC Arbois, Jura (7,50/12)
  • Vin Jaune 2007, Domaine Pignier, AOC Côtes du Jura, Montaigu, Jura (7,50/12)

am Mittwoch, den 1. Februar und am Freitag, den 3. Februar

jeweils von 16 bis 22 Uhr

in der Weihandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Vorschau

In den Wiener Energieferien vom 4. Februar bis 12. Februar trachtet der Rudl der ursprünglichen Bestimmung dieser Ferien gerecht zu werden, lässt die Heizung abgedreht und die Tür zugesperrt.

Herr Rudolf grüßt den Sauerstoff und, der Ausgewogenheit verpflichtet, wie er ist, auch die Elektronen!

 

Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

Öffnungszeiten: Mittwoch und Freitag, 16 bis 22 Uhr, an Schultagen

kostenlose und CO2-minimierte Zustellung innerhalb von Wien ab einem Bestellwert von 57 Euro

Tannat – Mondeuse – Blaufränkisch. Ein Gerbstoffvergleich am Mittwoch und am Freitag

Wenn der Rudl rotsieht

 

Oft genug hat Herr Rudolf in seinen wöchentlichen Zeilen an Sie, gewogene Oenologin, geneigter Oenologe, über das Wetter lamentiert. Vor allem warme Winde aus dem Süden, zumal wenn sie in der vorgeblich kalten Jahreszeit daher kriechen, machen ihm das Leben schwer. Heuer nicht!

Darum ist es redlich, auch die lobenswerten Anstrengungen der diversen da oben herumziehenden Tiefs und Hochs gebührend zu würdigen. In den letzten Wochen lassen diese – vielleicht abgesehen vom Schnee, man sollte vermutlich aber auch nicht unverschämt sein – wenig zu wünschen übrig. In zeitgemäßer, oft für besonders unglückliche Übersetzungen aus dem Englischen anfälliger Sprache würde man vermutlich sagen: „Das Wetter liefert.“ Und momentan liefert es dem Empfinden vom Rudl nach zumindest in Österreich ganz solide.

 

Wein und Thermometer

 

Wenn sich die Säule im Thermometer schon einmal nicht zu blöd ist, unter den Nullpunkt zu kraxeln, wenn sie dort dann auch noch wochenlang verweilt und wenn das Ganze nicht im April, sondern im Jänner stattfindet, dann beschleicht den Rudl so ein Verdacht, dass diese Welt doch noch zu retten ist, auf die Gefahr hin, dass Sie ihm das jetzt als pathetisch auslegen.

Und dann entwickelt ein ausgewiesener Weißweintrinker wie der Rudl sogar das Bedürfnis, den Roten vor den Vorhang zu zerren, ganz besonders den Pelz im Roten, die Tannine.

 

Mondeuse – Pelz aus den französischen Alpen, aber nicht für Rom!

 

Es ist schon ein Zeitl her, ungefähr tausendneunhundert Jahre oder so. Da haben  Agrarexperten versucht, dem Prinzip des Imperium Romanum rebsortenmäßig zum Durchbruch zu verhelfen. Nach dem Motto „Alles Erfreuliche aus den Provinzen nach Rom“ haben sie versucht, die von ihnen hoch geschätzte Vitis Allobrogica, vlg. Mondeuse, die ihres Erachtens im Schnee reife, in der Umgebung von Rom anzusiedeln. Die Ergebnisse sollen nicht allzu atemberaubend gewesen sein.

Die Herrschften von Cluny zählen kirchengeschichtlich nicht zu den allerbesten Freunden vom Rudl. Oenologisch haben sie es aber ein Stückl geschickter angelegt als die Römer. Sie haben nicht versucht, die Traube zu verpflanzen, sondern zumindest so viel Anstand aufgebracht, der werten Mondeuse an die Ufer des Lac du Bourget nachzureisen. Bedauerlicherweise nicht nur der Traube und noch bedauerlicherweise nicht nur bis zum Lac du Bourget.

