Punsch – Nicht genügend

Punsch heißt Punsch, weil er aus 5 Zutaten besteht. Und 5 heißt in der Sprache derer, die den Punsch vielleicht erfunden haben, nämlich auf Hindi „paňc“, was soviel wie 5 bedeutet. 5, weil eben 5 Zutaten in den Punsch gehören: Arrak, Zitronensaft, Tee, Gewürz und Zucker. Wenn man früher im Winter durch die Stadt gegangen ist, konnte man an zahlreichen Plätzen stehen bleiben und so einen Punsch zu sich nehmen. Manchmal hat man dabei das Gefühl gehabt, dass man es dabei nicht nur mit 5 Zutaten zu tun hat, oder zumindest nicht mit den 5 oben genannten.Genau 5 und keines mehr oder weniger ist auch die Zahl der Jahrzehnte, aus denen Herr Rudolf nächste Woche österreichische Pinot Noirs öffnet. Und genau 5 und nicht eines mehr oder weniger ist die Zahl der österreichischen Weinbaugebiete, aus denen die 5 Pinot Noirs aus den 5 verschiedenen Jahrzehnten stammen: Neusiedlersee Hügelland, Carnuntum, Südburgenland, Neusiedlersee und Südoststiermark. 1971, 1986, 1994, 2009 und 2011 werden die Jahrgänge sein.

Und weil zum Pinot Noir – anders als letzte Woche zu Altesse und Mondeuse – fast das meiste eh schon geschrieben ist, erlaubt sich Rudolf Polifka, Ihre Lesegeduld dieses Mal weniger zu strapazieren.

Allerdings geht es jetzt trotzdem weiter. Es handelt sich beim vorliegenden Kurztext, nämlich gewissermaßen um eine Feldtestung in Sachen sinnerfassendes Lesen. Diese sogenannten „standardisierten“ Tests haben bis vor kurzer Zeit regelrecht geboomt. Ein ganz lukratives Feldtestergewerbe ist da entstanden, vorwiegend mit öffentlichen Aufträgen und deshalb lukrativ vorwiegend für schuleschwänzende Lehrerinnen und Lehrer, weniger lukrativ für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Aber vor wenigen Wochen ist die Feldtesterei dann plötzlich in Misskredit geraten. Schuld ist ein rumänischer Server, wer sonst? Auf alle Fälle wurden die Feldtestungen sofort auf Eis gelegt, wo sie vielleicht eh am zweitbesten aufgehoben sind, aufgrund der Datenunsicherheit. Vielleicht lassen sich da noch drei oder vier Dinge finden, die man mit dieser Begründung aufs Eis legen könnte.

Der Rudl hat da auf alle Fälle nicht länger zuschauen können und die Initiative ergriffen. Mit diesen Zeilen wird er in dem Moment, in dem Sie, geneigte Leserin, gewogener Leser, sich diese zu Gemüte geführt haben werden, Österreich – und zwar nicht nur das halbwüchsige Österreich – auf seine Kompetenz, sinnerfassend zu lesen, feldgetestet haben. Und wer in der kommenden Woche in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ einen Punsch verlangt, der hat nicht bestanden und muss einen Förderkurs besuchen, den dann vielleicht auch gleich Master of Education Rudolf P. anbieten könnte. Vorher wird das Zentralorgan aller Durchgefallenen titeln:
„So rettete Rudl Pisa“

Also 5 österreichische Pinot Noirs aus 5 verschiedenen Jahrzehnten und 5 verschiedenen Weinbaugebieten, aber nicht ausschließlich

am Mittwoch, den 26. März und am Freitag, den 28. März
von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf wünscht Ihnen und allen rumänischen Servern eine agreable Woche!
Rudolf Polifka

Der rote Graf und andere Querulantenweine aus den französischen Alpen

Die Anhänger des FC Évian Thonon Gaillard besingen das „Croix de Savoie“, weil der Fusionsverein des 1924 gegründeten FC Gaillard von 2003 bis 2007 „Football Croix de Savoie 74“ geheißen hat. 2007 wurde der wiederum mit dem Olympique Thonon Chablais zum „Olympique Croix de Savoie 74“ fusioniert. Den heutigen, vergleichsweise unklingenden kreuzlosen Namen trägt der Verein übrigens seit 2009, nachdem im Dezember 2008 die ehemaligen französischen Teamspieler Zidane, Lizarazu und Boghossian Anteile an der Kapitalgesellschaft erworben haben.

Das Croix de Savoie ziert fast jedes savoyardische Weinetikett. Seit 1991, vermutlich als Vorbereitung auf die olympischen Winterspiele in Albertville, ist es in das Glas der „Savoyarde“, einer spezifisch savoyardischen Weinflasche, geprägt. Doch deren Zeit dürfte auch schon wieder vorbei sein. Immer mehr savoyardische Weine, vor allem interessantere, werden in Burgunderflaschen gefüllt. Und in der „Veronique“, einer Rheinweinflasche mit vier Ringen am oberen Hals, finden man fast nur mehr reife Weine.

Beim Croix de Savoie handelt es sich um das Wappen Savoyens, einer französischen Region mit bewegter Geschichte, die für fast alles bekannter ist als für ihren Wein. Aber das hat quantitative Gründe, keine qualitativen, findet der Rudl. Zweitausend Hektar Rebläche sind für eine Weinbauregion mit Renommée vermutlich zu wenig. Aber viele Weine, die dort wachsen, verdienen eine eingehendere Auseinandersetzung.

Zurück zum Wappen: Es zeigt eigentlich ein silbernes Kreuz auf rotem Grund, das von den meisten Grafikern zu einem weißen Kreuz auf rotem Grund abstrahiert wird, übrigens gerade so wie das beim eigentlich auch silbernen Wiener Wappen der Fall ist. Wo der Ursprung des Croix de Savoie liegt und ob es dort eine Verbindung zum Wiener Wappen gibt, hätte eigentlich Hauptinhalt dieser Zeilen sein sollen. Doch Schulmeister Rudolf vermochte es nicht zu eruieren. Für zweckdienliche heraldische Hinweise ist er dankbar.

Das Wiener Wappen und das Croix de Savoie scheinen spätestens im dreizehnten Jahrhundert verwendet worden zu sein, in beiden Fällen ist ein Kreuzzugshintergrund anzunehmen. Wo damals nicht?

Als Missing Link zwischen Savoyen und Wien würde sich natürlich Prinz Eugen Franz von Savoyen aufdrängen, nahe dessen Denkmal die Familie Sackbauer beim versuchten Besuch des Opernballs geparkt hat. Aber für einen Wappentransfer war es zur Zeit Eugens schon zu spät. Da war der Hafer schon geschnitten, um die von Kurt Ostbahn überlieferten Worte Hans Krankls zu strapazieren.

Prinz Eugen ist ein Wiener Idol, das es unbedingt zu militärischen Ehren bringen wollte und das deshalb kein langes Federlesen machte, als es um die Wahl des Herrscherhauses, für das er Dienst tun wollte, ging. Seine Wahl fiel auf das Haus Österreich, in dem die erhoffte militärische Laufbahn am wahrscheinlichsten schien. Trotzdem führte er die Hinweise auf seine italienischen und französischen Wurzeln im Namen und unterzeichnete mit dem italienischen Vornamen“Eugenio“, der deutschen Präposition „von“ und der französischen Regionsbezeichnung „Savoy“. Seine Entscheidung für Österreich wird er vermutlich eher nicht bereut haben. Schon mit zwanzig Jahren war er 1683 im Kader für die Schlacht am Kahlenberg. Heute kämpfen junge Sportler, die sich für Österreich entschieden haben, in diesem Alter gegen die Sperrstunde in Grazer Tanzlokalen und gegen alkoholhältige Getränke, die sie nicht vertragen.

In der Geschichte Savoyens spielt Eugen Franz keine so große Rolle. Die wird dominiert von einer Kette Amadei, deren Höhepunkt vermutlich Amédée VIII (1391 – 1440) darstellt. Der Sohn von Amédée VII, dem „Comte Rouge“ (der Rote Graf), leitete eine Periode besonderer Blüte in Savoyen ein. Amédée VIII führte 1430 gegen den Widerstand des Adels und der Städte in der Region um den Genfer See und Piemont ein umfassendes Gesetzbuch ein. Wie wäre der mit den Interessen der sogenannten „institutionellen Anleger“ in der Causa Hypo Alpe Adria verfahren? Und wie mit den Falotten, die das Fiasko verbrochen haben und sich jetzt dreist über Umfragerekordwerte freuen?