Vielleicht hat es einen Grund gehabt, warum sich die Mondeuse gegen eine Dislocierung nach Rom gewehrt hat. In ihrer jugendlich ungeschliffenen, rustikalen und robusten Art kann sie wie die rebsortifizierte kalte Schulter wirken, wenn man nicht warten kann und dazu tendiert, die Oberfläche mit der Welt zu verwechseln. Hat das Imperium Romanum im ersten nachchristlichen Jahrhundert zumindest im Westen vergeblich auf eine erfreuliche Zukunft gewartet, so hat die Mondeuse die römische Pflanzerei genauso geduldig überstanden wie die Verdrängungstendenzen zugunsten des Gamay in den Fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Heute rodet niemand mehr einen Mondeuseweingarten, um ebendort Gamay auszupflanzen.

Verwandt ist die Mondeuse mit dem Syrah, dessen Mutter Mondeuse Blanche, eine ganz seltene Weißweinrebe in Savoyen, ist.

 

Charkateristika

 

Mondeuse reift sehr spät, manchmal erst Anfang November.

Dann ist sie dunkelblau bis schwarz und herb im Geschmack.

Die Haut ist dick, in Anbetracht ihrer Geschichte auch nicht so verwunderlich. Irgendwelche dahergelaufenen Pilzsporen können sie nicht so schnell beeindrucken. Bei Kalk wird sie schwach. Höchsten sieben Trauben pro Stock. Bei nicht ganz so alten Stöcken wie denen von Jacques Maillet muss dem Ertrag rechtzeitig durch Grünlese eine unmissverständliche Grenze gesetzt werden. Vielleicht auch das nicht unbedingt ein Umstand, der Mondeuse mit postmoderner Urbanität kompatibel erscheinen lässt.

 

Wein

 

Der Wein ist zuerst purpur. Er kann in der Jugend nach Pfeffer, Zimt und roten Früchten schmecken. Manchmal ist er ein veritables Reibeisen für die Zunge, nach etwa fünf Jahren gibt es die Mondeuse dann gerne eine Spur milder und erinnert an schwarze Trüffeln.

 

Mondeuse 2015, Jacques Maillet, Le Cellier des Pauvres, Serrières-en-Chautagne, AOP Vin des Savoie

 

11 Percent Alkohol, viel zu jung und trotzdem grandios.

 

Mondeuse 2015, David und Fred Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie

 

Vin authentique et à forte personnalité. Robe rubis aux reflets violacés. Arômes de groseille et de griotte. La saveur est persistante en bouche avec des notes épicées et torréfiées. (www.domaine-giachino.fr)

 

Wenn Sie die Zeilen vom 10. März 2016 über Tannat gelesen haben, dann können Sie die nächsten Absätze bis zum Blaufränkischen überscrollen.

Tannat – Pelz aus den Pyrenäen. Eine Wiederholung

 

Bezeichnenderweise versteht man unter Tannat nicht nur die Rebsorte, sondern auch die Salze im Tannin. Seinerzeit hat man viel mehr Tannat reinsortig ausgebaut. Vielleicht haben die Menschen früher mehr Geduld gehabt. Denn trinken hat man das meistens erst nach zwanzig Jahren können. Heute ist fast immer ein mehr oder weniger kleiner Anteil an Cabernet Franc oder oder und Cabernet Sauvignon dabei. Direkt jungweintauglich macht ihn das aber auch nicht.

 

Gesundheit!

 

Möglich, dass Tannat deshalb als gesündester Rotwein der Welt gilt. Er eignet sich besser zum Lagern als zum Trinken.

Die Forscher sehen andere Gründe: Kein anderer Wein entwickelt so einen Haufen an Procyanidin wie Tannat, viermal so viel wie jeder andere Rotwein, zumindest wenn er traditionell gekeltert wird und also drei bis vier Wochen auf der Maische steht – manchmal auch ungerebelt – und dann im alten Holz ausgebaut. Die Tannats aus Uruguay tun das in der Regel nicht, die aus den Pyrenäen, vor allem die aus Madiran und Irouléguy schon. Procyanidin beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor und fängt Radikale.

Heute versucht man die Typicität der Rebsorte zu erhalten, aber seine Trinkreife zu beschleunigen. Dort wo das gelingt, hat man reife und runde Tannine und Aromen nach schwarzen Beeren, Mirabellen und Brombeeren.

Wie man zu Alain Brumont und seinem Madiran Château Montus steht: Wenn es heute um Tannat geht, darf sein Name nicht fehlen.

Und in der Tat ist Tannat natürlich in erster Linie Madiran. Aber den gibt es eh da und dort. Eine Flasche mit Tannat aus Irouléguy rennt einem in Wien aber nicht alle Tage über den Weg, außer man liest Michel Houellebecq.