Amédée VIII zog sich vier Jahre nach der Einführung dieses Gesetzbuches übrigens weder in die EU-Kommission noch in den Vorstand irgendeines „institutionellen Anlegers“, sondern in die Kartause Ripaille am Genfer See zurück. Dort wird heute ein erfreulich tonischer Weißwein („Château de Ripaille“) und ein Rotwein, der nach seinem Vater „Le Comte Rouge“ benannt ist, gekeltert.

Aber anstatt nur mehr dem Rebensaft zuzusprechen wird Amédée VIII nur fünf weitere Jahre später auf dem Konzil von Basel zum Gegenpapst von Eugen IV gewählt und das, obwohl er nicht einmal dem Klerus angehörte. Amédée VIII gab sich als Heiliger Gegenvater den Namen Felix V. Ob dieser Name dem Glück der tollen Weine von Ripaille oder der überraschenden Wahl zum Gegenpapst geschuldet war, wissen wir nicht. Immerhin zehn Jahre hielt Felix V der üblen Propaganda des amtierenden Papstes stand. Einer der Höhepunkte der Schmutzkübelkampagne von Eugen IV war 1440 eine Bulle, in der er unter anderem die Savoyer Alpen und das Aosta Tal als Hort von Hexen und Ketzern diskreditierte. Und noch heute haben die Bewohner der savoyardischen Alpen den Ruf von Querköpfen. Zum Glück nicht ganz zu Unrecht. Denn ginge es nach den Kontrollneurotikern der INAO, des „Institut national de l’origine et de la qualité“, dann sähen die kleinen Weinberge Savoyens mit ihren nicht ganz übersichtlichen 22 Crus und den mehr als zwölf Rebsorten vermutlich anders aus.

Als Reverenz an den savoyardischen Eigensinn gibt es diese Woche nach dem zugegebenermaßen nicht ganz ungewagten „Reife-Schilcher-Thema“ der Vorwoche quasi eine Bank: les Vins de Savoie. Die roten der spät reifenden Rebsorte Mondeuse, die sich vor allem auf Schiefer- und Kalkgeröllböden von ihrer besten schwarzgepfefferten Seite zeigt: Jacques Maillet, Frédéric Giachino, beide Mondeusen von der Domaine Saint Germain: „Le Pied de la Barme“ und „Le Taillis“ und ein „La Brova“ 2005 vom Rotweindoyen Savoyens, Louis Magnin – alle zusammen von Biowinzern.

 

Die weißen Weine sind von des Rudls Lieblingscepage: Altesse, zu Recht auf Deutsch „Hoheit“ genannt, als einzige Rebsortenappellation Savoyens auch Roussette genannt. Vermutlich 1366 wurde sie von Amédée VI. vom Kreuzrückzug aus Zypern mitgebracht. Die wirklich segensreichen Dingen sind aus dem Morgenland in das Abendland gelangt, zumindest bis man dort Erdöl entdeckt hat. Der Ampelograph Pierre Galet bringt die Altesse mit dem ungarischen Furmint in Verbindung. In voller Reife bringen die rötlichen Trauben elegant-rassige Weine mit einem unnachahmlichen Aroma nach Bergamotten, Haselnüssen, Mandeln, Honig und Lindenblüten hervor. Die drei Altesse von Jacques Maillet (Chautagne, über hundert Jahre alte Rebstöcke auf Sandstein), von Frédéric Giachino (Kalksteingeröll) und Noёl Dupasquier (Jongieux, von mit dem Pickel in Kalkfelsen gehauenen Rebstöcken) könnte der eine oder andere Besucher der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ schon einmal getrunken haben. Zusätzlich wird es eine Altesse vom biodynamischen Winzer Michel Grisard geben. Der ist gemeinsam mit Nicolas Joly (Coulée de Serrant) Gründungsmitglied der „Renaissance des Appellations“. Die setzt sich für die Unverwechselbarkeit von Weinen ein. Die vier Faktoren Temperatur, Licht, Wasserversorgung und Geologie arbeiten überall auf dieser Welt auf eine ganz bestimmte eigene Art zusammen. Und ein Wein, der nicht durch eine Unzahl an Herbiziden, Pestiziden, Aromaheferln und anderen segensreichen Interventionsmitteln verhunzt ist, sollte genau von diesem überall einzigartigen Zusammenspiel von Temperatur, Licht, Wasserversorgung und Gestein geprägt sein. Paradoxerweise wird gerade dem Altesse von Michel Grisard immer wieder die Appellation „Vin de Savoie“ verweigert, weswegen der Wein 2005 „Altesse le Refus“ (Altesse die Verweigerung, Ablehnung) geheißen hat. Ganz fremd muss einem das im DAC-Raiffeisenweinland nicht sein. Und für Verweigerer der Verweigerung gibt es die konventionelle Variante der Grisard-Altesse von den Brüdern von Michel: Philippe und Jean-Pierre

 

am Mittwoch, den 19. März und am Freitag, den 21. März

von 16 bis 22 Uhr     

in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

 

Wenn Sie diese Zeilen bis hierher gelesen haben, dann bedankt sich Herr Rudolf dafür auf das Heftigste. Es war der bisher vermutlich längste Newsletter des Rudl.

Merci! Monsieur Rudolf

Reife Schilcher und der Unterschied zwischen Deppen und Narren

Es gibt Menschen, die wollen vor allem eines: dass man ihnen Prestige zuschreibt. Und das atmen sie auch aus, mit jeder Pore ihrer Haut: sonore Stimme, langsame Sprache und Gestik, joviales Lachen und Fidelsein, an Psychose grenzender Mangel an Selbstironie und ein para-erotisches Verhältnis zu – nicht selten motorisierten – Statussymbolen: die personifizierten Souveränitäten. Gerhard Polt und Otto Grünmandl haben ihnen vor dreißig Jahren ein literarisches Denkmal gesetzt („Die ganze Welt und überhaupt. Gespräche in einem Raum“), dem eigentlich nichts hinzuzufügen wäre, wenn es diese geborenen oder penibel gecoachten Souveränitäten nicht in verzichtbarer Regelmäßigkeit herausfordern würden, dass man ihnen ihr überschaubares Format vor Augen hält. Und dann gibt es natürlich auch Menschen, die krankhaft von solchen Figuren fasziniert sind, die Claqueure und Claqueusen, manchmal auch Nachäffer der Souveränitäten.

Bemerkenswert erscheint dabei, dass vor ein paar Jahrzehnten solche Souveränitäten auch noch in der Politik zu finden waren. Heute sucht man sie dort vergeblich (nicht jedoch ihre Claqueure). Die Souveränitäten selber scheinen sich in die mehr oder weniger private Wirtschaft zurückgezogen zu haben. In der Politik machen sie sich bestenfalls als Berater(honorar) bemerkbar.

Solchen Erscheinungen mit Skepsis, nötigenfalls auch mit Spott zu begegnen, auf gar keinen Fall aber über ihre jovialen Witze zu lachen, ist eine der wenigen Lehren, die sich Herr Rudolf aus seiner frühen Kindheit gemerkt hat. Beide Seiten dieser konversen Erscheinung – die Darsteller wie die Anhimmler – betrachtet der Rudl als Deppen.
Und von diesen unterscheidet er die Narren, denen komplett zu Unrecht der Fasching als Zeit zugeschrieben wird. Schaut man sich so eine Faschingssitzung nämlich einmal an, dann sieht man dort keine Narren, sondern erst recht wieder die jovialen Deppen und ihre auch nicht viel gscheiteren Bewunderer. Die Narren hat man längst davon gejagt, gekreuzigt, eingeliefert, assimiliert oder in ihrem Narrentum pragmatisiert und ihnen damit den Narrenzahn gezogen.

Die Narretei begegnet aber natürlich nicht nur den anthropomorphen Souveränitäten mit Skepsis, sondern auch den entsprechenden Geistes- und Gemütshaltungen, den Weisheiten, die halt land- oder stadtläufig so angenommen werden, allem, was einem der Hausverstand angeblich so sagt und den übrigen kleinen und großen Konformismen, die so sind, weil sie immer schon so waren.