 

Wetter

 

Die paar Hügeln vor den Pyrenäen, auf die sich die Appellation Irouléguy erstreckt, sind um die tausend Meter hoch. Die Westhänge dieser Hügel meistens sehr grün, weil der Wind die Wolken vom dreißig Kilometer entfernten Atlantik herein trägt, die Wolken es dann aber nicht ganz über die Berge derpacken und als Regen herunter fallen, in der Region um Espelette zum Beispiel, wo die berühmten Paprika wohnen. Der Wind tut sich nach dem Regen ohne Gepäck natürlich leichter, klettert dann noch ein kleines bissl hinauf und fällt an den Osthängen dieser Hügelketten trocken und heiß herunter.

Aber zurück auf die Hügeln: Bis circa sechshundert Meter hinauf kann man Weingartenterrassen finden. Auf den Wiesen dazwischen, nach der Lese auch in den Weingärten der Domaine Arretxea, rennen Schafe herum. Der Ossau-Iraty ist einer der berühmtesten Schafkäse Frankreichs.

 

Steine

 

Yves Hérody, Geologe aus dem Jura, bezeichnet Irouléguy als Mosaik von über vierzig unterschiedlichen Böden. Im Großen und Ganzen lassen sich aber vier Terroirs identifizieren:

 

Roter Sandstein

 

stammt aus dem unteren Trias, ist also knapp 230 Millionen Jahre alt. Die vom Sandstein dominierten Weingärten weisen einen hohen Eisengehalt auf, sind sauer und oft in Terrassen angelegt.

 

Kalk aus dem Jura

 

supportiert vor allem die Rebstöcke der Domaine Ilarria, ist gut fünfzig Millionen Jahre jünger, aber auch ganz schön alt.

 

Schiefer

 

ist älter als Sandstein und Kalk zusammen, trotzdem aber nur zufällig der Boden, auf dem die Domaine Arretxea begonnnen hat.

 

Vulkanischer Ophite

 

ist im Gegensatz um Sandstein basisch und liegt als Streusplitt in der Einfahrt zur Domaine Arretxea. Vielmehr weiß der Rudl darüber nicht, denn er ist gstudierter Theologe, nicht Geologe.

 

Rebsorten sind Geschichte

 

Weinbau ist in Irouléguy bis ins zwölfte Jahrhundert nachweisbar. Im fünfzehnten Jahrhundert ist Basse Navarre, sozusagen Niedernavarra, unter Heinrich IV. zum Königreich Frankreich gekommen. Das Letzte, was Frankreich von dieser Region wollte, war Wein. Darum ordnete man den Mönchen von Roncevaux an, die Weingärten stillzulegen. Haben die die neuen Machthaber nicht verstanden oder haben sie sich denen widersetzt? Die Weingärten stillgelegt haben sie auf alle Fälle nicht. Im Gegenteil. Bis ins neunzehnte Jahrhundert ist die Rebläche auf 1700 Hektar angewachsen. Um ein Haar hätte die Reblaus dem Weinberg den Garaus gemacht. Jetzt wächst er wieder und hält bei 220 Hektar, größtenteils Terrassenlagen.

Über die traditionellen Rebsorten von Irouléguy konnte man früher lesen, dass ihre Namen mehr singen würden als die Weine, die daraus gekeltert werden. Ihrer Säure und Härte seien nur die robusten Kehlen der Bergbewohner gewachsen gewesen. Die Reblaus hat dieses Problem, so es eines gewesen ist, erledigt. Der Weinbau ist in der Folge in Irouléguy nahezu zum Erliegen gekommen. 1954 haben sich dann die letzten Weinbauern zu einer Genossenschaft zusammen geschlossen. Viele Hektar waren das nicht mehr. Ab den Achtziger Jahren hat man dann begonnen, Reben zu selectionnieren und und auf die einzelnen Terroirs abzustimmen, tendenziell mit eher fruchtigen Weinen auf Sandstein, weicheren auf Kalk und körperreicheren auf den Ton-Dolomit-Ophit-Verwitterungsböden. 1970 wurde Irouléguy der Status einer Appellation zuerkannt. Die Genossenschaft ist heute eine der renommiertesten Frankreichs und das, obwohl die Zahl der Winzer, die selber vinifizieren, Jahr für Jahr steigt. 2000 waren es fünf, heute sind es mindestens neun. Die Autoren der N° 4 von Les Feuilles du Pin á Crochet haben das vor über zehn Jahren gewusst. Sie beschreiben Irouléguy 2003 als „vignoble en pleine expansion“, „qui va sûrement progresser dans les décennies à venir“.

 

 

Domaine Ilarria

 

Peio Espil bewirtschaftet zehn Hektar Weingärten auf sehr kargen kalkreichen Felsböden. Zwei Hektar mit den Weißweinreben Petit Manseng und Courbu. Auf den anderen acht wachsen Tannat, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon.

Die Stockdichte ist hoch, der Ertrag niedrig und die Bewirtschaftung biologisch.

 

Irouléguy Rouge. Cuvée sans soufre ajouté 2012, Domaine Ilarria

Vor allem Tannat, ein bissl Cabernets. Kalk, achtzehn Monate in Barriques und im großen Holz, ohne Schwefelzusatz

 

Domaine Arretxea

 

Thérèse und Michel Riouspeyrous haben etwas mit auffällig vielen Weinbuaern, deren Weine Herr Rudolf verkaufen darf, gemeinsam. Ihre Vorfahren haben ein Weingut bewirtschaftet. Sie selber waren dann ein Zeitl weg. Dann sind sie wieder zurück gekommen und haben angefangen, wieder Wein zu machen. Zum Glück.

Riouseyrous haben zu Beginn der Neunziger Jahre mit einem Schieferterroir begonnen, 2004 ist dann ein Weingarten auf Sandstein dazu gekommen. Und seit 2007 vinifizieren sie auch die Trauben von Pantxo Indart aus dessen biodynamisch bewirtschafteter Parzelle auf magmatischem Ophite.

Die acht Hektar von Thérèse und Michel Riouspeyrous sind südlich ausgerichtet und ziemlich steil, teilweise terrassiert. Wenn jemand das Wort „Terroir“ allzu leichtfertig verwendet, kann es passieren, dass Michel Riouspeyrous gereizt reagiert, nicht weil ihm das Terroir wurscht ist, sondern seines Erachtens allzu oft zu Unrecht strapaziert wird. Mit renommierten Geologen und Bodenforschern wie Yves Hérody, Dominique Massenot und Jacques Petit versucht er seinen Böden auf den Grund zu gehen, sie zu kartogarphieren und respektvoll wie penibel zu bewirtschaften.

 

Haitza 2012, Domaine Arretxea

 

Siebzig Tannat, dreißig Cabernet Sauvignon. Ausbau teilweise in Manhartsberger Eiche von Stockinger, einem Fassbinger, auf den der Rudl in Frankreich immer wieder angesprochen wird. Der Wein wird vor allem zu allem, was auf dem Wasser schwimmt oder über das Wasser fliegt, empfohlen. Schwammerl tun weder das eine noch das andere, passen aber trotzdem ganz gut zum Haitza. Braucht auch unbedingt Luft, aber mit diesem Ausschnitt seines Weltwissens hat Sie Caviste Rudolf, wie erwähnt, schon einmal im März des vergangenen Jahres beglückt.

 

Und wenn Sie die Zeilen vom 18. Februar 2016 über Blaufränkisch gelesen haben, dann können Sie gleich weiterscrollen.

 

Blaufränkisch – Pelz aus dem Burgenland

 

So patschert können sich Politiker im östlichsten Bundesland gar nicht aufführen, dass der Rudl bei Wein nicht auch immer gleich an das Burgenland denken würde.

Die österreichische Rotweinrebsorte, die am meisten Gerbstoff hat, ist der Blaufränkische. Und obwohl der Blaufränkische in allen österreichischen Weinbaugebieten und nicht nur dort vorkommt, ist er vor dem Rudl seinem geistigen Auge ein Burgenländer. Dort kommt er in allen vier Weinbaugebieten vor.