Eine Weinweisheit, die einem der Hausverstand nahelegt, ist es zum Beispiel, Schilcher jung zu trinken, wobei damit natürlich nicht gemeint ist, sich den entsprechenden Regelungen des Jugendschutzgesetztes zu widersetzen und dem Schilcher bereits im Vorschulalter zuzusprechen. Dazu wäre vermutlich jeder Wein besser geeignet als der Schilcher mit seiner rustikalen Säure und den herben Noten. Die gängige Meinung empfiehlt, Schilcher nicht lange zu lagern. Das wird in vielen Fällen sinnvoll sein, immer stimmt es nicht. Ein begeisternd lebendiger Schilcher von Sepp Muster aus dem Jahr 1992, der 2013 geöffnet wurde, hat das in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“ schon gezeigt. Gemäß dem Motto des Apostels Paulus, „Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21), gebietet es die Narretei, diese Woche drei reife Schilcher zu öffnen, zwei aus dem Jahr 1990, einen aus dem Jahr 1991. Der Rudl ist auf das Resultat selber schon gespannt. Einer davon ist übrigens vom Weingut Fuchs-Maierhofer aus Gundersdorf, das in Weinbüchern der Siebziger Jahren immer wieder als Pionier der naturbelassenen Weine, des lagenspezifischen Ausbaus und der Interventionsreduktion genannt wird (Helmut Romé, Die großen Weine Österreichs).

Dabei sei natürlich darauf hingewiesen, dass das Anrennen eines Narren gegen etablierte Meinungen und Weisheiten nicht ausschließlich mit Siegen über die etablierten Meinungen und Weisheiten endet. Manchmal erweist sich das Etablierte als sinnvoll. Aber den Versuch war es gemäß 1 Thess 5,21 wert. So oder so werden auch andere Weine zur Ausschank kommen, auch junge Schilcher. Und zwar

am Mittwoch, den 12. und am Freitag, den 14. März
jeweils von 16 bis 22 Uhr
in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Rudolf Polifka grüßt diese Woche ganz besonders die Passagiere des „Narrensschyffs“ (1494) von Sebastian Brant und jene des Flascherlzugs von Stainz!

Der Herr Karl, hippe Flexibilität und der Graue Burgunder

Flexibilität steht hoch im Kurs, vor allem beim Wirtschaftsbund, wobei Flexibilität bemerkenswerterweise fast immer von Arbeitnehmern gefordert wird, viel viel seltener von Unternehmern. Von denen fallen gar nicht einmal so weniger, weniger in arbeitsrechtlicher als in parteipolitischer Hinsicht durch ein Übermaß an Flexibilität auf. In besonderem Ausmaß scheint das für den Links- und Rechtsliberalismus in diesem Land zu gelten, wobei der Rudl offen gestanden den Unterschied zwischen diesen beiden fast noch nie ganz verstanden hat. Gut: Der eine scheint als viel hipper als der andere zu gelten, der eine eher etwas für die Bezirke innerhalb des Gürtels, der andere eher für die mit absichtlich herbeigeführten Verwundung auf der Wange. Der eine lässt sich lieber vom Standard bestätigen, was er sich sowieso immer schon selber gedacht hat, der andere eher von den Wiener „So … unsere …“- und „… exklusiv“-WortakrobatInnen.  Parteipolitisch scheint es liberalen KandidatInnen auf beiden Seiten schwer zu fallen, bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen für ein und dieselbe wahlwerbende Gruppe – früher einmal „Gesinnungsgemeinschaft“ – zu kandidieren. Dort scheint fast alles möglich und fast nichts fix zu sein.Beispielsweise scheint es bei so mancher zur Wahl zum EU-Parlament antretenden Gruppe schier unmöglich zu sein, herauszufinden, als wessen Nachfolgepartei sie dieses Mal antritt. Wie auch immer: Flexibilität, auf gut Deutsch Biegsamkeit oder Geschmeidigkeit scheint eine Eigenart von „hippen“ Bewegungen zu sein. So zog vor noch gar nicht so vielen Jahren das Wort „gschmeidig“ in der Bedeutung von „erfreulich“, „angenehm“ und „nicht übermäßig strapaziös“ in die urbane Jugendsprache ein. Ein Klassiker an hipper Geschmeidigkeit war seinerzeit der Herr Karl, überall genau so lange dabei, so lange es mit persönlichen Vorteilen verbunden ist. Und wenn man sich heute sogenannte Bildungsreformen genauer anschaut, könnte einen schon der Verdacht beschleichen, das Ziel von Bildung sei, Schüler dazu zu befähigen, biegsam und geschickt günstige Gelegenheiten zu erkennen und wahrzunehmen, anstatt „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“, die jungen Menschen „zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich“ heranzubilden, zu „selbständigem Urteil und sozialem Verständnis“ zu führen, „dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt“ zu werden, „am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken“, wie das der Gesetzgeber im Paragraph Zwei des österreichischen Schulorganisationsgesetztes ungeschmeidig fordert.
Das Gegenteil von Flexibilität, Biegsamkeit und Geschmeidigkeit wäre übrigens Rückgrat oder aufrechter Gang, heute möglicherweise nicht ganz so hoch im Kurs.