 

Blaufränkisch Kirschgarten 2011, Josef Umathum, Jois, Neusiedlersee

 

Wahrscheinlich ist es immer noch zu früh, diesen Wein jetzt zu trinken. Caviste Rudolf erinnert der Kirschgarten ein bissl an die Domaine des Ardoisières von Brice Omont. Und der Boden vom Kirschgarten dürfte mit dem in Cevins auch einiges gemeinsam haben, nicht nur Schiefer und Quarz, auch den Umstand, dass beide Weinberge lange Zeit brach gelegen sind. Beide sind in Terrassen angelegt. Beiden schauen auf Wasser hinunter. Der in Cevins auf die Isère, der Kirschgarten auf den Neusiedlersee. Zum nächsten Skilift hat man es vom Kirschgarten freilich deutlich weiter. Und die Tour de France-Radler kommen beim Joiser Kirschgarten auch nicht so oft vorbei, aber das sollte terroirmäßig nicht allzu sehr ins Gewicht fallen.

 

Blaufränkisch Weinberg 2013, Helga und Alfred Weber, Deutsch-Schützen, Eisenberg, Südburgenland

 

Blaufränkisch der alten Schule aus dem großen Holzfass. Der Eisenberg heißt zwar nicht Blaufränkischland, aber er ist es. Auch hinsichtlich des hohen Eisengehalts im Boden vielleicht lohnend mit dem Haitza von Arretxea zu vergleichen.

 

  • Blaufränkisch Weinberg 2013, Helga und Alfred Weber, Deutsch-Schützen, Eisenberg, Südburgenland (2,50/4)
  • Blaufränkisch Kirschgarten 2011, Josef Umathum, Jois, Neusiedlersee (7/11)
  • Haitza 2012, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
  • Irouléguy Rouge. Cuvée sans soufre ajouté 2012, Domaine Ilarria, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)
  • Mondeuse 2015, Domaine Giachino, Chapareillan, AOP Vin de Savoie (4/6)
  • Mondeuse 2015, Le Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières-en-Chautagne (5/8)

… diese sechs Pelztiere, aber nicht ausschließlich diese lässt Caviste Rudolf diese Woche aus der Flasche, um sie „au verre“ zu kredenzen,

 

am Mittwoch, den 25. Jänner und am Freitag, den 27. Jänner

jeweils von 16 bis 22 Uhr in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22, 1150 Wien

 

Das ist jetzt viel gewesen. Darum ergänzt Monsieur Rudolf die Ausführungen durch den Hinweis, dass es ausdrücklich erwünscht ist, wenn Sie sich die Jause in die Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils selber mitbringen.

 

Erratum

 

Der Rudl bedauert außerordentlich, dem Major Kottan letzte Woche fünf Jahre herunter dividiert zu haben. Zwei aufmerksame Leser haben ihn dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass der Doiferl am 22. Jänner seinen 85. Geburtstag gefeiert hat.

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Vorschau auf den 1. und 3. Februar

Percée du Vin Jaune in Reindorf. Vier Vin Jaunes aus vier Appellationen:

Château-Chalon, Arbois, Côtes du Jura, Étoile

 

Herr Rudolf grüßt, den Pelz, den Winter und den Gerbstoff!

 

Ois Guade zan Gebuadsdog! Mittwoch und Freitag geöffnet

Same procedure as every year: Major Kottan lädt zur Geburtstagsfeier mit Würstel, Lagerfeuer und Tanzmusik in die Tullner Au, aber der Kanzler sagt ihm ab. So berichtet es Helmut Zenker in Kottan ermittelt. Der Geburtstag (1977). Heuer wird Kottan fünfundachtzig. Der Kanzler wird zum rauschenden Fest wieder nicht erscheinen. Ob der Kardinal, der damals noch kein Kardinal war, aber damals schon am selben Tag Geburtstag gehabt hat, auch abgesagt hat, das ist nicht überliefert. Vielleicht hatte Kottan ihn gar nicht eingeladen.

Der Rudl stößt diese Woche auf alle, die am 22. Jänner Geburtstag haben, an. Sie haben die Gelegenheit, sein Prost mit einem der folgenden Weine zu erwidern:

 

Schilcher 2013, Maria und Sepp Muster, Schlossberg, Südsteiermark (3/5)

Caviste Rudolf freut sich, endlich wieder den Schilcher von Maria und Sepp Muster offerieren zu können, diese Woche auch glasweise.

Der Rudl wollte vor kurzem dem Fils den Unterschied zwischen Bild und Muster verständlich machen. Der Fils hat ganz schnell dankend abgewunken und erklärt, dass er das eh weiß. Muster, das ist der Mann mit den großen Händen.

 

Una. Frühroter Veltliner 2015, Leo Uibel, Weinviertel (4/6)

auch eine Premiere, der dezent Orange von Leo Uibel, Namensvetter vom Fils, in dessen zweitem Vornamen

 

Neuburger 2015, Mantlerhof, Brunn im Felde, Kremstal (2,50/4)

 

Hégoxuri 2014, Domaine Arretxea, AOP Irouléguy, Sud Ouest (5/8)

Lieblingswein vom Rudl

 

Altesse 2015, Jacques Maillet, Le Cellier des Pauvres, Chautagne, AOP Vin de Savoie (5/8)

Hoheit zum Geburtstag, bester Spielzeugtraktor auf einem Weingut

 

Perles d’Aimavigne, Domaine Dupasquier, Jongieux, AOP Vin de Savoie (3/5)

Schaumwein aus dem Felsen, zweitbester Spielzeugtraktor auf einem Weingut

 

Trockenbeerenauslese „Schrammel“ 2012, Dankbarkeit, Neusiedlersee (5,50/-)

Wein aus dem Lieblingsweingarten vom Lieblingswirt von Femme, Fils und Rudl.

 

Diese sieben Geburtstagsweine, wie fast immer nicht ausschließlich diese, gibt es glasweise

 

am Mittwoch, den 18. Jänner und am Freitag, den 20. Jänner

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22

 

Hinweis in eigener Sache

Der Rudl ist sich bewusst, dass Weinkauf bei ihm nicht ganz so komfortabel ist wie beim Quasimonopolisten. Komfort ist für Monsieur Rudolf sowieso kein oberes Lebensziel. Aber am versiegelten Parkplatz muss es nicht scheitern. Erstens stellt Herr Rudolf ab einem Einkaufswert von 57 Euro bei zeitgerechter Bestellung innerhalb von Wien kosten-, stickoxid- und feinstaublos zu. Und zweitens kann er Bestellungen bei rechtzeitiger und verbindlicher Angabe von Abholzeit punktgenau hinaus auf die Reindorfgasse reichen. Sie melden vorher möglichst per E-Mail an, was Sie kaufen möchten. Der Rudl packt die Weine zusammen, macht die Addition und reicht Ihnen die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt der Abholung hinaus in das Automobil auf die Gasse. Fast à la drive-in, nur ohne Gewerbegebiet und Kreisverkehr mit angeschlossenen Fressnapf, Forstinger, Fast Food, Fast Box und Fast Wasweißderkuckuckwas. Das geht ruck-zuck, sodass vor dem Zebrastreifen Ecke Reindorfgasse Oelweingasse nicht einmal der Ansatz von einem Stau entsteht.

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

 

Vorschau auf die nächste Runde, eingeschränkt auf den Fall, dass das Thermometer nicht in den zweistelligen Plusbereich auf der Celsiusskala kraxelt:

Gerbstoffe aus den Pyrenäen, den französischen Alpen und aus dem Burgenland. Ein Rebsortenvergleich Blaufränkisch – Mondeuse – Tannat

 

Alles Gute zum Geburtstag und dergleichen!

Aux cîmes, Moustaché! Auch 2017 Mittwoch und Freitag geöffnet

A Tribute to Rentnerkollegen Jacques Maillet

 

Der Rudl ist sozialversicherungstechnisch bekanntlich gesehen „in da Rentn“ (Kurt Ostbahn, Ein Abend im Espresso Rosi, 1995). Geringfügig beschäftigt hat er sich das eine oder andere Zubrot verdient. Der Kurtl ist ihm acht Jahre darauf gefolgt. Seit 1. Jänner 2017 ergänzt Monsieur Jacques Maillet die illustre Runde. Und wenn so einiges im Leben unsicher ist, diesen drei Herrschaften wird im Ruhestand garantiert nicht fad.

 

Jacques Maillet – Weinbauer zu Venaise Dessus, Motz, Chautagne, Savoie, Rhône-Alpes, France, Europe

 

An den ersten Besuch bei Jacques Maillet wird sich der damals nicht einmal in spe Caviste Polifka immer erinnern. Die Zufahrt alleine war ein Erlebnis. In Venaise Dessus, hoch oben in der Chautagne über der Rhône fährt man nicht zufällig vorbei. Wenn man es findet, vergisst man es nicht mehr. Den Ausblick nicht, die eigenartige, privat initiierte, aber kollektiv betriebene Siedlung nicht und den Wein noch viel weniger.