Der Graue Burgunder scheint auf den ersten Blick genau in dieses Bild zu passen: Bei kaum einer anderen Rebsorte ist die Liste der Namen, unter denen man ihn kennt oder auch nicht kennt, so lange wie beim Pinot Gris. Nur: Er bleibt mehr oder weniger er selbst, die pfiffigsten Selektionsmaßnahmen haben aus ihm keine hippe Rebsorte gemacht und das, obwohl er verdammt eng mit dem doch nicht ganz unpopulären Pinot Noir verwandt ist und in kaum einer ampelographischen Beschreibung der Hinweis auf sein großes Qualitätspotential und den besonders edlen Charakter der aus ihm gewonnen Weine fehlt. Aber der Graue Burgunder ist und bleibt eine graue Maus. Wahrscheinlich nicht zuletzt auch deshalb, weil es sich bei ihm um eine weinbaulich eher schwierige Rebsorte handelt, in seiner Dünnhäutigkeit anfällig für Rebkrankheiten und Wetterkapriolen.
Darin mag auch der Grund zu suchen sein, dass der Pinot Gris zwar unter seinem französischen Namen am bekanntesten, aber nichtsdestotrotz in Frankreich eher bescheiden verbreitet ist, im Elsass noch mehr, in Burgund, Lothringen, der Champagne, an der Loire und in Savoyen ein bissl, sonst bestenfalls ein ganz kleines bissl. Nach Österreich brachten ihn übrigens Mönche im dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert, weshalb er auch „Grauer Mönch“ genannt wird. Noch charmanter findet der Rudl ja die Bezeichnungen „oststeirischer Traminer“ oder „kleiner Traminer“, wobei beide eher darauf hindeuten, dass im Prestige dieser Rebsorte nach oben hin noch Potential ist. Und darum gibt es kurz nach der Pinot Gris Vertikale vom Wirt und Winzer Josef Lentsch jetzt gleich wieder eine, und zwar gleich aus dem Nachbarort von Podersdorf, nämlich aus Frauenkirchen von Josef Umathum. Zum Winzer ist alles gesagt und geschrieben, vielleicht nur das eine: Allein die ruhige und kompetente Art von Josef Umathum passt zum Pinot Gris. Seiner steht übrigens in der Mitte einer seiner Paradelagen, der Riede Hallebühl, dem heiligen Hügel. Der ist nicht nur von eisenhältigem Kiesel und Magnesium durchzogen, was die Eleganz der Weine erklärt, sondern auch die mit 128 Metern Seehöhe höchste Erhebung östlich des Neusiedlersees, als solcher quasi das Gegenstück zur Riede Tiglat, dem tiefstgelegenen Punkt Österreichs.
Und von diesem Wein kredenzt Herr Rudolf diese Woche jeweils eine Flasche aus den Jahren 1997, 2006, 2007, 2008, 2011 und 2012, aber nicht ausschließlich,
und zwar am Mittwoch, den 5. März und am Freitag, den 7. März
von 16 bis 22 Uhr in der „Weinhandlung Rudolf Polifka et Fils“, Reindorfgasse 22

Herr Rudolf grüßt graue Eminenzen, Mäuse, Burgunder und den farbenfrohen Frühling!
All the best! Rudolf Polifka