 

Lage

 

Die Chautagne ist die gedachte Verlängerung des Lac du Bourget, des größten ausschließlich französischen Sees nach Norden. Der wiederum ist ein Gemeinschaftskunstwerk von Gletschern und tektonischen Unfällen. Die westlich ausgerichteten Hanglagen entlang des Lac du Bourget und der Chautagne sind ziemlich sicher der klimatisch privilegierteste Teil der Weinbauregion Savoyen. Zikaden und Mandel- und Olivenbäume lassen erahnen, warum diese Gegend als „Provence de Savoie“ bezeichnet wird.

 

Steine und Gegensätze

 

Der Rudl hat vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass es in Frankreich gar nicht so viele Kreideweinbergböden gibt, wie man vielleicht annehmen möchte und dass das massivsten Gebirge aus der Kreidezeit die Bauges sind. Auf denen grasen die Kühe, aus deren Milch der berühmte Tome des Bauges heranreift, präziser heranergraut. Am westlichsten Abhang der Bauges befindet sich das Weingut von Jacques Maillet.

Wenn es eine Personifizierung des geraden Gegenteils vom Kreidemeister gibt, dann ist es Jacques Maillet. Der hat die Kreide über den Weinbergboden in sich aufgenommen, nicht über NLP. Ein Philanthrop – herzlich, authentisch und mit einer Direktheit, die einen manchmal auch kurz verstört dasitzen lassen kann. Aber zum diplomatischen Herumreden ist Monsieur Jacques die Zeit zu schade. Die nützt er im Weingarten oder für Verkostungen, bei denen er zwar mitverkostet, vor allem aber der Wein spricht.

Die kreidehältigen Sandsteinböden in der Chautagne bröseln an der Oberfläche förmlich. Sie sind charakteristisch für den steinigen Charakter der gelungenen Weine der Chautagne. Will man die Böden tiefer bearbeiten, erweisen sie sich als pickelhart wie Felsen. Das hat Weinbaumeister Jacques nicht daran gehindert, die kleinsten und lockerbeerigsten Mondeuse Reben aus seinem etwas tiefer gelegenen Weingarten massal zu selektionieren und etwas weiter oben am Steilhang wieder auszupflanzen. Jacquère und Altesse wachsen auch dort. Nur Gamay und Pinot Noir stehen auf der Parzelle „Vignes du Seigneur“.

Einige Reben vom Cellier des Pauvres sind über 110 Jahre alt und „francs de pied“, wurzelecht. Die Reblaus kann sich auf dem Sandstein nämlich brausen.

 

Weingarten und Weinkeller

 

Der Rudl hat letzten Sommer zum ersten Mal einen Blick in den Weingarten von Jacques Maillet geworfen, nach einer Fahrt im Dienstauto von Monsieur Jacques, bei der dem Rudl um ein Haar das Mittagessen, sowie jede Lust auf Weingartenbesichtigung und Wein abhanden gekommen wären. So oder so, nach überstandener Fahrt wird aus einem ansonsten überaus fidelen und gesprächigen Zeitgenossen ein gerührter Mann mit fast kindlich strahlenden Augen und er erklärt: „C’est la seule chose qui m’intéresse, la vigne … Je ne m’intéresse pas à la cave, je ne m’intéresse pas aux tracteurs. La seule chose qui m’intéresse c’est la vigne.“ (Was mich interessiert ist der Weingarten, kein Traktor, kein Keller, nur der Weingarten.)

Gänzlich desinteressiert dürfte er dem Keller auch wieder nicht gegenüber stehen. Sonst hätte er in den letzten Jahren keinen gebaut, um seine Weine zuhause keltern zu können. Seit 2003 geht er seinem Handwerk biodynamisch nach. Darum hat er bald darauf der Genossenschaft Auf Wiederschaun! gesagt. Seine Vinifizierung nennt er Ni-ni-ni. Das hat nichts mit dem Monty Python Film über die Artussage zu tun, sondern bedeutet „Weder-noch-noch“. Gemeint ist: Weder Reinzuchthefen, noch Aufzuckern, noch Filtrieren. Geschwefelt wird höchstens bei der Füllung, und das minimal. Bei der Altesse meistens überhaupt nicht.

Ein Blick auf die Trauben in seinem neuen Weingarten mit den selektionierten Mondeuse Reben lässt erahnen, warum Jacques Maillet so glücklich ist. Auch in Savoyen gilt 2016 in wettermäßiger Hinsicht als ziemliche Zumutung für die Weinbauern. Die Spätfröste sind dort in den Bergen paradoxerweise gar nicht so ein Problem gewesen wie etwa in Burgund. Aber Frühjahr und Sommerbeginn waren derart nass und kalt, dass ein großer Teil der Trauben verfault und in Folge schwarz eingetrocknet ist, auch jener von den Biowinzern. Schön schaut das nicht aus. „Tu n’en verras rien ici!“ (Davon wirst Du hier nichts sehen.), sagt Jacques Maillet und schaut dabei, als ob er das selber nicht ganz glauben könnte. Aber es ist so. Die Trauben an den neu selektionierten Mondeuse Reben sind so lockerbeerig und klein, dass kaum eine an der anderen anzustoßen scheint. Da kann der Wind überall dazwischen hinein, schlechte Karten für die Mehltaue.

Dass seine Weingärten so viel gesünder sind als die anderer Winzer führt Jacques Maillet auch auf den Umstand zurück, dass er keine „voisins chimiques“ (keine chemischen Nachbarn) hat. Der neu selektionierte Weingarten ist heuer zum ersten Mal im Vollertrag. Das ist einerseits gut, weil ein klimatisch alles andere als begünstigter Jahrgang wie dieser schön die Unterschiede zwischen massetragenden und klein-lockerbeerigen Klonen zeigt. Irgendein Weinbaumeister, vielleicht war es Brice Omont von der Domaine des Ardoisières, hat darauf hingewiesen, dass das Alter eines Rebstocks gar nicht so entscheidend sei, auf alle Fälle nie so entscheidend wie der richtige Klon einer Rebe. Aber es spricht natürlich wenig gegen sehr alte Reben vom richtigen Klon.

 

Es ist nie zu spät für eine glückliche Jugend“, sagt der Kurtl.

 

Und Jacques Maillet dürfte so ähnlich denken. Jetzt, wo nicht nur sein Lebenswerk, der massal selektionierte Mondeuse Weingarten, im Vollertrag und der eigene Keller fertig sind, sondern auch seine Weine einen Grad an Präzision und eigenständigem Charakter erreicht haben, hat er sich mit 31. Dezember 2016 in die Rentn begeben. Den Jahrgang 2016 kann er nicht mehr selber abfüllen. Das verbietet die gesetzliche Regelung für die Übergabe von Weingütern in Frankreich.

Bevor Jacques Knie ganz hin sind, wird er sie operieren lassen. Er will noch Radl fahren und in die Berge gehen.

2015 hat er noch selber abgefüllt und in Verkauf gebracht. Und den gibt es abgesehen vom Pinot Noir in der ersten Geschäftswoche des ersten Rentenjahres von Jacques Maillet beim Rudl „au verre“

 

  • Jacquère 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (3/5)
  • Le P’tit Canon 2015, Fünfzig Percent Jacquère – fünzig Percent Altesse, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (4/6)
  • Roussette de Savoie. Altesse 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (5/8)
  • Gamay 2015, Sur le terroir des Vignes du Seigneur, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (3/5)
  • Mondeuse 2015, Sur le terroir du Cellier des Pauvres, Jacques Maillet, Serrières en Chautagne, Savoie (6/9)

(In Klammern zuerst der Preis für ein Sechzehntel, dann der für ein Achtel.)

 

Unter anderem, aber nicht ausschließlich diese fünf Weine kredenzt Herr Rudolf diese erste Geschäftswoche des Zweitausendsiebzehnerjahres

 

am Mittwoch, den 11. und am Freitag, den 13. Jänner

von 16 bis 22 Uhr

in der Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils, Reindorfgasse 22.

 

 

Vorschau auf die glasweisen Weine vom 18. und 20. Jänner

 

Happy Birthday, Bruno Kreisky, Adolf Kottan und andere!

 

Im Übrigen ist Rudolf Polifka der Meinung, dass man jetzt endlich den 27. Jänner, den Tag der Befreiung der Überlebenden aus dem Vernichtungslager Auschwitz zu einem europäischen Feiertag erklären sollte!

Herr Rudolf wünscht allen Rentnerinnen und Rentnern ein gutes neues Jahr und allen anderen auch!